Konjunktur in der Eurozone

"Powerhouse" Spanien verhindert Euro-Rezession - Deutschland abgehängt

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)
Quelle: Carlos Amarillo/Shutterstock.com

Italien und Spanien haben die Euro-Zone trotz der Schwäche ihrer größten Volkswirtschaft Deutschland vor der Rezession bewahrt.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Währungsunion stagnierte von Oktober bis Dezember im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistikamt Eurostat am Dienstag mitteilte. Im Sommer war die Wirtschaft noch geschrumpft - und zwar um 0,1 Prozent. Wenn die Talfahrt im Schlussquartal angehalten hätte, wäre es zu einer technischen Rezession gekommen. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem erneuten Minus von 0,1 Prozent gerechnet.

Ein Wachstum hat vor allem Deutschland verhindert: Die größte Volkswirtschaft Europas schrumpfte am Jahresende um 0,3 Prozent, weil in Bauten und Ausrüstungen wie Maschinen deutlich weniger investiert wurde. Nur Irland (-0,7 Prozent) schnitt nach den bisher vorliegenden Daten der Mitgliedsstaaten noch schlechter ab. Andere große Euro-Länder hielten sich weit besser: In Frankreich stagnierte die Wirtschaft, während Italien ein Wachstum von 0,2 Prozent und Spanien sogar von 0,6 Prozent schaffte. "Die Iberische Halbinsel ist das europäische Powerhouse", sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel, da Portugal mit 0,8 Prozent sogar noch kräftiger zulegte als der spanische Nachbar.

Das Konjunkturgefälle zwischen den Euro-Ländern dürfte sogar noch größer werden, sagen Experten voraus. "Die südeuropäischen Staaten werden von einer erneut guten Tourismussaison profitieren, der Urlaub genießt bei vielen Verbrauchern auch im laufenden Jahr eine hohe Präferenz", sagte Gitzel. "Die deutsche Wirtschaft mit ihrem hohen Exportanteil wird hingegen weiter im Hintertreffen sein, solange die Weltwirtschaft schwach bleibt."

Zinssenkungen dürften erst 2025 helfen

Auch wenn die Rezession knapp vermieden wurde, so stehen die Weichen noch längst nicht auf Aufschwung. So trübte sich die Stimmung in der Wirtschaft der Euro-Zone im Januar leicht ein: Das Barometer für das Geschäftsklima fiel im Januar um 0,1 Zähler auf 96,2 Punkte, wie aus den Daten der EU-Kommission hervorgeht. In der Industrie und bei den Dienstleistern hellte sich die Stimmung leicht auf. Bei den Verbrauchern ging es hingegen leicht bergab, während sich das Geschäftsklima in dem von der Hochzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) getroffenen Bausektor deutlich eintrübte.

"Angesichts der weiterhin hohen Inflation wird die EZB ihre Leitzinsen voraussichtlich erst ab dem Sommer senken, was sich erst 2025 positiv auf die Konjunktur auswirken dürfte", sagte Commerzbank-Ökonom Christoph Weil. Auch China dürfte angesichts der Krise am dortigen Immobilienmarkt als Konjunkturlokomotive ausfallen. "Damit besteht kaum Hoffnung, dass der Export das Wachstum im Euroraum stärker anfacht", sagte Weil.

„Deutschland im Dämmerzustand“

Laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde wird die Schwächephase auf kurze Sicht wahrscheinlich anhalten. Wann die Zinswende aber vollzogen werden soll, ließen die Euro-Wächter zuletzt offen. An der Börse wird die Wahrscheinlichkeit mit 80 Prozent veranschlagt, dass die Euro-Notenbank im April erstmals wieder die Zinsen senken wird. Ein solcher Schritt im Juni gilt sogar als sichere Wette mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 Prozent. Niedrigere Zinsen machen Kredite billiger, was die Konjunktur beleben könnte.

Besonders Deutschland kann frische Impulse gebrauchen. Von Januar bis März dürfte die Wirtschaftsleistung nach Prognose des Ifo-Instituts um 0,2 Prozent sinken. "Damit würde die deutsche Wirtschaft in der Rezession stecken", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. In nahezu allen Branchen klagten die Unternehmen über eine sinkende Nachfrage, während die dicken Auftragspolster aus der Corona-Zeit abgeschmolzen seien und die hohen Zinsen bremsten. "Zusätzlich wird die Wirtschaft durch eine Reihe von Sonderfaktoren belastet", sagte Wollmershäuser. Dazu zählten der hohe Krankenstand, die Streiks bei der Deutschen Bahn sowie der außergewöhnlich kalte und schneereiche Januar. Der Ifo-Geschäftsklimaindex signalisierte zum Jahresstart eine beschleunigte Talfahrt: Das Barometer rutschte im Januar auf den schlechtesten Wert seit Mai 2020.

"Derzeit sieht es so aus, als ob die deutsche Wirtschaft den Dämmerzustand zwischen Rezession und Stagnation nicht so schnell verlassen wird", sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Im Gesamtjahr 2023 gab das deutsche BIP um 0,3 Prozent nach. Das gewerkschaftsnahe IMK-Institut rechnet mit einem erneuten Minus in dieser Höhe für das laufende Jahr. "Es ist keine Trendwende in Sicht", sagte dessen wissenschaftlicher Direktor Sebastian Dullien.

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