EU ringt um Sanktionen gegen Belarus - Gipfel in Brüssel

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Brüssel (Reuters) - Die EU-Staats- und Regierungschefs erhöhen im Streit über weitere Sanktionen gegen Belarus den Druck auf Zypern.

Kurz vor Beginn des Gipfels in Brüssel sagte Litauens Präsident Gitanas Nauseda am Donnerstag: "Wir erwarten, dass das der Wendepunkt für Sanktionen gegen belarussische Offizielle wird." Bislang blockiert Zypern den erforderlichen einstimmigen Beschluss. Die Regierung in Nikosia fordert zeitgleiche EU-Sanktionen gegen die Türkei wegen des Gasstreits im östlichen Mittelmeer. Die anderen Mitgliedstaaten sind aber nicht bereit, beide Vorgänge miteinander zu verknüpfen.

Im Entwurf für die Abschlusserklärung des bis Freitag gehenden Gipfels heißt es zu Belarus, die EU-Staaten verurteilten die inakzeptable Gewalt gegen friedliche Demonstranten. Zugleich wird die Präsidentenwahl am 9. August nicht anerkannt. Amtsinhaber Alexander Lukaschenko hatte den Wahlsieg für sich beansprucht, die Opposition spricht von Wahlbetrug. Seitdem kommt es immer wieder zu Massenprotesten, die Sicherheitskräfte gehen teils brutal gegen die Demonstranten vor. Tausende Menschen wurden festgenommen. Im EU-Entwurf heißt es unter Bezug auf Sanktionen weiter, dass "restriktive Maßnahmen" ohne Verzögerung verhängt werden sollten. Es gebe große politische Bemühungen "auf höchster Ebene", um die Blockade zu lösen, sagte ein ranghoher EU-Diplomat.

Unter Druck gerät die EU diesbezüglich auch, weil Großbritannien und Kanada unlängst Sanktionen gegen Belarus verhängt haben. Allerdings wollen sich die USA dem nach Angaben aus diplomatischen Kreisen nicht anschließen. Die Regierung in Washington hoffe auf einen mit der EU koordinierten Schritt, sagten vier Insider. "Wir arbeiten eng mit unseren europäischen Partnern zusammen, um diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die an Menschenrechtsverletzungen und Repressionen in Belarus beteiligt sind", sagte ein Vertreter des Außenministeriums.

"OFFEN FÜR DIALOG"

Zypern dringt allerdings darauf, dass die EU zunächst Sanktionen gegen die Türkei verhängt. Dabei geht es um Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer, auf die einerseits die Regierung in Ankara und andererseits die EU-Mitglieder Griechenland und Zypern Ansprüche erheben. Die Türkei unternimmt bereits Bohrungen in dem Gebiet, weshalb die EU jetzt Sanktionen erwägt. "Die Idee ist, der Türkei mit Gegenmaßnahmen zu drohen, wenn sie mit den Bohrungen und anderen Provokationen in zyprischen und griechischen Gewässern weitermacht", sagte ein EU-Diplomat. "Hintergrund ist, dass man Zypern damit Garantien gibt und Nikosia davon überzeugt, das Veto gegen die Sanktionen gegen Belarus aufzuheben."

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte mit Blick auf die Türkei vor Beginn des Gipfels: "Wir setzen uns dafür ein, Spannungen friedlich zu lösen." Die EU habe ein großes Interesse daran, konstruktive Beziehungen zur Türkei zu haben. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, sie erwarte, dass der Europäische Rat in der Frage seine "volle Solidarität mit Griechenland und Zypern" zum Ausdruck bringen werde. Allerdings betonte sie auch: "Wir wollen eine Deeskalation."

Weitere Themen des zweitägigen Treffens sind die Beziehungen zu China, vor allem mit Blick auf das angestrebte Investitionsabkommen, aber auch die Einhaltung von Menschenrechten und die Lage in Hongkong. Auch die Umstände des Giftanschlags auf Kreml-Kritiker Alexej Nawalny sind Gegenstand der zweitägigen Beratungen. Die amtierende deutsche Ratspräsidentschaft will zudem die Chancen auf eine Einigung zu den Details der künftigen Finanzplanung ausloten. Dazu gehört die Auszahlung eines 750 Milliarden schweren Wiederaufbaufonds zur Eindämmung der Folgen der Corona-Krise. Hier sorgt für Streit, dass mehrere EU-Staaten, darunter Deutschland, die Auszahlung von Finanzhilfen abhängig machen will von der Einhaltung der Rechtstaatlichkeit. Vor allem Polen und Ungarn sind strikt gegen ein solches Vorgehen und drohen mit ihrem Veto gegen die gesamte Finanzplanung.

Meistgelesene Artikel