Die EZB soll Aktien kaufen, im Ernst?

Jessica Schwarzer · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Larry Fink empfiehlt der EZB, künftig auch Aktien zu kaufen. Klingt erstmal nach einer wilden Idee. Doch Aussagen das Blackrock-Chefs haben Gewicht. Und ganz so sonderbar ist der Vorschlag auch nicht.

Wenn Larry Fink spricht, dann wird ihm zugehört. Nicht nur an den Märkten und in den Führungsetagen der Unternehmen, auch Politiker und Notenbanker achten auf das, was der Chef des weltgrößten Vermögensverwalters zu sagen hat. Seine jüngsten Aussagen dürften für einige Diskussionen gesorgt haben. Fink hat nämlich die Europäische Zentralbank (EZB) aufgefordert, Aktien zu kaufen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Noch niedrigere Zinsen und Negativzinsen haben nach Meinung des Blackrock-Chefs keinen weiteren positiven Einfluss auf die Wirtschaft. In Volkswirtschaften, in denen der größte Teil des privaten Vermögens auf Bankkonten liege, sei eine expansive Geldpolitik nicht sinnvoll.

Die EZB soll nun auch noch Aktien kaufen? Im Ernst? Wir erinnern uns noch gut daran, wie groß der Aufschrei war, als die Notenbanker beschlossen, Anleihen zu kaufen. Bis vor den Europäischen Gerichtshof zogen die Kritiker. Dort kassierten sie allerdings eine Schlappe. Die Richter urteilten im Dezember vergangenen Jahren, die Anleihekäufe der EZB würden nicht gegen das Verbot der Staatsfinanzierung verstoßen. Und wie sehe es bei Aktienkäufen aus? Ist das nicht Unternehmensfinanzierung? Sicher würde auch diese Aktion wieder vor dem Kadi landen. Die Empörung wäre groß, die Kritik massiv.

Dabei wäre die Idee, die vielen Europäern ziemlich sonderbar vorkommen mag, gar nicht so neu. Im Gegenteil. Im vergangenen Jahr haben immerhin elf der 30 größten Zentralbanken Aktien gehalten. Das zeigt eine Studie der US-Bank State Street. Die Schweizer Notenbank beispielsweise kauft seit vielen Jahren massiv Aktien. Der größte Aktieninvestor weltweit unter den Zentralbanken ist allerdings Japan. Seit 2010 landen hier Aktien in der Notenbankbilanz, inzwischen hält die Bank of Japan mehr als 20 Prozent ihrer Reserven in Aktien. Ein Problem? Nein, bisher nicht. Die Währungshüter kaufen allerdings auch keine Einzelaktien sondern börsengehandelte Indexfonds (ETFs). Bei mehr als der Hälfte der Unternehmen aus dem Leitindex Nikkei 225 gehört die Notenbank dadurch zu den drei größten Aktionären. Überhaupt sind ETFs die bevorzugten Produkte der Zentralbanken mit Aktienbesitz. State Street schätzt, dass 90 Prozent ihres Aktienanteils in ETFs angelegt sind.

Übrigens hat auch die EZB vor Jahren schon einmal mit dem Gedanken gespielt, Aktien im Rahmen ihres Kaufprogramms zu berücksichtigen. Doch dazu kam es nicht, auch weil die Konjunktur anzog und weitere Stützungsmaßnahmen nicht mehr nötig waren. Und auch in den USA wurde bereits über Aktienkäufe durch die Fed diskutiert. Kommt dieser Schritt jetzt? Wohl eher nicht, zumindest noch nicht. Zwar hat EZB-Präsident Mario Draghi vor einigen Wochen verkündet, die Geldpolitik der EZB im Zweifel weiter zu lockern. Nämlich dann, wenn sich die Konjunktur und die Inflationserwartungen nicht erholen. Aber mit Aktienkäufen ist nicht zu rechnen.

Wie weit kann die EZB gehen?

Erst einmal wird die EZB andere Instrumente spielen. Einem Reuters-Bericht zufolge rechnen mittlerweile 60 Prozent der Anleger damit, dass die EZB an diesem Donnerstag ihren Einlagenzinssatz um zehn Basispunkte senkt. Die Commerzbank glaubt sogar, dass die EZB den Zins sogar um 20 Basispunkte senkt. Aktuell liegt die Einlagenfazilität, wie der Strafzins für Banken offiziell heißt, bei minus 0,4 Prozent. Diesen Prozentsatz müssen Finanzinstitute bezahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken.

Es stellt sich allerdings die Frage, wie weit die EZB gehen kann, ohne die Märkte zu schockieren. Denn natürlich hat ein solcher Zinsschritt Folgen. Aktien könnte die Zinssenkung weiter beflügeln. Schon in den vergangenen Tagen zogen die Kurse in Erwartung des Schritts an. Anleihekurse dürften weiter steigen, die Renditen sinken.

Apropos Anleihen: Draghi will einem Bericht des „Spiegel“ zufolge auch die Anleihekäufe wieder aufnehmen. Bis November habe er vor, den umstrittenen Erwerb von Staatsanleihen wieder zu starten, berichtet das Magazin unter Verweis auf Notenbankkreise. Eine Überraschung wäre aber auch das nicht wirklich. Schon im Juni hatte Draghi gesagt, es gebe erheblichen Spielraum für weitere Anleihekäufe.

In dem Bericht des „Spiegel“ hieß es weiter, Draghi wolle außerdem das Inflationsziel lockern. Künftig solle es bei genau zwei Prozent liegen statt wie bisher bei unter aber nahe zwei Prozent. Auf der jüngsten Zinssitzung im Juni hatten die Währungshüter laut Sitzungsprotokoll bereits über mögliche Strategieüberlegungen gesprochen. Die letzte größere Strategieüberprüfung des Inflationsziels gab es 2003.

Höhere Strafzinsen, weitere Anleihekäufe, ein neues Inflationsziel – die Pressekonferenz im Anschluss an die EZB-Sitzung am Donnerstag wird auf jeden Fall spannend. Und vielleicht äußert sich Draghi ja auch zu möglichen Aktienkäufen. Larry Fink wird die Äußerungen des EZB-Präsidenten sicher genau verfolgen.

Foto: nitpicker/Shutterstock.com

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