Indiens Ministerpräsident Modi schwebt Großes vor

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- von Rupam Jain und Krishna N. Das

Neu-Delhi (Reuters) - Er könnte erst der zweite Politiker werden, der in Indien drei Unterhauswahlen in Folge gewinnt: Narendra Modi.

Umfragen kurz vor Beginn der Abstimmung am Freitag deuten darauf hin. Damit zöge Modi mit Jawaharlal Nehru - dem ersten Ministerpräsidenten Indiens nach der Unabhängigkeit von Großbritannien 1947 - gleich. Sollte der 73-Jährige erneut gewählt werden, dürfte es seine letzte Amtszeit werden. Sein Ziel: Indien so aufzustellen, dass es zur 100 Jahrfeier seiner Unabhängigkeit als Industrieland gilt. Die Wirtschaft soll bis 2047 um das achtfache steigen, das Pro-Kopf-Einkommen um das siebenfache. Auch einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen strebt Modi für sein Land an. Diesem Ziel widme er alles, sagt er auf einer Wahlkampfveranstaltung. "Deshalb arbeite ich rund um die Uhr für 2047."

Das passt zu seinen oft selbst zitierten Lebensmotti: "Ich denke groß, träume groß und agiere groß." Angefangen hat er klein. Als Junge verkaufte der im September 1950 in Gujarat geborene Modi Tee am Bahnhof. Seine Mutter arbeitete als Tellerwäscherin, um über die Runden zu kommen. "Ich weiß, was eine Mutter durchmacht, wenn es nichts zu essen gibt. Ich weiß, wie hilflos man sich fühlt, wenn man kein Geld für Medikamente hat. Deshalb habe ich beschlossen, nicht zu ruhen, bis ich alle Sorgen der Armen beseitigt habe." Seit 23 Jahren jagt Modi Wählerstimmen. Seine politische Karriere begann 2001 als er Ministerpräsident des Bundesstaates Gujarat, seiner Heimat, wurde. Er scheute sich nicht, seine bescheidene Kindheit zu nutzen, um sich eine Anhängerschaft aufzubauen. Hunderte Millionen der 1,42 Milliarden Inderinnen und Inder sind arm.

ZU ERFOLGREICH?

Modis Herkunft habe ihn erfolgreich gemacht, sagt Surendra Kumar Dwivedi, ehemaliger Leiter der Abteilung Politikwissenschaft an der Universität Lucknow. Allerdings sei er inzwischen größer geworden als seine Partei selbst. "In einem demokratischen System sollte eine Partei immer über einer Einzelperson stehen." In Umfragen kommt Modi auf Zustimmungswerte von 75 Prozent. Das ist die höchste Rate unter den 25 führenden Politikern weltweit, die vom US-Datenanalyseunternehmen Morning Consulting beobachtet werden.

Auch wenn sich Modi auf seinen familiären Hintergrund stützt, aus seiner Politik hält er die Familie raus und auf Distanz. "Ich habe meine Familie verlassen", sagte er letzten Monat bei einer Kundgebung. "Nicht für mich, nicht zum Spaß, sondern für mein Land. Dies ist mein Land, dies ist meine Familie." Seit dem Tod der Mutter Ende 2022 habe Modi seine Familie nicht mehr besucht, sagt sein jüngerer Bruder Pankay. Er habe immer eine sehr klare Grenze zwischen seiner Familie und seiner Arbeit gezogen. Von seiner Frau lebt Modi getrennt.

Für seine hindu-nationalistische Partei BJP ist Modi mit seinem schütter werdenden weißen Haar, dem ordentlich gestutzten Bart und seiner makellosen indischen Kleidung das Gesicht. Er propagiert die Vorherrschaft der Hindus in Indien. Erst im Januar hatte er in der Pilgerstadt Ayodhya einen umstrittenen Hindu-Tempel an einem Ort eingeweiht, an dem einst eine jahrhundertealte Moschee stand. Kritiker werfen ihm vor, sich nicht genug für Muslime, benachteiligte Hindus, Christen und andere religiöse Minderheiten in Indien einzusetzen. Ein Vorwurf, den Modi zurückweist. Seine Regierung arbeite für das Wohl aller, sagt er.

Modi arbeite so viel, dass er kaum schlafe, sagen Mitarbeiter und Minister seines Kabinetts. "Ich arbeite mit einem Chef zusammen, der praktisch 20 Stunden am Tag arbeitet und in den vielen Jahren, die ich ihn kenne, nicht einmal Urlaub gemacht hat", sagt Ashwini Vaishnaw, Minister für Eisenbahnen und Elektronik. Auch die Medien schwärmen von ihm und berichten fast lückenlos über seine Besuche von hinduistischen Tempeln oder Kundgebungen. Pressekonferenzen braucht Modi nicht, im letzten Jahrzehnt hat er nicht eine gegeben.

Auch Spott kann er zu seinem Vorteil nutzen. 2015 trug er bei einem Treffen mit dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama einen Anzug, auf den sein Name mehrfach gestickt war. Der Anzug wurde später versteigert und für eine halbe Million Dollar an einen Diamantenhändler in Gujarat verkauft. Der Erlös kam einem Projekt zur Reinigung des Ganges zugute.

(geschrieben von Kerstin Dörr.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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