Deutschland will Syrien helfen - Angebot aber mit Bedingungen

Berlin (Reuters) - Deutschland will Syrien nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad unterstützen, macht dafür aber die Einhaltung freiheitlich-demokratischer Grundsätze zur Bedingung.
Außenministerin Annalena Baerbock stellte am Mittwoch in Berlin einen Acht-Punkte-Plan vor und sprach von "einem Moment der Hoffnung". Allerdings sei die Lage in dem Land alles andere als stabil, es gebe "eine Angst und Sorge, dass die Hoffnung trügen könnte". Klar sei, "das neue Kapitel Syriens ist noch nicht geschrieben". Es müsse jetzt alle Kraft daran gesetzt werden, "dass Syrien den Weg in eine friedliche und stabile Zukunft für alle findet".
Im Zentrum des Acht-Punkte-Plans steht nach den Worten Baerbocks als wichtigstes Ziel, "dass es einen friedlichen Machtwechsel gibt". Eine zivile und von allen Seiten akzeptierte Regierung werde aber nur gelingen, "wenn alle Minderheiten und politischen Gruppen mit am Tisch sitzen". Allein dies werde "ein steiniger Weg", an dessen Ende "hoffentlich eines Tages freie Wahlen stehen werden". Es brauche einen syrisch geführten Dialog, der von Deutschland und den Partnern eng begleitet werden müsse und von außen nicht torpediert werden dürfe. Die territoriale Integrität des Landes dürfe nicht infrage gestellt werden, was auch für Israel und die Türkei gelten müsse.
Mit der neuen starken Macht in Damaskus, der islamistischen Rebellengruppe HTS, müsse ein adäquater Umgang gefunden werden, sagte Baerbock. "Wir werden HTS an ihren Taten messen", die Rechte von Frauen sowie ethnischen und religiösen Minderheiten müssten geachtet werden. Mit Blick auf die humanitäre Lage in Syrien sagte Baerbock eine Soforthilfe Deutschlands im Volumen von acht Millionen Euro zu. Zudem müssten jetzt schon Vorbereitungen für den Wiederaufbau des Landes getroffen werden. Dazu gehöre auch, dass die Herrschaft Assads auch juristisch aufgearbeitet werde. "Ohne Gerechtigkeit kann es keine dauerhafte Aussöhnung und damit ein friedliches Miteinander geben." Dazu gehöre auch, dass Assads Chemiewaffen-Arsenale sichergestellt würden.
"POTENZIAL GIBT ES DURCHAUS"
Um die Syrien-Politik Deutschlands zu koordinieren, werde der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Tobias Lindner, als Sonderkoordinator wirken, kündigte die Ministerin an. Es sei wichtig, die deutsche Präsenz in Syrien im Lichte der weiteren Entwicklungen wieder zu erhöhen. Zugleich müsse die Rückkehr der syrischen Flüchtlinge in ihre Heimat mit den Partnern sowie den Vereinten Nationen koordiniert werden. Die Lage in Syrien werde auch Gegenstand eines Treffens mit den Außenminister Polens, Frankreichs, Großbritanniens, Spaniens und Italiens sowie der neuen EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas am Donnerstag in Berlin sein.
Entwicklungsministerin Svenja Schulze sagte, entscheidend sei, dass die Hilfe bei den Menschen in Syrien auch ankomme. Aktuell setze Deutschland in etwa 125 Millionen Euro an Entwicklungshilfe in Syrien ein. Das Geld werde über die Vereinten Nationen und Nichtregierungsorganisationen investiert. Dafür seien beispielsweise Trinkwasserleitungen in Aleppo gebaut oder der Betrieb von Krankenhäusern in Idlib unterstützt worden. Hilfsorganisationen und vor allem die Vereinten Nationen bräuchten einen ungehinderten Zugang in alle Gebiete. "Das schließt ganz explizit den kurdischen Nordosten mit ein", betonte die SPD-Politikerin.
Die deutsche Wirtschaft sieht nach dem Sturz Assads Chancen für eine verbesserte Kooperation mit Syrien. "Potenzial gibt es durchaus", sagte der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier, der Nachrichtenagentur Reuters. Vor den ersten EU-Sanktionen sei die syrische Wirtschaft jährlich zwischen drei und fünf Prozent gewachsen. Die Europäische Union sei noch 2011 - als der Bürgerkrieg begann und Sanktionen folgten - mit rund sechs Milliarden Euro Gesamtvolumen wichtigster Handelspartner des Landes gewesen.
(Bericht von Alexander Ratz, Christian Krämer, Rene Wagner, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)