Gold: Capital-Economics-Analyst sieht Preis Ende des Jahres bei 1600 Dollar – Was spricht dafür, was dagegen?

onvista · Uhr

Spätestens mit der Corona-Krise und mit dem Crash im März hat es ordentlich geruckelt an den Finanzmärkten, aber bereits vorher hat der sich aufheizende Handelsstreit, sowie eine langsamer werdende Wachstumskurve der globalen Konjunktur Ansätze für Sorgen gegeben. Mit anderen Worten: Ein sehr gutes Umfeld für Gold, da das Edelmetall als unabhängiger Wertspeicher bei solchen Vorraussetzungen seine Stärken voll zum tragen bringen kann.

Blickt man auf die Kursentwicklung der letzten zwei Jahre dann sieht man dies mit einem Anstieg von etwa 40 Prozent seit Ende 2018 ganz deutlich bestätigt. Lediglich der kurze Schrei nach Liquidität im Zentrum des Börsensturms im März hat den Kurs für einen kleinen Moment deutlich nach unten gedrückt, doch diese Delle konnte sehr schnell wieder ausgebeult werden.

Analyst James O’Rourke von dem Londoner Wirtschaftsforschungsunternehmen Capital Economics hat jedoch jüngst ein pessimistisches Ziel für den Jahresendpreis von Gold abgegeben. Seiner Einschätzung nach wird das Edelmetall mit einem Preis von 1600 Dollar aus dem Jahr gehen, was etwa 100 Dollar unter dem jetzigen Niveau wären.

Wie begründet der Analyst diese Prognose? Hauptsächlich dadurch, dass die Erwartung einer enormen Inflation, die durch die fiskalischen Exzesse in Bewegung gesetzt wird,  verfrüht sei. „Trotz der Befürchtungen, dass die Preise außer Kontrolle geraten könnten, halten wir eine durch Impulse hervorgerufene Inflation kurz- oder mittelfristig für unwahrscheinlich. Angesichts der historisch niedrigen Zinssätze erwarten wir, dass der Goldpreis durch die nachlassende Nachfrage nach sicheren Häfen unter Druck geraten wird und bis zum Jahresende auf 1.600 USD pro Unze fallen wird “, so das von kitco.com zittierte Argument des Analysten.

„Wir glauben, dass sich einige Anleger jetzt gegen das Inflationsrisiko positionieren. Dies könnte dazu beitragen, die Stärke des Goldpreises seit Ende März angesichts einer Erholung von „riskanten“ Vermögenswerten wie Aktien zu erklären “, betonte O’Rourke. Seiner Meinung nach werden die Maßnahmen der Politik und der Notenbanken mittelfristig nicht zu einer erhöhten Inflation führen und zieht dabei Parallelen zur Finanzkrise 2008, nach der ebenfalls keine signifikant gestiegene Inflation zu beobachten war, sowie zum Beispiel Japan, dessen Notenbank seit langem versucht mehr Inflation zu erzeugen, um der konjunkturellen Stagnation entgegenzuwirken, dabei jedoch nur wenig Erfolg erzielen kann.

Wirkt sich die Inflation vielleicht nur partiell aus?

Derzeit lässt sich in der Realwirtschaft tatsächlich keine gestiegene Inflation erkennen, im Gegenteil sind viele Preise sogar rückläufig. Allerdings könnte man anhand der beeindruckenden Erholung der Aktienmärkte nach dem Corona-Crash durchaus argumentieren, dass sich ein Inflationseffekt erkennen lässt, nur eben nicht in allen Marktsegmenten, sondern partiell. Die von den Notenbanken entfesselte Geldflut könnte ein Haupttreiber der steigenden Kurse sein und die Geldentwertung lässt sich eben bei Aktien besonders gut erkennen. Somit wären Aktien nicht – wie von vielen Marktbeobachtern derzeit angesehen – überbewertet, sondern die Geldmenge, die den Wert der Unternehmensanteile beziffert, wäre einfach entsprechend verwässert. Man müsste also einen anderen Maßstab anlegen, um den Wert der Unternehmen zu beziffern, da die alten „Pre-Corona“-Geldwerte nicht mehr der Realität entsprechen – aufgrund der enormen Geldmengenausweitung und dem Hineinfließen in die Märkte.

Nimmt man diese These als valide an, dann würde das weiterhin sowohl für Aktien, als auch für Gold sprechen, da beide Investmentvehikel einen besseren Wertspeicher darstellen würden, als das Kapital in  Form von Geld zu halten. Aktien hätten – unter der Annahme, dass deren Wert weiterhin nicht zu stark überbewertet ist, sondern die erhoffte wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Pandemie zum großen Teil noch kommt – eine Menge Aufwärtspotenzial, da der Maßstab der Bewertung angesichts der Inflation nun einfach mit anderen Geldmengen angewendet werden muss. Das Risiko für weitere Crashs, sollte eine zweite Infektionswelle die Wirtschaft lähmen oder der Handelsstreit weiter eskalieren, besteht aber natürlich weiterhin.

Gold hingegen glänzt als solider Wertspeicher, der in allen Szenarien profitieren würde. Betrachtet man die Inflation an den Aktienmärkten als plausible Möglichkeit, dann würde Gold genauso davon angehoben werden wie Aktien. Die in den letzten Wochen herrschenden Kurs-Parallelen – beide Assets sind nach dem Crash gestiegen – würden dafür sprechen. Weitere wirtschaftliche wie politische Verwerfungen würden zudem wieder die Nachfrage nach Gold als sicherem Hafen ankurbeln. Eine sehr schnelle Erholung der Wirtschaft wäre ein Punkt, der die Nachfrage nach Gold am ehesten drücken könnte, doch dies lässt sich derzeit nicht prognostizieren. Erst mit den Unternehmenszahlen zum zweiten Quartal und weiteren Eckdaten zur Impfstoffentwicklung ist eine Orientierung wieder wirklich möglich.

Ausgehend von diesen Überlegungen wäre ein Kursziel für Gold von 1600 Dollar bis Ende des Jahres also eher zu pessimistisch.

onvista-Investment-Idee: Gold – darum ist es wirklich so gut als sicherer Hafen

Von Alexander Mayer

Titelfoto: Pixfiction / Shutterstock.com

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