Drei Fragen an Bernecker: Wie ist das Chaos bei VW zu bewerten, Nikola Motors als Anti-Tesla und ist die Inflation vielleicht schon längst da?

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In unserer heutigen Ausgabe fragen wir nach einer Einschätzung zu VW, wie die Chancen und Risiken bei Nikola Motors stehen und ob die Inflation vielleicht schon längst da ist.

onvista-Redaktion: Wie beurteilen Sie das interne Chaos bei Volkswagen? Wird Herbert Diess nun ins Abseits gedrängt? Und würde das VW schaden?

VW ist ein Weltkonzern mit mehreren Automarken und verschiedenen organisatorischen Strukturen mit eigener Verantwortung, wie Audi oder Porsche etc. Dazu bedarf es einer Führungsstruktur mit eindeutigen Vollmachten und Weisungsrechten. Deshalb ist es angezeigt, Doppelfunktionen zu vermeiden. Zudem hat VW eine besondere Organisationsstruktur mit großer Dominanz der Gewerkschaft und der Politik. Es lag damit auf der Hand, dass Herr Diess nur dann Konzernchef sein kann, wenn er über allen anderen steht, insbesondere über den Spartenchefs. Was in der Öffentlichkeit als Demontage erscheint, ist deshalb nicht richtig, aber es hätte bisher wesentlich besser und glaubwürdiger kommuniziert werden müssen.

Alle erfolgreichen VW-Chefs der Vergangenheit sind im Wesentlichen diesem Prinzip gefolgt. Es hat sich grundsätzlich bewährt. Ein Schaden entsteht für VW mithin nicht. Aber wie erwähnt: Es bedarf der richtigen Darstellung dem Markt gegenüber.

onvista-Redaktion: Wie sehen Sie den Börsengang von Nikola Motors über die Fusion mit Vectoiq? Hat die Aktie Potenzial?

Nikola Motors ist vom Gründer als Anti-Tesla gedacht und auch so kommuniziert. Eine Gesellschaft, die null Dollar Umsatz macht, aber schöne Pläne, kann natürlich nicht 50 Mrd. $ oder mehr wert sein. Das ist schlichter Unsinn, doch es zeigt, wie dieser Sektor in der Hysterie denkt und welche gefährlichen Aspekte darin stecken. Tesla begann ebenso bescheiden, aber mit glaubwürdigen Ansätzen. Daraus ließ sich entnehmen, wie die völlig neue Technik der E-Mobility von Herrn Musk gedacht war und wie man ihr als Investor folgen konnte. Mit dem Nikola-Konzept wird man sich demnächst beschäftigen können, aber nicht mit den aktuellen Ansätzen für die Kurse und den umfangreichen Kombinationen von Spielern, die nicht zu erwähnen sind. Finger weg! In ein oder zwei Jahren wird man sich damit ernsthaft beschäftigen können, wenn Ergebnisse vorliegen, die bewertungsfähig sind. Alles andere ist Kasino.

onvista-Redaktion: Mal eine andere Betrachtungsweise auf die Inflationsfrage: Ist sie vielleicht schon längst da und macht sich eben nur an den Finanzmärkten und nicht in der Realwirtschaft bemerkbar? Heißt: sind die Aktienmärkte vielleicht niedriger bewertet als man meint, da das beziffernde Geld einfach weniger wert ist (aufgrund der geöffneten Notenbank-Schleusen)?

Die Voraussetzung für eine Inflation besteht darin, dass die Geldmenge deutlich größer ist als die Warenmenge, die erzeugt wird. Die Geldmenge kann ausgeweitet werden über riesige Staatsdefizite oder aber über die Notenbank, die ihre Bilanzsumme beliebig ausweiten kann. Entscheidend ist, wie dieses Geld verwendet wird. Wird es produktiv verwendet, etwa für Investitionen, ist der inflationäre Effekt bescheiden. Wird es konsumtiv verwendet, beginnt die Inflation. Die Deutschen haben darin gute Erfahrungen. Die Anleihefinanzierung des Ersten und Zweiten Weltkrieges führte über Zwangsanleihen bis zum letzten Sparer. Daraus entstanden Inflationen und ein anschließender Währungsschnitt. Viele werden sich noch an 1948 erinnern. Die Menge des Geldes lag bei etwa dem Zehnfachen der Produktion der damaligen Bizone (teilweise auch französisch) gegenüber der realen Wirtschaft. Das ergab den Währungsschnitt von 10 zu 1, Reichsmark in D-Mark.

Die aktuellen Geldschöpfungen sowohl in Deutschland als auch in den USA entsprechen im Wesentlichen dem gleichen Grundmodell. Insofern liegt darin ein Inflationsansatz. Nun wird es darauf ankommen, wie diese Mittel verwendet werden.

Die größten Gewinner der deutschen Verhältnisse sowohl nach dem Ersten wie Zweiten Weltkrieg waren die Aktionäre, die die Geldentwertung dafür nutzten, umfangreich in Substanz zu investieren und dies möglichst noch auf Kredit. Die zwei berühmtesten nach dem Ersten Weltkrieg waren Hugo Stinnes und Friedrich Flick. Einer der größten Gewinner nach dem Zweiten Weltkrieg war der zeitweise größte deutsche Börsenspekulant, Hermann Krages. Er investierte in die Reichsmark-Stücke der Vereinigten Stahlwerke und teilweise der IG Farben mit höchstmöglichem Kredit. Am Ende war es das größte Portfolio dieser Art in Privathand. Mit der Umstellung auf D-Mark ergaben sich umfangreiche Veränderungen in der D-Mark-Bilanz der Vereinigten Stahlwerke, die anschließend bekanntlich in vielerlei Aktiengesellschaften zerlegt wurde, so Thyssen, Hoesch, Hütte Oberhausen, Rheinstahl, Phoenix Rhein-Ruhr etc. Diese Story erzählte er mir persönlich und den Rest durfte ich begleiten.

Vielen Dank für Ihre Antworten!

Foto: Bernecker

www.bernecker.info

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