Operation "Gewaltige Rache" - Israel bombardiert Gaza wie nie

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- von Dan Williams und Nidal al-Mughrabi und Maayan Lubell

Jerusalem/Gaza (Reuters) - Israel hat am Dienstag Ziele im Gazastreifen mit einer Vehemenz wie noch nie in dem seit 75 Jahren andauernden Konflikt bombardiert.

Dabei wurden in Gaza-Stadt ganze Viertel in Schutt und Asche gelegt. Die Angriffe erfolgten trotz der Drohung der radikalislamischen Hamas mit der Erschießung von Geiseln, sollte es auf palästinensischer Seite zu zivilen Opfern kommen. Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben das Grenzgebiet zum Gazastreifen mittlerweile wieder unter seine Kontrolle gebracht. In die Abschnitte, in denen Hamas-Kämpfer durchgebrochen seien, würden Minen gelegt, teilte Militärsprecher Daniel Hagari mit.

An der Grenze bargen israelische Soldaten weitere Todesopfer der Gewaltexzesse seitens palästinensischer Kämpfer. Die israelische Regierung hat eine "gewaltige Rache" angekündigt für die Überfälle vom Wochenende, die vom Gazastreifen ausgegangen und bei denen auch zahllose Raketen auf Israel abgeschossen worden waren. Nach Angaben der israelischen Botschaft in Washington hat die Zahl der Toten auf israelischer Seite mittlerweile die Schwelle von 1000 überschritten. Die Opfer waren zumeist Zivilisten, die wahllos in ihren Häusern, auf der Straße und bei einem Musik-Festival getötet wurden. Dutzende Israelis und auch Ausländer wurden von den Angreifen verschleppt.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza wurden bei israelischen Luftangriffen auf die blockierte Enklave seit Samstag 830 Palästinenser getötet und 4250 verletzt. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind mehr als 180.000 Menschen in dem Gebiet obdachlos. Im Gazastreifen leben rund 2,3 Millionen Menschen auf engstem Raum. Drei Journalisten wurden bei einem Außeneinsatz getötet, als eine israelische Rakete in einem Gebäude einschlug. Damit steigt die Zahl der getöteten Berichterstatter während der jüngsten Eskalation auf sechs. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Volker Türk, mahnte, Zivilisten zu verschonen.

Die Reaktion Israels, innerhalb von nur zwei Tagen 300.000 Reservisten zu mobilisieren, hat Spekulationen über eine Bodenoffensive im Gazastreifen genährt. "Wir haben noch nie so viele Reservisten in einem solchen Ausmaß einberufen", sagte Militärsprecher Hagari. "Wir gehen in die Offensive." Die Regierung in Washington, die Israel jährlich mit 3,8 Milliarden Dollar Militärhilfe unterstützt, erklärte, die USA würden neue Lieferungen von Luftabwehrsystemen, Munition und anderer Sicherheitshilfe nach Israel schicken.

BAERBOCK: "KEINE ESKALATION IM WESTJORDANLAND"

Neben den USA wollen auch Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien Israel bei der Verteidigung gegen Angriffe der Hamas gemeinsam helfen. "Unsere Länder werden Israel in seinen Bemühungen unterstützen, sich und sein Volk gegen solche Gräueltaten zu verteidigen", teilten US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der britische Premierminister Rishi Sunak laut einer von der Bundesregierung am Montagabend verbreiteten Erklärung mit.

US-Außenminister Antony Blinken telefonierte zudem mit seinem israelischen Kollegen Eli Cohen über die Unterstützung der USA für Israel. Blinken habe die Bemühungen der USA bekräftigt, die sofortige Freilassung der Geiseln sicherzustellen, teilte das US-Außenministerium mit. Die Aussicht auf eine Ausweitung der Kämpfe beunruhigt die internationale Gemeinschaft. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warnte: "Es ist die Verantwortung der Palästinensischen Autonomiebehörde, dass es zu keiner Eskalation im Westjordanland kommt."

Die EU-Außenministerinnen und Außenminister sollten am Nachmittag zu einer virtuellen Sondersitzung zusammenkommen. Dabei sollte es auch darum gehen, wie die Europäische Union die palästinensischen Gebiete auch weiterhin unterstützen sollte. Das Auswärtige Amt in Berlin zahlt nach Angaben eines Sprechers vom Montag weiter humanitäre Hilfe. Die Entwicklungshilfe dagegen ist laut zuständiger Ministerin Svenja Schulze ausgesetzt und wird derzeit auf den Prüfstand getellt.

Die Bundesregierung prüft zudem, die Flugkapazitäten aus Israel zu erweitern. Dazu sei das Krisenreaktionszentrum des Auswärtigen Amtes "unter Hochdruck mit Airlines in Kontakt", heißt es aus dem Ministerium. Das Auswärtige Amt steht mit 17 Jugendgruppen in engem Kontakt. Vier sind sicher ausgereist. Weitere Gruppen sollten noch im Tagesverlauf ausfliegen.

ABBAS IN MOSKAU ERWARTET

Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas wurde bald in Moskau erwartet. Abbas und seine Fatah haben im Westjordanland das Sagen, während die Hamas im Gazastreifen die Kontrolle hat. "Es wurde vereinbart, dass Herr Abbas nach Moskau kommt", zitierte die russische Nachrichtenagentur RBC den palästinensischen Botschafter in Moskau, Abdel Hafiz Nofal. Beide Seiten hätten "täglichen Kontakt". Russland, das sowohl Beziehungen zu arabischen Ländern, dem Iran und der Hamas als auch zu Israel unterhält, verurteilt die Gewalt auf beiden Seiten und wirft den USA vor, die Bedeutung eines unabhängigen palästinensischen Staates nicht anzuerkennen.

(Bearbeitet von Alexander Ratz; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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