Weitere Eskalation in Russlands Krieg gegen die Ukraine

(weitgehend neu)
- von Guy Faulconbridge, Max Hunder und Alexander Ratz -
Moskau/Berlin, 28. Mai (Reuters) - Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bahnt sich eine weitere Eskalation an.
Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj haben die russischen Streitkräfte 50.000 Soldaten für eine Offensive auf die Region Sumy im Nordosten der Ukraine zusammengezogen. Am Mittag wurde Selenskyj in Berlin von Bundeskanzler Friedrich Merz empfangen. Nach ihrem Gespräch kündigte Merz an, Deutschland werde mit der Ukraine weitreichende Waffensysteme bauen, damit sich das Land gegen den russischen Angriff wehren könne. In Moskau wurde der Schritt als unverantwortlich kritisiert. Auch die Spannungen zwischen Russland und den USA nahmen weiter zu.
Vor seinem Besuch sagte Selenskyj mit Blick auf Sumy, die Regierung in Kiew habe Schritte unternommen, um Russland an einer Großoffensive dort zu hindern. Sumy liegt gegenüber der russischen Region Kursk, wo ukrainische Truppen Anfang August 2024 eingerückt waren. "Ihre größten und stärksten Kräfte befinden sich derzeit an der Front bei Kursk", sagte Selenskyj. "Sie wollen unsere Truppen aus der Region Kursk verdrängen und offensive Aktionen gegen die Region Sumy vorbereiten." Aus dem russischen Verteidigungsministerium hieß es, man rücke an der gesamten Front vor. Im Osten der Ukraine seien weitere Orte eingenommen worden.
Merz sagte auf einer Pressekonferenz mit Selenskyj: "Wir werden unsere militärische Unterstützung fortsetzen, und wir werden sie ausbauen." Zum Bau von weitreichenden Waffensystemen sagte der Kanzler: "Wir wollen auch gemeinsame Produktionen ermöglichen." Geplant sei eine Zusammenarbeit auf industrieller Ebene, die sowohl in der Ukraine als auch in Deutschland umgesetzt werden könne. Dies sei nötig, damit sich die Ukraine voll verteidigen könne, auch gegen Ziele außerhalb ihres Staatsgebiets. Es werde dabei keine Begrenzung von Reichweiten geben. Zu einer Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern wollte Merz in diesem Zusammenhang nichts sagen. Unterdessen kündigte das Verteidigungsministerium weitere Militärhilfe für die Ukraine im Umfang von fünf Milliarden Euro an. Das Geld war bereits vom Bundestag bewilligt worden.
KONSEQUENZEN FÜR MOSKAU
Die Regierung in Moskau kritisierte der Kanzler scharf. Ihre Weigerung, Gespräche über eine Friedenslösung zu führen, werde jetzt Konsequenzen haben, sagte Merz. Die Ukraine sei zu einem sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand bereit. Die Europäer seien bereit, weitere Gespräche zu unterstützen. Die Regierung in Moskau spiele dagegen auf Zeit. Ein von Russland angekündigtes Positionspapier lasse bis heute auf sich warten. Zudem gehe die Bombardierung der Ukraine weiter. "Die massiven Luftangriffe auf Kiew sprechen nicht die Sprache des Friedens, sondern sie sprechen die Sprache eines aggressiven Angriffskriegs", sagte Merz.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters aus eingeweihten Kreisen in Moskau erfuhr, hat Putin Bedingungen für die Beendigung des Krieges formuliert. Danach fordert er eine schriftliche Zusage des Westens, dass sich die Nato nicht weiter nach Osten ausdehnt. Dies würde eine Aufnahme der Ukraine, Georgiens, Moldaus und anderer ehemaliger Sowjetrepubliken faktisch ausschließen. Die von Russland beanspruchten ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja sollen vollständig übernommen werden. Zudem soll die Ukraine politisch und militärisch neutral sein. Westliche Sanktionen gegen Russland sollen aufgehoben werden. Zudem müsse eine Lösung in der Frage der eingefrorenen russischen Staatsvermögen im Westen gefunden werden.
"SPIELT MIT DEM FEUER"
Angesichts der Haltung Russlands verschärfte US-Präsident Donald Trump seinen Ton. Putin "spielt mit dem Feuer", schrieb er auf seiner Plattform Truth Social. In Russland wären "wirklich schlimme" Dinge schon passiert, wenn er sich nicht eingeschaltet hätte. "Und ich meine WIRKLICH SCHLIMME", fügte er hinzu. Russland warf Trump Unwissenheit vor. Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow sagte, Trumps Bemerkungen zeigten, dass er nicht ausreichend über die Realitäten des Konflikts informiert sei.
Der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew erklärte, Trump sollte sich mehr um einen Dritten Weltkrieg sorgen. Trumps Gesandter, Keith Kellogg, wies Medwedews Bemerkungen als unverantwortlich zurück. "Ängste vor dem Dritten Weltkrieg zu schüren, ist ein bedauerlicher, rücksichtsloser Kommentar und eines führenden Politikers unwürdig", erklärte Kellogg auf X.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erkannte allerdings die Bemühungen der US-Regierung an. Russland sei Trump persönlich für dessen Vermittlungsbemühungen dankbar, sagte Peskow. Er betonte jedoch, dass Russlands nationale Interessen oberste Priorität hätten. "Genau wie die Vereinigten Staaten hat Russland seine eigenen nationalen Interessen, die für uns über allem stehen, und sie stehen über allem für unseren Präsidenten."
(Redigiert von Thomas Seythal)