Brexit: Denn sie wissen nicht, was sie wollen – Der Fahrplan bis zum 12. April

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Es ist kaum zu glauben, aber anscheinend gibt Theresa May einfach nicht auf. Nach der dritten Ablehnung des Brexit-Abkommens im britischen Parlament möchte die Premierministerin tatsächlich einen weiteren Anlauf versuchen. May könnte zum vierten Mal am Dienstag oder Mittwoch über ihren mit Brüssel vereinbarten Deal abstimmen lassen, berichtete die britische Nachrichtenagentur PA. Hört sich komisch an, könnte aber so kommen.

Ein Regierungsvertreter wollte dies am Sonntag auf Anfrage nicht bestätigen. Ein Parlamentssprecher betonte, dass ein solcher Termin frühestens am Montag offiziell festgezurrt werden könne.

Aufgeben ist keine Option

Verzweifelt suchen die Abgeordneten nach Wegen aus der Brexit-Sackgasse. Sonst drohen ein Austritt ohne Abkommen am 12. April oder aber eine erneute Verschiebung des Brexits. Für Montag ist im Unterhaus eine weitere Runde von Probeabstimmungen über Alternativen zum Austrittsabkommen geplant, etwa über den Verbleib Großbritanniens in einer Zollunion mit der EU. Der kommende Mittwoch ist ebenfalls dafür vorgesehen.

Der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, Guy Verhofstadt, zeigte sich am Sonntag zuversichtlich, dass diese Woche in London ein Ausweg aus der Sackgasse gefunden werden könne. „Ich bleibe optimistisch für einen möglichen Durchbruch für eine Zollunion“, sagte Verhofstadt dem belgischen Sender VTM. Bliebe Großbritannien in einer Zollunion mit der EU, wären viele Probleme gelöst. „Wir verhindern einen harten Brexit und lösen das Problem an der irischen Grenze.“

Am Wochenende stritten die Parlamentarier in London auch kräftig über Neuwahlen als möglichen Ausweg aus der Misere. Vor allem der oppositionelle Labour-Chef Jeremy Corbyn wittert dabei seine Chance.

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Abstimmen ohne Grenzen

Die frühere britische Bildungsministerin Nicky Morgan und andere Politiker brachten die Möglichkeit einer Allparteienregierung ins Spiel. Es müsse eine Mehrheit im Unterhaus sichergestellt werden, um einen geordneten Ausstieg aus der Europäischen Union sicherzustellen, sagte die Tory-Politikerin der BBC. Ihr Vorschlag löste ein geteiltes Echo aus. Morgan wird für die Nachfolge der Regierungschefin May gehandelt – neben mehr als einem Dutzend weiterer Kandidaten.

Es gebe keine Ideallösungen, sagte Justizminister David Gauke am Sonntag in einem BBC-Interview. Er warnte vor den Gefahren eines ungeregelten Brexits und kündigte für den Fall seinen Rücktritt an.

Mehr als sechs Millionen Menschen unterzeichneten bis Sonntag eine Online-Petition für den Verbleib Großbritanniens in der EU. Am Montag wird im Unterhaus darüber debattiert. Die Regierung teilte mit, dass sie eine Rücknahme der Austrittserklärung ablehnt und sich an das Referendum von 2016 gebunden fühlt. Damals hatte eine knappe Mehrheit für den Brexit gestimmt.

Sollte sich in den nächsten Tagen kein Ausweg aus der Brexit-Misere aufzeigen, müsste die britische Regierung wohl eine lange Verschiebung des EU-Austritts beantragen und die Teilnahme Großbritanniens an der Europawahl Ende Mai organisieren. EU-Ratschef Donald Tusk hatte dafür plädiert, diese Option offen zu halten. Er hat zum 10. April einen EU-Sondergipfel einberufen.

Keiner will Großbritannien bei der EU-Wahl sehen!

Die mögliche Teilnahme an der Europawahl vom 23. bis 26. Mai weckt aber auf beiden Seiten des Ärmelkanals bereits Widerstand. Nach einem Bericht der „Sun“ mahnten etwa 170 Parlamentarier der regierenden Konservativen Partei, Großbritannien müsse möglichst bald austreten und dürfe nicht mehr an den Europawahlen teilnehmen.

Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber wandte sich seinerseits gegen eine Teilnahme Großbritanniens an der Europawahl: „Wenn ein Land die EU verlassen will, dann darf es keinen Einfluss mehr auf die Gestaltung der Union haben“, sagte der Fraktionschef und Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei am Samstag in Nürnberg. Die europäischen Sozialdemokraten sehen das anders. Solange Großbritannien EU-Mitglied sei, „gibt es nach Recht und Gesetz dazu keine Alternative“, sagte Fraktionschef Udo Bullmann der Deutschen Presse-Agentur.

Nicht ausgeschlossen wird eine Klärung noch diese Woche. Bei der ersten Abstimmungsrunde über Alternativen zu Mays Abkommen hatte es am Mittwoch für keinen der acht Vorschläge eine Mehrheit gegeben. Doch Beobachter halten es für möglich, dass sich die Abgeordneten nun auf eine der Varianten einigen könnten, die am besten abgeschnitten hatten. Dazu gehören die Vorschläge, dass Großbritannien dauerhaft in einer Zollunion mit der EU bleibt oder dass die Briten in einem neuen Referendum über den Deal entscheiden.

So sieht der aktuelle Fahrplan jetzt aus:

1. April: Das britische Parlament berät über mögliche Brexit-Alternativvorschläge und stimmt darüber am Abend ab. Außerdem berät das Unterhaus über eine Online-Petition für den Verbleib Großbritanniens in der EU, die Millionen Briten unterzeichnet haben.

3. April: Voraussichtlich weitere Probeabstimmungen über die Alternativvorschläge im Unterhaus in London. Im Europarlament ist eine Debatte mit EU-Kommission und Rat über den EU-Austritt geplant.

4. April: Bundeskanzlerin Angela Merkel reist zu einem Kurzbesuch nach Irland. Sie will sich auf Einladung von Premierminister Leo Varadkar vor Ort ein Bild von der Situation machen. Nach dem EU-Austritt soll eine feste Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden.

10. April: Die EU wird bei einem Sondergipfel in Brüssel über einen Ausweg aus der Brexit-Krise beraten. Dort soll die britische Seite mitteilen, wie es nun aus ihrer Sicht weitergehen soll.

12. April: Die Frist für den Austritt Großbritanniens aus der EU läuft um 24.00 Uhr aus. Es droht ein chaotischer Brexit, falls sich beide Seiten nicht auf eine erneute Verlängerung einigen. Voraussetzung für eine Verschiebung über den 22. Mai hinaus wäre jedoch die Teilnahme der Briten an der Wahl zum Europaparlament.

23. bis 26 Mai.: Wahl zum Europaparlament

Von Markus Weingran

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Foto: lazyllama / Shutterstock.com

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