Fed und EZB: Wenn die Notenbanken „nur“ ihren Job machen, reicht es auf einmal nicht mehr!

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Zwei Zinsentscheidungen, zweimal geht es kräftig nach unten. Die Fed hat am Mittwoch lediglich gehandelt wie erwartet und der Wall Street hat das nicht gefallen. Der Dow Jones ging nach der Zins-Entscheidung um 1,2 Prozent in die Knie und der S&P 500 sowie die Nasdaq folgten dem Index in etwa in der gleichen Größenordnung. Das die Fed nach 10 Jahren ihre Zinspolitik wieder ändert und die Leitzinsen senkt scheint dem Markt nicht zu reichen. Aber wieso? Werden zu hohe Anforderungen an die Notenbanken gestellt.

Was ist der Job der Notenbanken?

Die Ziele der Zentralbanken werden meist gesetzlich vorgegeben. In den entwickelten Staaten gilt als Hauptziel die Bewahrung der Geldwert- und Preisniveaustabilität. Oftmals werden in den jeweiligen Notenbankstatuten weitere gesamtwirtschaftliche Ziele der Geldpolitik, wie Wirtschaftswachstum, Konjunktur- oder Wechselkursstabilität, umschrieben. Das gilt auch für die Fed. Ist sie dieser Aufgabe nicht nachgekommen?

US-Daten sprachen nicht unbedingt für eine Zinssenkung

Die US-Arbeitslosenquote lag im Juni bei nur 3,7 Prozent. Das Wachstum der Wirtschaft ist noch robust, verlangsamt sich aber. Die Inflation indes liegt unter dem Ziel der Notenbank von zwei Prozent. Auf diese Situation hat die Fed meiner Meinung nach angemessen reagiert. Neben der Leitzinssenkung hat die amerikanische Notenbank zudem überraschend verkündet, ihre Bilanzreduzierung schon ab Anfang August zu beenden. Dieser Stopp war eigentlich erst für Oktober geplant. Die Reduzierung war notwendig geworden, weil die Fed nach der Finanzkrise Staatsanleihen und Hypothekenpapiere im Wert von mehreren Billionen Dollar erworben hatte. Der Abbau dieser Vermögenswerte wurde parallel zum seit längerem vollführten Zinsanhebungskurs vorgenommen.

Die Begründung ist plausibel

Die Notenbank begründete ihre jetzige geldpolitische Lockerung mit „globalen Entwicklungen“ und der verhaltenen Inflation. Zugleich ließ die Notenbank die Tür für weitere Zinssenkungen grundsätzlich offen. Allerdings dämpfte Notenbankchef Powell allzu große Erwartungen: Die jüngste Zinssenkung sei als Absicherung gegen wirtschaftliche Risiken zu verstehen, nicht als Beginn einer langen Abfolge von Zinssenkungen. Powell bezeichnete die erste Zinssenkung in den USA seit gut zehn Jahren als eine „Anpassung in der Mitte des Zyklus“.

Wie macht die Fed weiter?

Auf Nachfrage stellte Powell klar, dass er sich nicht grundsätzlich gegen weitere Zinssenkungen ausgesprochen habe. „Lassen Sie mich klarstellen: Ich habe gesagt, es ist nicht der Beginn einer langen Reihe von Zinssenkungen. Ich habe nicht gesagt, dass es sich nur um eine Zinssenkung handelt.“ Die nächste Zinssitzung der Fed findet im September statt. Damit hat Powell dem Markt wieder Hoffnung auf einen weiteren Schritt gegeben.

EZB hat ein ähnliches Problem

Die Europäische Notenbank hat bei ihrem Zins-Entscheid im Juli nicht sehr viel verändert und lediglich gesagt, „sie halte sich alle Optionen offen“. Es seien „signifikante geldpolitische Impulse“ notwendig, sagte Draghi auf der Pressekonferenz nach der Zinsentscheidung.  Der konjunkturelle Ausblick werde immer schlechter und schlechter, so der EZB-Chef weiter. Die wichtigsten Belastungsfaktoren seien der Protektionismus, weltpolitische Entwicklungen sowie die Lage in den Schwellenländern. Er verwies auch auf die wachsende Wahrscheinlichkeit für einen Brexit ohne Abkommen. Vor allem die Industrie leide unter der aktuellen Entwicklung. Eine Rezession erwartet Draghi aber nicht. Das Risiko dafür sei insgesamt „relativ niedrig“, sagte Draghi. Er verwies auf den robusten Dienstleistungssektor und die Bauwirtschaft.

