Ausgetauschte Gefangene wohlbehalten in Deutschland angekommen

Reuters · Uhr
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Köln/Moskau/Istanbul (Reuters) - Ein Großteil der bei einem Gefangenenaustausch zwischen Russland und dem Westen freigekommenen deutschen und russischen Staatsbürger ist in Deutschland eingetroffen.

"Alle sind wohlbehalten hier angekommen", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag kurz nach 00.00 Uhr auf dem Flughafen Köln-Bonn. Er habe sich mit den Angekommenen ausführlich unterhalten. "Das war sehr bewegend", sagte Scholz. "Viele haben nicht damit gerechnet, dass das jetzt passiert." Viele hätten um ihre Gesundheit und auch ihr Leben gefürchtet. Bei dem größten Gefangenenaustausch seit dem Kalten Krieg hatten am Donnerstag in Ankara nach türkischen Angaben 26 Personen aus sieben Staaten die Seiten gewechselt. Darunter war laut Scholz auch der in Belarus zum Tode verurteilte Deutsche Rico Krieger.

Der Austausch habe nur gelingen können durch "intensive Kooperation mit vielen Ländern Europas und ganz besonders den Vereinigten Staaten von Amerika über eine ganz lange Zeit", sagte Scholz. In Europa habe auch Slowenien einen Beitrag geleistet. Der Kanzler verteidigte den Austausch, bei dem auch ein in Deutschland zu lebenslanger Haft verurteilter Russe freikam, der als Tiergartenmörder bekannt wurde. "Ich glaube, dass das eine richtige Entscheidung ist", sagte Scholz. "Und wenn man da irgendwelche Zweifel hatte, dann verliert man die nach dem Gespräch mit denjenigen, die jetzt in Freiheit sind." Dies sei ein "Moment, der auch die Freundschaft zwischen den USA und Deutschland sicherlich noch einmal sehr intensiviert hat".

Zu den 16 in Russland und Belarus frei gelassenen Personen gehörte auch eine kleinere Gruppe von US-Bürgern, die laut Scholz direkt in die USA flogen. US-Präsident Joe Biden sei "sehr dankbar für die Kooperation unserer beiden Länder in dieser wichtigen Angelegenheit", sagte Scholz in einer früheren Erklärung am Donnerstagabend. Für die USA sei es wichtig gewesen, den US-Journalisten Evan Gershkovich und den früheren US-Soldaten Paul Whelan freizubekommen. Nach türkischen Angaben waren auch Polen, Slowenien und Norwegen beteiligt.

Scholz hatte zuvor bereits den Beschluss verteidigt, im Gegenzug den in Deutschland als Tiergartenmörder bekanntgewordenen Russen Wadim Krassikow abzuschieben. "Niemand hat sich diese Entscheidung einfach gemacht, einen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Mörder nur nach wenigen Jahren der Haft abzuschieben", sagte Scholz. Wichtig seien auch die Schutzverpflichtung gegenüber deutschen Staatsangehörigen und die Solidarität mit den USA. Er habe Oppositionsführer und CDU-Parteichef Friedrich Merz frühzeitig einbezogen: "Er hat mir ausdrücklich versichert, dass er mit den Entscheidungen der Bundesregierung einverstanden ist."

DEUTSCHE KOMMEN FREI - AUCH US-JOURNALIST GERSHKOVICH FREI

"Zu den Freigelassenen zählen auch mehrere in russischer Haft sitzende deutsche und deutsch-russische Staatsangehörige, die unter fadenscheinigen Gründen etwa des Vorwurfs des Hochverrats angeklagt und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden", sagte Scholz. Neben den 15 in Russland freigelassenen Personen sei in Belarus eine weitere Person freigekommen. "Es handelt sich um den in den Medien bekannten Fall des deutschen Staatsangehörigen Rico Krieger, der in Belarus Ende Juni zum Tode verurteilt worden war", sagte Scholz.

US-Präsident Biden lobte die Zusammenarbeit mit den Verbündeten und dankte besonders Scholz: "Ich empfinde große Dankbarkeit gegenüber dem Kanzler." Deutschland habe große Zugeständnisse gemacht und nichts im Gegenzug verlangt.

Die vom Westen Freigelassenen trafen am Donnerstagabend in Moskau ein und wurden von Russlands Präsident Wladimir Putin auf dem Flughafen begrüßt, wie russische Nachrichtenagenturen berichteten. Der Kreml bedankte sich bei allen Ländern, die an der Vorbereitung des Austauschs beteiligt gewesen seien.

Krassikow war wegen Mordes an einem tschetschenisch-georgischen Dissidenten im Berliner Tiergarten zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der US-Journalist Gershkovich arbeitete als Reporter des "Wall Street Journal" in Russland. Er wurde im Juli wegen Spionagevorwürfen zu 16 Jahren Haft verurteilt. Gershkovich wies die Anschuldigungen zurück.

Russland schob daneben auch unliebsame eigene Staatsangehörige in den Westen ab, die wegen ihrer politischen Aktivitäten verhaftet worden waren. Darunter ist auch der britisch-russische Staatsangehörige Wladimir Kara-Mursa, einer der prominentesten russischen Oppositionellen nach dem in Lagerhaft gestorbenen Alexej Nawalny. In US-Regierungskreisen hieß es, der russische Menschenrechtler Oleg Orlow und der Oppositionelle Ilja Jaschin würden von Deutschland aufgenommen.

(Bericht von Reuters-TV in Köln, Andrew Osborn in Moskau, Filipp Lebedev und Lucy Papachristou in London und Ece Toksabay in Istanbul. Geschrieben von Holger Hansen, redigiert von Alexandra Falk. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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