Beratergremium: Deutsches CO2-Budget de facto aufgebraucht

dpa-AFX · Uhr

BERLIN (dpa-AFX) - Nach Einschätzung eines Beratergremiums der Bundesregierung hat Deutschland die Menge an Treibhausgasen praktisch aufgebraucht, die mit einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad vereinbar wäre. Zu diesem Ergebnis kommt der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) in einer am Montag in Berlin veröffentlichten aktualisierten Stellungnahme.

Bei der Klimakonferenz in Paris 2015 hatte sich die Weltgemeinschaft das Ziel gesetzt, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Leitfrage für die SRU-Stellungnahme war, wie viel CO2 Deutschland noch ausstoßen dürfte, wenn die Menge international gerecht verteilt würde. Dabei bezieht sich der SRU auf die Bevölkerungsgröße des Jahres 2016, in dem das Pariser Klimaabkommen formal in Kraft trat.

"Inzwischen ist unausweichlich, dass wir mehr CO2 ausstoßen als uns zusteht, wenn wir unseren Anteil an der Weltbevölkerung zugrunde legen", erklärte Ratsmitglied Wolfgang Lucht. Ob das deutsche CO2-Budget beinahe oder sogar bereits vollständig aufgebraucht ist, hängt davon ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit die 1,5-Grad-Grenze eingehalten werden soll. Die Klimawissenschaft geht davon aus, dass bei einer Erhitzung von durchschnittlich mehr als 1,5 Grad die Folgen des Klimawandels deutlich stärker anwachsen.

Vor kurzem hatte Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) erklärt, das deutsche Klimaziel für das Jahr 2030, wonach die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken sollen, sei erreichbar. Damit würde Deutschland nach SRU-Berechnungen aber immer noch mehr verbrauchen, als mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar wäre. "Das zufriedene Klopfen auf die eigenen Schultern bei den jüngst vorgestellten CO2-Projektionen war vollkommen unangebracht", sagte Greenpeace-Sprecher Benjamin Stephan. "Angesichts der schockierenden SRU-Zahlen ist es unverantwortlich, dass die Bundesregierung nicht jede schnell umsetzbare Maßnahme ergreift, um den CO2-Ausstoß zu senken."

Der Sachverständigenrat mahnte, die Anstrengungen für den Klimaschutz trotz Krisen, Kriegen und Populismus zu verstärken. Heutige Generationen entschieden über die Entwicklung der nächsten Jahrzehnte und Jahrhunderte. "Auswirkungen wie Überschwemmungen, Brände oder Dürren, insbesondere aber die klimabedingten Veränderungen der Ökosysteme der Erde, werden das Leben aller Menschen (sowie aller anderen Lebewesen) erheblich prägen und verändern - und auf vielfältige Weise auch gefährden."

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen ist ein Wissenschaftler-Gremium, das die Bundesregierung in Umweltfragen berät. Die sieben Mitglieder werden von der Bundesregierung für vier Jahre ernannt und arbeiten unabhängig./hrz/DP/mis

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