Nach der Enttäuschung steigen die Erwartungen wieder

Zunächst taucht der Dax nach dem Zins-Entscheid der EZB ab. Einen Tag später schürten die Experten aber schon wieder neue Hoffnungen und Erwartungen. Jetzt ist wieder die Rede von einer Senkung des Einlagesatzes und frischen Anleihekäufen: „Die EZB wird Märkten und Wirtschaft ab Herbst ein vorgezogenes Weihnachtspaket präsentieren“, erwartet Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Die Absenkung des Einlagesatzes werde bereits im September beginnen. Laut Kater könnte diese deutlicher ausfallen als von vielen erwartet. Das Anleihekaufprogramm werde vor Jahresende wieder aufleben. „Positive Zinsen sind damit in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre so gut wie ausgeschlossen, wenn nicht für die gesamte kommende Dekade.“

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Tritt Draghi mit einem großen Geschenk ab?

Am 31.10.2019 endet die Amtszeit des amtierenden EZB-Chefs. Mit Christine Lagarde steht seine Nachfolgerin bereits fest. Bis die Französin das Zepter der EZB übernimmt, stehen noch zwei Zinsentscheidungen auf dem Programm. Die nächste davon ist am 12. September. Aber auch hier stellt sich schon jetzt die Frage, kann Draghi noch mit einem finalen Wurf die Märkte überraschen oder sehen wir wieder ein ähnliches Bild wie zuletzt nach den Zinsentscheidungen der EZB und Fed.

Senkung des Einlagezinses für die Banken und ein Wiederaufleben des Anleihenkaufprogramms ist die Erwartungshandlung. Wie soll Draghi das toppen ,um zu überraschen? Die einzige Möglichkeit liegt hier wohl nur in der Länge des Anleihenkaufprogramms. Hier liegt die Annahme bis Ende 2019. Aber wird sich Draghi wirklich noch weiter aus dem Fenster lehnen? Christine Lagarde gilt zwar auch als Verfechterin einer lockeren Geldpolitik, aber Draghi darf die Ausrichtung der EZB auch nicht zu schwer für seine Nachfolgerin machen. Die wird am 12.12.2019 zum ersten Mal das Ergebnis einer Zinssitzung verkünden. Sollte Mario Draghi tatsächlich ein Anleihenkaufprogramm wieder an den Start gehen, dann wird Lagarde wohl auf dieser Sitzung die Entscheidung treffen, ob es 2020 weiter geht oder wieder beendet wird.

Das wäre ein cleverer Schachzug von Draghi. Seine Nachfolgerin kann sich direkt mit einer Verlängerung des Programms beliebt machen oder bessere konjunkturelle Daten als Grund für eine Beendigung anführen. Der Übergang von Draghi auf Lagarde scheint so reibungslos zu funktionieren. Fraglich ist so einzig und allein, ob die Märkte diesen Weg noch als Überraschung ansehen?

Falls nicht könnte der Dax nach den nächsten Sitzung der EZB wieder unter Druck geraten. Gleiches gilt auch für die nächste Zinsentscheidung der Fed. Auch hier dürfte es nicht lange dauern, bis die Spekulation losgehen, dass der Leitzins ein weiteres Mal gesenkt wird. Sollte die Fed nichts machen oder wieder „nur“um 25 Basispunkte runtergehen, dann könnte dieser Schritt erneut enttäuschen. Damit sind die Notenbanken in der verzwickten Lage, dass die Märkte nicht honorieren, wenn sie ihren Job machen. Irgendwie eine verkehrte Welt an den Börsen.

Von Markus Weingran

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Foto: Orhan Cam / Shutterstock.com

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