Lula: G20 müssen Armut in Welt entschiedener bekämpfen

- von Andreas Rinke und Lisandra Paraguassu
Rio de Janeiro (Reuters) - Zu Beginn des G20-Gipfels in Rio de Janeiro hat der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva die Welt zu einem entschiedeneren Kampf gegen Armut aufgerufen.
Seit dem ersten G20-Gipfel sei die Lage schlimmer und nicht besser geworden, sagte Lula am Montag als Gastgeber des Treffen der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Die Allianz gegen Hunger und Armut mit zunächst 42 teilnehmenden Länder verpflichten sich, 500 Millionen Menschen durch Geldtransfers und Sozialversicherungssysteme aus der Armut zu holen. Deutschland sei der erste Staat gewesen, der der Allianz beitrat, betonte die Bundesregierung.
Der G20-Gipfel in Rio wird von der Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsident überschattet. Damit dürfte sich der multilateral ausgerichtete Kurs der USA unter Präsident Joe Biden ab Januar deutlich ändern. Es wird erwartet, dass Trump mit seiner "America First"-Haltung sowohl aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigt als auch Strafzölle gegen Importe aus aller Welt verhängt - und deshalb Beschlüsse des G20-Gipfels in Rio nur von begrenzter Bedeutung sein dürften. Kanzler Olaf Scholz, der am 23. Januar vor Neuwahlen steht, sieht in den G20-Diskussionen auch eine Chance, die Zusammenarbeit mit den Ländern der Südhalbkugel zu verstärken.
Bei dem dritten G20-Gipfel in Folge in einem Land der Südhalbkugel (Indonesien, Indien, nun Brasilien) entfernt sich die Agenda immer mehr von den Themen, die etwa den Europäern wichtig ist. In Berlin wurde darauf verwiesen, dass die USA aber auch unter US-Präsident Joe Biden nicht mehr wirklich an Freihandel interessiert waren. In der EU gibt es mittlerweile auch Spannungen, weil Frankreichs Präsident Emmanuel Macron weiter versucht, das Freihandelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten zu blockieren.
Lula hatte im Vorfeld ausdrücklich angekündigt, eine andere Agenda setzen zu wollen. "16 Jahre nach dem ersten G20-Gipfel sehe ich mit sehr viel Leid, dass die Welt jetzt schlimmer ist", sagte er in seiner Eröffnungsrede. Es sei die Verantwortung der G20-Staaten, die 85 Prozent des globalen Weltwirtschaftsleistung ausmachten, dagegen anzukämpfen.
Chinas Präsident Xi Jinping dürfte angesichts der innenpolitischen Schwäche der meisten westlichen Staats- und Regierungschefs eine wichtige Rolle auf dem G20-Gipfel spielen. Kanzler Scholz wird Xi am Dienstag zu einem bilateralen Gespräch treffen. Xi wird in Rio voraussichtlich Chinas milliardenschwere Seidenstraße-Initiative anpreisen, mit der das Land Infrastruktur-Projekte in aller Welt vernetzen will. In Peru baut China gerade einen Tiefseewasser-Hafen. Brasilien hat es bisher abgelehnt, sich der globalen Infrastruktur-Initiative beizutreten, aber die Hoffnungen auf andere industrielle Partnerschaften sind in dem südamerikanischen Land groß.
Die G20-Treffen sind geprägt von bilateralen Gesprächen am Rande. So wird Scholz am Montag unter anderem auch mit den Ministerpräsidenten von Vietnam und Singapur zusammenkommen. Am Nachmittag ist die Unterzeichnung einer strategischen Partnerschaft zwischen Deutschland und Singapur geplant.
Scholz hatte sich enttäuscht geäußert, dass Brasilien als G20-Gastgeber den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nicht zu dem am Montag beginnenden Gipfel in Rio de Janeiro eingeladen hat. "Ich habe mich dafür sehr intensiv eingesetzt, andere auch. Dass das aber jetzt nicht der Fall ist, zeigt auch, was für große Herausforderungen wir vor uns haben", hatte der Kanzler gesagt. Für Russland nimmt nur Außenminister Sergej Lawrow teil.
Hintergrund ist, dass etliche Länder der Südhalbkugel im Russland-Ukraine-Konflikt eine andere Position einnehmen als Europäer und die USA. Brasilien hat etwa mit China zusammen einen "Friedensplan" vorgelegt, der aber von der Ukraine und auch Deutschland als nicht akzeptabel angesehen wird. Die Ukraine fordert einen Abzug der russischen Invasionstruppen. Der Bundeskanzler hatte sich mehrfach bei Schwellenländern wie Brasilien, Südafrika, Indien und Indonesien dafür eingesetzt, die Ukraine als überfallenes Land zu unterstützen.
(Mitarbeit: Eduardo Baptista, Elizabeth Pineau; redigiert von Sabine Ehrhardt. Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)