Dr. Spendigs Nachhaltigkeits-Sprechstunde: Offengelegte Verwirrung?

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Servus und moin, moin allerseits aus München!

Regulierungen sind ein zweischneidiges Schwert. Gut gemacht verhindern sie unfairen Wettbewerb und geben Markteilnehmern Orientierung. Eine gute Balance zwischen Aufwand und Ertrag ist hierbei wichtig.

Die Offenlegungsverordnung der EU (im Englischen Sustainable Finance Disclosure Regulation, „SFDR“), die mit dem morgigen zehnten März (teilweise) Anwendung findet, ist zumindest gut gemeint. Im Kern fordert sie von Vertrieben und Produktherstellern weitgehende Transparenz inwieweit ihr Produkt nachhaltig ist. Dies ist begrüßenswert, insbesondere da es nach wie vor an einer allgemein anerkannten Definition, was ein nachhaltiges Investmentprodukt ausmacht, mangelt.

Schaut man sich nun allerdings die Regulierung im Detail an, so kommen einem Zweifel, ob hier nicht wieder einmal „gut gemeint heißt noch lange nicht gut gemacht“ bedeutet.

Lassen Sie mich kurz einige Kritikpunkte nennen:

  1. Produkte wie die sehr populären Green Bonds – offensichtliche Kandidaten für nachhaltige Investments – werden von dieser Regulierung ignoriert.
  2. Die Industrie wurde letztes Jahr von der Nachricht überrascht, dass nicht alle Artikel der Regulierung gleichzeitig anwendbar seien.
  3. Es herrscht offensichtlich auch Unklarheit bezüglich einiger wesentlicher Definitionen, so dass wir mit einer sehr uneinheitlichen Umsetzung der Regulierung rechnen dürfen (früher sagte man „Kraut und Rüben“, heute „Artikel 8 und 9“).
  4. Der Umfang der Produktinformationen wurde zwar zuletzt reduziert, aber nach wie vor wird die Veröffentlichung von Daten verlangt, deren Sinnhaftigkeit bezweifelt werden darf.

Schauen wir uns die Regulierung doch etwas im Detail an:

Artikel 1 ist der kürzeste Artikel und beschreibt in einem Satz und unter Verwendung von 37 Wörtern den Inhalt der Regulierung. Zum Sinn der Regulierung schweigt der Gesetzestext.

Artikel 2 hat es bereits in sich. Unter dem Titel „Begriffsbestimmungen“ finden sich u.a. die Definitionen der Begriffe Finanzmarktteilnehmer, Finanzprodukt und Finanzberater. Vor allem die Liste der Finanzprodukte ist überraschend kurz.

Artikel 3 richtet sich an die gerade definierten Finanzmarktteilnehmer (dies sind insbesondere die Hersteller der Finanzmarktprodukte) und Finanzberater und fordert diese auf „auf ihren Internetseiten Informationen zu ihren Strategien zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Investitionsentscheidungsprozessen“ zu veröffentlichen. Da dieser Teil der Regulierung morgen bereits in Kraft tritt, lohnt sich ein Blick auf die Webseiten der Banken und Fondshäuser.

In Artikel 4 geht es zum ersten Mal um die „nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen“, allerdings noch in allgemeiner Art. Diese werden uns weiter unten noch beschäftigen.

Artikel 5 zwingt Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater auf ihren Internetseiten anzugeben, inwiefern ihre Vergütungspolitik „mit der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken im Einklang steht“. Erwarte ich hier spannende Einblicke in die Welt der Banken und Fondsanbieter? – eher weniger. Allgemeine Formulierungen werden die Regel sein.

Artikel 6, 8 und 9 sind der eigentliche Kern der Regulierung. Jedes Finanzprodukt wird vom Hersteller einer dieser drei Artikel zugeordnet werden und entsprechend anders lautende Offenlegungspflichten haben. Artikel 6 Produkte sind ganz einfach „nicht nachhaltige Finanzprodukte“. Spannend wird es bei Artikel 8 und 9. Hier gehen die Interpretationen der Produkthersteller nach meinem ersten Eindruck weit auseinander. Während einige Anbieter bspw. die üblichen ESG Fonds als Artikel 8 Produkte deklarieren, den Artikel 9 aber wirklichen „Impact Produkten“ vorbehalten (und von diesen Impact Produkten gibt es derzeit nicht wirklich viele), werden bei anderen Häusern selbst ETFs, bei denen ein „impact“ nur schwerlich nachvollziehbar, geschweige denn messbar scheint, als Artikel 9 Produkt deklariert. Hier bleibt abzuwarten, wie Regulator und Öffentlichkeit regieren werden.

Die weiteren Artikel 10 – 20 seien dem geneigten Leser als Bettlektüre ans Herz gelegt.

Der nicht nur geneigte, sondern auch noch aufmerksame Leser wird bemerkt haben, dass ich Artikel 7 bisher ausgelassen habe – frei nach dem Motto von Vanessa Williams: „Save the best for last“. Dieser Artikel, der bislang wenig Beachtung in der Öffentlichkeit gefunden hat, hat es in sich!

Gefordert wird „Transparenz bei nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen auf Ebene des Finanzprodukts“. Nachteilige Nachhaltigkeitsauswirkungen? – Nur die deutsche Sprache ist zu solchen Begriffsungetümen in der Lage. Im englischen sind es zumindest kürzere Wörter, dafür aber auch mehr; dort spricht man von „Principal Adverse Impact on Sustainability Factors“ (kurz PAI).

Was genau solche PAI sein könnten, gehörte lange Zeit zu den am besten gehüteten Geheimnissen der EU. Dann, im letzten Sommer, wurde die Katze aus dem Sack gelassen. 32 (!) verpflichtende Indikatoren sollten in einem Extraanhang jedem Finanzprodukt beigelegt werden. Die Finanzindustrie reagierte – vorsichtig gesagt – kühl auf die Vorschläge. Es folgte ein zähes Ringen hinter den Kulissen. Das Ergebnis, welches Anfang Februar veröffentlicht wurde, ist ein klassischer Kompromiss.

Aus 32 Indikatoren sind 18 geworden und einigen der seltsamsten PAIs wurde der Garaus gemacht. Trotzdem, es bleiben genug „interessante“ Indikatoren übrig. Neben dem Klassiker Treibhausgasemissionen finden sich Angaben zur „hazardous waste ratio und dem berühmten „gender pay gap“. Wohlgemerkt, diese Indikatoren sind bei Fonds als Durchschnitt über die vom Fonds gehaltenen Wertpapiere zu ermitteln und dieser Durchschnitt ist auch noch zeitlich über die vier Quartale eines Jahres zu mitteln. Ob diese Indikatoren wirklich die Kaufentscheidungen von Investoren beeinflussen werden? Ich habe starke Zweifel, gerne lasse ich mich aber eines Besseren belehren.

Die PAI sind übrigens nicht zu verwechseln mit den PRI (Principals for Responsible Investments). Schreiben Sie mir, wenn es in ihrem Kollegenkreis durch eine geschickte Mischung aus deutsch und englisch (das deutsche A klingt ähnlich der „deutsch-akzentuierten“ englischen Aussprache des Buchstabens R) zur Verwechslung der beiden Begriffe gekommen ist. Dem Autor ist dieses schon passiert. Ob es an einem mangelhaften Gehör oder einer undeutlichen Aussprache lag, konnte nicht abschließend geklärt werden.

 

In diesem Sinne, bleiben Sie nachhaltig gesund! Ihr Dr. Bernd Spendig

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