Scholz telefoniert mit Putin - Aufforderung zum Rückzug aus Ukraine
Berlin/Kiew (Reuters) - Erstmals seit Dezember 2022 hat Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert.
"Der Bundeskanzler verurteilte den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und forderte Präsident Putin auf, diesen zu beenden und Truppen zurückzuziehen", teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Scholz habe zudem auf eine Bereitschaft Russlands zu Verhandlungen mit der Ukraine mit dem Ziel eines gerechten und dauerhaften Friedens gedrängt. Es gebe eine unverbrüchliche Entschlossenheit Deutschlands, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Aggression so lange wie nötig zu unterstützen.
Der Bundeskanzler hatte im Vorfeld mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert und werde dies auch im Nachgang zu dem Gespräch mit Putin erneut tun, hieß es. Die ukrainische Regierung bestätigte, dass sie unterrichtet war. Eine Quelle im Präsidialpalast in Kiew sagte aber, dass Selenskyj dem Kanzler gesagt habe, dass das Telefonat Putin helfen könne, aus der internationalen Isolation zu kommen und den Krieg in der Ukraine am Laufen zu halten. Um den Eindruck eines diplomatischen Alleingangs zu vermeiden, hieß es in Regierungskreisen in Berlin auch, dass Scholz auch andere Alliierte in EU und Nato unterrichten werde.
Der Kanzler hatte vor wenigen Tagen angekündigt, dass ein Gespräch "demnächst" stattfinden könnte. Der SPD-Politiker hatte auch mit dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump gesprochen, von dem eine Änderung der amerikanischen Ukraine-Politik erwartet wird. Die Ukraine-Politik wird im aufkommenden Bundestags-Wahlkampf eine große Rolle spielen. Auch auf dem G20-Gipfel der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Rio de Janeiro ab Montag wird das Thema Ukraine eine Rolle spielen. Russland wird dort aber durch Außenminister Sergej Lawrow vertreten werden.
Das Gespräch zwischen dem Kanzler und Putin dauerte nach Reuters-Informationen eine Stunde. Der Bundeskanzler habe insbesondere die russischen Luftangriffe gegen zivile Infrastruktur in der Ukraine kritisiert, hieß es in Regierungskreisen weiter. Er habe klar gemacht, dass mit der Entsendung nordkoreanischer Soldaten nach Russland für Kampfeinsätze gegen die Ukraine eine gravierende Eskalation und Ausweitung des Konflikts verbunden seien.
Scholz habe Putin auch darauf hingewiesen, dass dieser mit dem Überfall keines der russischen Kriegsziele erreicht habe. Russland sollte deshalb bereit zu ernsthaften Verhandlungen mit der Ukraine sein, deren Ziel "ein gerechter und dauerhafter Frieden für die Ukraine" sein müsse. Scholz habe Putin gewarnt, dass die deutsche und westliche Hilfe für die Ukraine langfristig sei und Putin nicht damit rechnen könne, dass die Zeit auf seiner Seite sei. Man habe vereinbart, weiterhin in Kontakt zu bleiben.
Russland hatte die Ukraine am 24. Februar 2022 überfallen. Deutschland ist nach den USA der größte Unterstützer der Regierung in Kiew. Zum Bruch der Ampel-Regierung trug vergangene Woche auch bei, dass Scholz die Ausgaben für die Ukraine von mehr als 12,5 Milliarden Euro aus dem normalen Haushalt 2025 ausklammern und die vorgesehene bilaterale Militärhilfe von vier Milliarden Euro im kommenden Jahr um weitere drei Milliarden Euro aufstocken wollte. Diesen Sondertopf im Rahmen der Schuldenbremse (Überschreitensbeschluss in einer Notlage) wollte der dann entlassene Finanzminister Christian Lindner (FDP) aber nicht akzeptieren.
Der Kanzler betont regelmäßig, eine Eskalation und eine direkte Beteiligung des Westens am Krieg müsse verhindert werden. Deshalb forcieren Scholz, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zwar die Waffenlieferungen an die Ukraine. Aber Scholz verweigert der Ukraine mit wenigen Ausnahmen um die Region Charkiw, mit von Deutschland gelieferten Waffen Ziele auf russischem Staatsgebiet anzugreifen. Auch den Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von 500 Kilometern will der Kanzler trotz wiederholter Bitten nicht liefern.
(Bericht von Andreas Rinke und Alexander Ratz, redigiert von)