EU könnte Kali- und Ölbranche in Belarus mit Sanktionen ins Visier nehmen

Reuters · Uhr

Lissabon (Reuters) - Die Europäische Union treibt ihre Pläne für verschärfte Sanktionen gegen Belarus voran.

Die neuen Strafmaßnahmen würden womöglich den Kali- und Ölsektor der ehemaligen Sowjetrepublik treffen, kündigten einige EU-Außenminister vor Beginn von Beratungen in Lissabon am Donnerstag an. Angesichts der erzwungenen Landung eines Passagierflugzeugs und der anschließenden Festnahme eines Regimekritikers drohte Bundesaußenminister Heiko Maas dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko zudem mit weiteren Sanktionsrunden. Sollte Lukaschenko jetzt nicht einlenken, "muss man davon ausgehen, dass das erst der Beginn einer großen und langen Sanktionsspirale sein wird. Lukaschenkos Verhalten sei "derartig inakzeptabel", dass sich die EU jetzt mit kleineren Sanktionsschritten nicht zufrieden geben werde. Ziel sei stattdessen, "dass wir die Wirtschaftsstruktur und den Zahlungsverkehr in Belarus mit Sanktionen ganz erheblich belegen wollen, so dass es auch Auswirkungen hat".

Belarus hatte am Sonntag eine Ryanair-Maschine auf dem Flug von Griechenland nach Litauen mit einem Kampfjet nach Minsk umgeleitet und dort dann den regierungskritischen Journalisten Roman Protassewitsch und seine Freundin festgenommen. EU-Staats- und Regierungschefs hatten daraufhin ihre Außenminister beauftragt, Wirtschaftssanktionen gegen Belarus vorzubereiten. Diese sollen diesmal über Einzelpersonen hinausgehen. "Die Entführung des Flugzeugs und die Inhaftierung der beiden Passagiere ist völlig inakzeptabel", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vor den Ministerberatungen.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte, dass Kali im Mittelpunkt de neuen Sanktionen stehen sollte. "Das Schlüsselwort, denke ich, ist Kali. Wir wissen, dass Belarus sehr viel Kali produziert. Es ist einer der größten Lieferanten weltweit, und ich denke, es würde Lukaschenko sehr wehtun, wenn wir etwas in diesem Bereich erreichen würden", sagte Asselborn. Der litauische Ressortchef Gabrielius Landsbergis sagte, die EU solle erwägen, den Ölsektor mit Sanktionen zu belegen. Estlands Außenministerin Eva-Maria Liimets betonte, es sollten Unternehmen ins Visier genommen werden, die dem belarussischen Regime nahestehen. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten bereits Lande- und Überflugverbote für die russische Fluggesellschaft Belavia beschlossen.

Maas forderte Lukaschenko in einem ersten Schritt auf, die mehr als 400 politischen Gefangenen in Belarus unverzüglich freizulassen. Die Zeit, in der die Europäische Union zum Dialog bereit gewesen sei, sei nun vorbei, betonte der SPD-Politiker. Wichtig sei, auch mit Russland über das Thema Belarus zu sprechen. "Alle wissen, dass ohne Russland ... Lukaschenko keine Zukunft in Belarus hätte."

In Belarus war es im vergangenen Sommer zu zahlreichen Massenprotesten gegen die umstrittene Wiederwahl Lukaschenkos gekommen. Die Opposition spricht von Wahlbetrug. Die Sicherheitsbehörden werfen Protassewitsch vor, an der Organisation der Proteste entscheidend beteiligt gewesen zu sein. Im November hatten sie ihn auf eine sogenannte Terroristen-Beobachtungsliste gesetzt. Im Zuge des harten Vorgehens der Sicherheitskräfte und der Behörden verloren die Proteste inzwischen an Kraft. Am Mittwoch kündigte die ins Exil geflohene Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja jedoch eine neue Phase der Anti-Regierungs-Proteste an. "Es gibt nichts mehr abzuwarten. Wir müssen den Terror ein für allemal stoppen", erklärte sie. Lukaschenko sagte, er rechne nicht mit einer Wiederholung der Massenproteste von 2020.

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