Ex-EZB-Chefökonom - Ausstieg aus ultralockerem Kurs wird "extrem schwierig"

Reuters · Uhr

Frankfurt (Reuters) - Der ehemalige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Peter Praet, rechnet mit einem sehr komplizierten Abschied aus der jahrelangen Krisenpolitik der Währungshüter.

"Ich glaube, der Ausstieg wird extrem schwierig", sagte er dem "Handelsblatt" in einem am Montag verbreiteten Interview. "Das könnte sich zum Beispiel im Jahr 2023 zeigen." Deswegen müsse man sich darauf früh genug vorbereiten. "Es ist nicht einfach, die Zinsen in einem Umfeld mit hoher Verschuldung zu erhöhen, wenn jeder erwartet, dass die Zinsen für immer niedrig bleiben." Damit die Geldpolitik glaubwürdig bleibe, müsse sie mögliche Zinserhöhungen vorbereiten und kommunizieren.

Die EZB hält ihren Leitzins seit fast fünf Jahren auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Seit März 2015 erwirbt sie zudem mit Unterbrechung in großem Stil Staatsanleihen und andere Wertpapiere, um die Wirtschaft zu stützen. Im Zuge der Corona-Krise legte sie 2020 ein zusätzliches Notfall-Programm für Anleihen-Käufe auf. Das PEPP getaufte Programm ist inzwischen bereits das zweite Mal ausgeweitet worden - zuletzt im Dezember um 500 Milliarden Euro auf ein Volumen von 1,85 Billionen Euro.

"Ich glaube, dass die EZB bisher alles richtig gemacht hat", sagte Praet. Die Zukunft bereite ihm aber Sorgen. Regierungen und Finanzmärkte müssten sich rechtzeitig auf steigende Zinsen einstellen - selbst wenn die Wahrscheinlichkeit gering sei. "Nach einer langen Zeit sehr niedriger Zinssätze können die Vermögenspreise überhöht und die Schulden zu hoch sein," sagte der Belgier. Praet war von 2011 bis 2019 Mitglied im Direktorium der EZB. Sein Nachfolger in der Position des Chefvolkswirts ist seit Juni 2019 der Ire Philip Lane.

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