GESAMT-ROUNDUP: Notstandsregierung in Israel - Reaktionen aus dem Ausland

dpa-AFX · Uhr

TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX) - Angesichts des Angriffs von Hamas-Terroristen auf Israel mit mindestens 1200 Toten und rund 3000 Verletzten hat sich Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Oppositionspolitiker Benny Gantz auf die Bildung einer Notstandsregierung geeinigt. Dies bestätigten Minister der Regierungspartei Likud am Mittwoch. Der Schulterschluss zwischen den tief verfeindeten politischen Kräften Israels ist direkte Folge der blutigsten Massaker an israelischen Zivilisten seit der Staatsgründung 1948.

Die Einheitsregierung wird als ein Zeichen der Geschlossenheit im Land gewertet. Eine Bodenoffensive gegen die islamistische Hamas im dicht besiedelten Gazastreifen dürfte näher rücken. Aus dem Ausland erfuhr Israel viel Solidarität angesichts der Gräueltaten der Hamas-Terroristen. Aber es gab auch Mahnungen zur Mäßigung bei den militärischen Gegenschlägen.

Kriegskabinett gebildet

Den Berichten zufolge sieht die Einigung vor, dass Netanjahu, Verteidigungsminister Joav Galant sowie der Oppositionspolitiker und ehemalige Verteidigungsminister Benny Gantz von der Partei Nationale Union ein Kriegskabinett bilden. Als Beisitzer ohne Stimmrecht sollen der ehemalige Generalstabschef Gadi Eisenkot und Likud-Minister Ron Dermer dienen. Gantz will den Berichten zufolge fünf Minister für das Sicherheitskabinett stellen.

Netanjahu hatte am Samstag den beiden Oppositionspolitikern Jair Lapid und Benny Gantz den Eintritt in eine Notstandsregierung angeboten. Seit Tagen liefen im Hintergrund Verhandlungen. Unklar war, ob Oppositionsführer Lapid eine Rolle in der Notstandsregierung spielen will. Medien zufolge soll ein Posten in der Regierung für ihn frei gehalten werden, sollte er sich anschließen wollen.

USA und Deutschland stehen fest an der Seite Israels

Führende Vertreter westlicher Länder, allen voran Joe Biden als Präsident des wichtigsten Verbündeten USA, erklärten sich solidarisch mit Israel. Auch Deutschland, das immer wieder betont, die Sicherheit Israels sei Teil seiner Staatsräson, steht fest an der Seite des angegriffenen Landes. "Ich versichere dem israelischen Volk, der Knesset und der israelischen Regierung die volle und uneingeschränkte Solidarität des Deutschen Bundestages", sagte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas unter Beifall der Abgeordneten aller Fraktionen.

Irlands Regierungschef warnt vor Folgen einer Überreaktion

Beispielsweise Irlands Regierungschef Leo Varadkar warnte davor, die internationale Unterstützung für Israel könne schwinden, sollte das Land mit seiner militärischen Reaktion gegen die Hamas zu weit gehen. "Aus Sicht Irlands sagen wir Israel: "Ja, ihr habt ein Recht euch zu verteidigen, ihr seid umgeben von Feinden, die eure Existenz auslöschen wollen, aber jede Reaktion muss angemessen sein"", sagte Varadkar dem Rundfunksender RTÉ.

EU-Außenbeauftragter Borrell kritisiert Blockade des Gazastreifens

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warf der Regierung in Jerusalem vor, mit Maßnahmen wie der Unterbrechung der Wasserversorgung, der Stromversorgung und der Nahrungsmittelversorgung für den Gazastreifen gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Auch nach dem barbarischen Angriff der Hamas müsse man sich erinnern, dass das Recht auf Verteidigung im Rahmen des Völkerrechts ausgeübt werden müsse.

Israels Armee-Sprecher: Bilder aus Gaza werden hart sein

Der Sprecher der israelischen Armee, Jonathan Conricus, betonte, die Kämpfe würden in den kommenden Tagen noch intensiver werden. Die Bilder aus dem Gazastreifen würden dann noch "schwieriger zu verstehen und zu ertragen sein.

Schon jetzt sind Aufnahmen vom Leiden der Zivilbevölkerung und massiven Zerstörungen durch israelische Luftangriffe in dem nur 40 Kilometer langen und zwischen sechs und zwölf Kilometer breiten Küstenstreifen zu sehen mit seinen schätzungsweise 2,3 Millionen Menschen.

Israels Dilemma bei der Bekämpfung der Hamas

Israel als eines der wenigen wirklich demokratischen Länder in der Region steht seit Jahren immer wieder vor den Dilemma, wie es auf Angriffe der Hamas reagieren soll, die aus dem dicht besiedelten Gazastreifen heraus erfolgen. Luftangriffe treffen immer auch Unbeteiligte. Ein Häuserkampf mit Bewaffneten birgt die Gefahr hoher eigener Verluste. Zudem könnte die Weltmeinung angesichts des Leidens der Zivilbevölkerung kippen. Zudem könnte die wie die Hamas mit dem Iran verbündete Schiitenmiliz Hisbollah Israel im Norden vom Libanon aus angreifen. Schließlich könnte der Prozess der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu arabischen Staaten entgleisen.

Ausmaß der Hamas-Verbrechen an Zivilisten wird immer deutlicher

Auch Tage nach dem beispiellosen Überfall von Terroristen der islamistischen Hamas auf israelische Ortschaften in der Nähe des Gazastreifens werden immer neue Gräueltaten bekannt. In dem nur zwei Kilometer vom Grenzzaun entfernten Kibbutz Kfar Aza ermordeten Bewaffnete aus dem Küstenstreifen am Samstag nach offiziellen Angaben eine große Zahl der Bewohner, darunter auch Kinder, in ihren Häusern.

Im Fernsehen waren grauenvolle Bilder zu sehen. Israelische Soldaten bargen aus den zum Teil niedergebrannten Wohnhäusern Leichen. Im Gelände lagen Leichen von Hamas-Terroristen, die erst bis Dienstagmorgen niedergekämpft werden konnten.

Hunderttausende im abgeriegelten Gazastreifen auf der Flucht

Nach Angaben des UN-Nothilfebüros OCHA flohen bisher etwa 264 000 Menschen innerhalb des von Israel sowie Ägypten abgeriegelten Gazastreifens. Wie die Hilfsorganisation in Genf weiter mitteilte, sind die Vertriebenen in Schulgebäuden, bei Verwandten oder Nachbarn untergekommen.

In Israel und im Gazastreifen steigen die Opferzahlen

In Israel wurden mindestens 1200 Todesopfer gezählt. Das teilte Armee-Sprecher Conricus mit. Die "überwältigende Mehrheit" der Todesopfer seien Zivilisten. Rund 3000 Menschen seien verletzt worden.

Im Gazastreifen starben seit Samstag durch die andauernden Gegenschläge der israelischen Luftwaffe nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums mindestens 1055 Menschen. Mindestens 5200 weitere Menschen wurden verletzt.

Auch Deutsche unter den Opfern

Laut Armee wurden etwa 150 Menschen in den Gazastreifen entführt, darunter auch mindestens fünf Deutsche. Eine Deutsche wurde getötet, wie das ZDF berichtete. Die ebenfalls von dem Sender stammende Information über die fünf entführten Bundesbürger wurden der Deutschen Presse-Agentur aus parlamentarischen Quellen bestätigt./ro/DP/ngu

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