Ex-BoE-Gouverneur Mervyn King: „Bewegen uns schlafwandlerisch in die nächste Weltwirtschaftskrise hinein“

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Meinungen von Experten, die eine schwierige wirtschaftliche Zukunft prognostizieren, herrschen nun schon seit Monaten in der Finanz-Öffentlichkeit vor. Mit Mervyn King, dem ehemaligen Gouverneur der Bank of England, der seinen Posten während der Finanzkrise 2008 inne hatte, gesellt sich eine weitere prominente Stimme hinzu. Die Zeitung „The Guardian“ hatte zuerst darüber berichtet.

Bei einem Vortrag in Washington auf der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds äußerte King seine Kritik, es habe keine grundsätzliche Infragestellung der Ideen gegeben, die vor einem Jahrzehnt zur Krise geführt hätten. „Eine weitere Wirtschafts- und Finanzkrise würde die Legitimität eines demokratischen Marktsystems zerstören“, sagte er. „Indem wir an der neuen Orthodoxie der Geldpolitik festhalten und so tun, als hätten wir das Bankensystem sicher gemacht, bewegen wir uns schlafwandlerisch in Richtung dieser Krise.“ Der Widerstand gegen neues Denken, so befürchtet er, wird zu einer Wiederholung der letzten Finanzkrise führen.

Aus seiner Sicht ist das wirtschaftliche und politische Klima mit Blick auf den Handelsstreit, Unruhen in Hongkong, sowie wachsenden Problemen in vielen Schwellenländern selten so angespannt gewesen.

Wo liegen die Hauptprobleme?

King sagt, dass die Welt in einer Falle des niedrigen Wachstums stecke und die Erholung nach 2008 schwächer ausgefallen ist, als nach der großen Weltwirtschaftskrise in den 30ern. „Nach der großen Inflation, der großen Stabilität und der großen Rezession sind wir in die große Stagnation eingetreten.“ 2013 hatte der frühere US-Finanzminister Larry Summers das Konzept der säkularen Stagnation wieder eingeführt, einer dauerhaften Periode mit geringem Wachstum.

„Konventionelle Erkenntnisse führen die Stagnation weitgehend auf die Angebotsfaktoren zurück, da die zugrunde liegende Wachstumsrate der Produktivität offenbar gesunken ist. Daten können jedoch nur innerhalb einer Theorie oder eines Modells interpretiert werden. Und es ist überraschend, dass es so viel Widerstand gegen diese Hypothese gegeben hat, dass nicht nur die USA, sondern die ganze Welt unter einer von der Nachfrage geleiteten weltlichen Stagnation leidet. “

Und wie könnte man die Stagnation bekämpfen?

Aus Kings Sicht ist in einige Teile der Weltwirtschaft, vornehmlich in Industrieländern, zu viel und zu ineffektiv investiert worden, während in anderen Ländern viel zu wenig in die Infrastruktur gesteckt wurde. „Um eine solche Verlagerung der Ressourcen – sowohl des Kapitals als auch der Arbeitskraft – herbeizuführen, ist eine viel umfassendere Politik erforderlich als nur ein geldpolitischer Anreiz. “

Er befürchtet, dass ohne Maßnahmen zur Bewältigung der strukturellen Schwächen der Weltwirtschaft die Gefahr einer erneuten Finanzkrise bestehe, die diesmal nicht vom US-Bankensystem, sondern von anderen schwachen Finanzsystemen ausgehen würde.

onvista-Redaktion

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