Harte Auseinandersetzung mit Polen auf EU-Gipfel erwartet

Reuters · Uhr

Berlin/Brüssel (Reuters) - Vor Beginn des zweitägigen EU-Gipfel dringen mehrere Mitgliedsländer wie Frankreich, die Niederlande und Luxemburg auf eine harte Haltung im Rechtsstaatlichkeitsstreit mit Polen.

Diese Länder forderten eine klare Verurteilung der Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichts, dass nationales Recht über EU-Recht stehe, sagten Regierungsvertreter. Frankreichs Europaminister Clement Beaune nannte am Donnerstag erneut Sanktionen als eine Option. Damit steuert der Gipfel auf eine harte Auseinandersetzung mit der polnischen Regierung zu. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dagegen gemahnt, den Dialog mit Polen zu suchen. Sie will nach Angaben aus Regierungskreisen vor Beginn des EU-Gipfels zu einem bilateralen Gespräch mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki zusammenkommen.

Bereits am Mittwoch hatte es in deutschen Regierungskreisen geheißen, dass man zwar bei den Rechtsstaatsprinzipien der EU klar sein müsse, aber Polen nicht isolieren dürfe. EU-Ratspräsident Charles Michel hatte das Thema Polen eigentlich nicht auf die offizielle Agenda setzen wollen. Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs sollen nun aber am Nachmittag darüber sprechen.

Auch der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff forderte eine harte Haltung der EU gegenüber Polen. "Ich halte das für richtig", sagte Lambsdorff im Deutschlandfunk auf die Frage, ob die EU-Kommission Geld aus dem Corona-Wiederaufbaufonds für Polen weiter zurückhalten sollte. "Denn die polnische Justiz ist nicht mehr unabhängig." Wenn es zu Fehlausgaben von EU-Geld komme, gebe es deshalb keine Möglichkeit, dies in Polen überprüfen zu lassen. Der FDP-Politiker wandte sich aber gegen weiterreichende Forderungen, dass man Polen auch Geld aus dem EU-Haushalt sperren sollte. "Willkürliche Kürzungen darf es nicht geben", betonte er.

Am Dienstag hatte es bereits einen verbalen Schlagabtausch im Europäischen Parlament zwischen Polens Ministerpräsident Morawiecki und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gegeben. Der Streit hat Befürchtungen ausgelöst, es könne zu einem Polexit kommen, einem Austritt Polens aus der EU. In der Bundesregierung wird dies für abwegig gehalten.

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