EU-Kommission senkt Konjunkturprognose - Deutschland fast Schlusslicht

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Brüssel/Berlin (Reuters) - Die EU-Kommission blickt etwas skeptischer auf die Wirtschaft im Euroraum und sieht hohe geopolitische Risiken für die Konjunktur.

Die Brüsseler Behörde erwartet für die Staaten der Währungsunion 2024 weiter einen Anstieg beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 0,8 Prozent, rechnet aber im nächsten Jahr nur noch mit plus 1,4 Prozent. Das geht aus der am Mittwoch vorgelegten Frühjahrsprognose hervor. Im Februar hatte die Kommission hier noch 1,5 Prozent Wachstum vorhergesagt. Die europäische Wirtschaft habe sich Anfang 2024 deutlich erholt, was zeige, dass nach dem sehr herausfordernden Jahr 2023 nun die Wende geschafft sei, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. "Wir erwarten im Laufe dieses und des nächsten Jahres, dass sich das Wachstum allmählich beschleunigt, da der private Konsum gestützt wird durch sinkende Inflation, eine Erholung der Kaufkraft und anhaltendes Beschäftigungswachstum."

Gentiloni sieht aber zunehmend Abwärtsrisiken und verwies auf den Konflikt im Nahen Osten und den Krieg Russlands in der Ukraine. "Unsere Prognose bleibt mit hoher Unsicherheit behaftet – bei zwei Kriegen, die unweit der Heimat weiter toben."

Die Wirtschaft der Euro-Zone kehrte im ersten Quartal mit einem BIP-Plus von 0,3 Prozent in die Wachstumsspur zurück und beendete ihre Rezession, wie das Statistikamt Eurostat mitteilte und so eine frühere Schätzung bestätigte. Im Sommer und Herbst 2023 war die Wirtschaft noch je um 0,1 Prozent geschrumpft.

DEUTSCHLAND KOMMT KAUM VORAN - HOFFNUNGSTRÄGER PRIVAT-KONSUM

Pessimistischer sieht die Kommission vor allem die Lage in Deutschland. Hier traut sie der Wirtschaft nach der Rezession 2023 in diesem Jahr nur noch 0,1 Prozent Wachstum zu. Außer Finnland, wo eine Stagnation erwartet wird, schneidet demnach kein EU-Staat 2024 schlechter ab. Im nächsten Jahr werde es dann um 1,0 Prozent bergauf gehen, sagte Gentiloni. Dann dürften Impulse nicht mehr nur vom Konsum kommen, sondern auch verstärkt von Investitionen.

Die Wirtschaftsweisen senkten ebenfalls ihre Konjunkturprognose für Deutschland in diesem Jahr deutlich. Statt der noch im Herbst erwarteten 0,7 Prozent Wachstum sagen sie in ihrem Frühjahrsgutachten für die Bundesregierung 2024 nur noch ein Plus von 0,2 Prozent voraus, wie die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag von zwei Insidern erfahren hatte.

Das gewerkschaftsnahe IMK-Institut sieht derweil weniger Risiken, dass Deutschland demnächst noch einmal in ein Konjunkturtal rutscht. Für Mai bis Ende Juli signalisiert der IMK-Konjunkturmonitor eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 45,6 Prozent. Diese lag Anfang April für die folgenden drei Monate noch bei 48,7 Prozent und Anfang März bei 58,3 Prozent.

Die EU-Kommission veranschlagt in ihren Prognosen einen bereits im laufenden Jahr deutlich nachlassenden Preisdruck. Sie erwartet 2024 für Deutschland eine für den europäischen Vergleich berechnete Teuerungsrate (HVPI) von 2,4 Prozent. Im vorigen Jahr lag diese Inflationsrate hierzulande noch bei 6,0 Prozent. Für die Euro-Zone erwartet die Kommission für das laufende Jahr eine Inflation von 2,5 Prozent, die sich 2025 auf 2,1 Prozent abschwächen dürfte. Das wäre sehr nah am Zielwert von 2,0 Prozent der Europäischen Zentralbank (EZB), die dies als ideal für die Konjunktur ansieht.

(Bericht von Klaus Lauer, Jan Strupczewski und Rene Wagner; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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