Interview mit Carsten Peter: "Wir sehen uns als Intermediär zwischen Emittent und Investoren"

Börsen-Zeitung · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Carsten Peter

Director, Investment Banking der quirin bank AG

Herr Peter, brauchen wir in Deutschland Mittelstandsanleihen?

Ja, gerade mittelständische Unternehmen haben bedingt durch die im Basel-III-Rahmenwerk umgesetzten erhöhten Anforderungen gegenüber Banken an die Eigenkapitalhinterlegung immer mehr Schwierigkeiten, sich über Banken zu refinanzieren. Die Kreditvergabeprozesse der Banken machen es gerade für Unternehmen in konjunkturell bedingt schwierigen Situationen nahezu unmöglich, sich über Kredite zu finanzieren. Andererseits bietet der Kapitalmarkt kaum attraktive Renditen für Investoren, selbst klassische Unternehmensanleihen von Dax-Unternehmen sind kaum noch interessant. Insbesondere der Privatanleger sucht Alternativen zum Festgeld und den zu niedrigen Renditen bei Staatsanleihen.

Für welche Unternehmen eignet sich eine Mittelstandsanleihe?

Besonders Unternehmen, die über eine Marke mit einem gewissen Bekanntheitsgrad verfügen, haben gute Chancen für die erfolgreiche Emission einer Mittelstandsanleihe. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Anforderungskriterien, wie zum Beispiel etabliertes Geschäftsmodell, Unternehmensgröße, Finanzkennzahlen (Eigenkapitalausstattung, Profitabilität) und Mittelverwendung. Der klassische deutsche Mittelstand mit einem Finanzierungsvolumen ab 20,0 Mill. Euro für Wachstum oder auch Restrukturierung und vor allem mit Bereitschaft, sich dem Kapitalmarkt zu öffnen, sollte bei Finanzierungslösungen die Mittelstandsanleihe auf jeden Fall in Betracht ziehen und sich beraten lassen.

Welche Anforderungskriterien an einen Emittenten erachten Sie bei einer Emission als besonders wichtig?

Im Vordergrund steht die Bedienung der jährlichen Zinszahlung und natürlich am Ende der Laufzeit die Rückzahlung oder Refinanzierung der Anleihe. Wir sehen uns als Intermediär zwischen Emittent und Investoren, somit ist eine wesentliche Aufgabe der Emissionsbank, im Vorfeld diese Kriterien anhand des Businessplans im Rahmen des Prozesses und der Due Diligence gemeinsam mit Beteiligten zu prüfen. Es geht darum, eine marktgerechte Gestaltung der Anleihe zu strukturieren und einen Interessenausgleich zwischen Emittent und Investor herzustellen.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang das Thema Eigenemissionen?

In der Vergangenheit haben zahlreiche Emittenten aus vermeintlichen Kostengründen die Eigenemission einer Fremdemission mit Emissionsbank vorgezogen. Dabei hat sich gezeigt, dass ein Großteil dieser Emittenten bei der entscheidenden Phase der Emission, nämlich der Platzierung, scheiterte. Darin liegt ein besonderer Mehrwert der Emissionsbank im Prozess, denn diese verfügt über die dafür notwendigen Investorenkontakte und Kanäle, um Emissionen vollständig an Investoren zu platzieren.

Welche weiteren Aufgaben nimmt die Emissionsbank wahr?

Im speziellen Fall der Mittelstandsanleihe übernimmt die Emissionsbank darüber hinaus weitere Aufgaben. Häufig verfügen mittelständische Unternehmen über ein sehr geringes Maß an Kapitalmarkterfahrung. In diesem Fall prüft die Emissionsbank die Kapitalmarktreife des Unternehmens und bereitet den Emittenten entsprechend vor, sodass Risiken weitgehend ausgeschaltet werden können. Diese entstehen zum einen mit der hohen medialen Wirkung und zum anderen aus Haftungsverpflichtungen in Verbindung mit dem Wertpapierprospekt. Im Rahmen der Emission übernimmt die Emissionsbank die komplette Strukturierung der Transaktion sowie die Platzierung und die wertpapiertechnische Abwicklung. Dazu gehört auch die Koordination aller Akteure, die an der Emission beteiligt sind. Diese umfassen neben der Gesellschaft und der Emissionsbank auch Wirtschaftsprüfer, Anwälte, Ratingagenturen und IR-/PR-Agenturen. Daneben überwacht die Emissionsbank die Einhaltung des Zeitplans, da er für die Platzierung eine der kritischen Erfolgsgrößen darstellt.

Welche Qualität und Akzeptanz haben die von Ihnen angesprochenen Ratingagenturen?

Es haben sich insbesondere Creditreform und Scope in dem Segment der Mittelstandsanleihen etabliert; vereinzelt auch Euler Hermes. Sie bieten insbesondere den Privatanlegern eine Indikation für die Kreditwürdigkeit und Ausfallrisiken des Emittenten. Die Ratings dieser Agenturen lassen sich jedoch nicht direkt mit denen der großen internationalen Ratingagenturen wie zum Beispiel S & P oder Moody's vergleichen. Um bei internationalen Anlegern und institutionellen Investoren Akzeptanz zu schaffen, werden die deutschen Agenturen sicherlich noch einen langen Weg beschreiten müssen. Aber gerade bei nicht börsennotierten Gesellschaften ist es gut, dass auch eine weitere Partei einen kritischen Blick auf Bilanz und Assets wirft und dies entsprechend ausführlich dokumentiert. Die Kriterien und Vergleichsdaten basieren bei Creditreform und Scope im Gegensatz zu den großen Ratingagenturen im Wesentlichen auf Deutschland und dem Mittelstand. SIAG Schaaf ist ein Beispiel, wo sich eine der großen Ratingagenturen im Bereich der Mittelstandsanleihe bewegt, es führte zu einem schwachen Rating mit hohem Zinskupon. Somit kommt es bei den deutschen Ratingagenturen zum einen zu anderen Rating-Ergebnissen, die sich auf den deutschen Mittelstand beziehen. Zum anderen lassen sich die Ratings nur untereinander mit Unternehmen aus der gleichen Branche vergleichen.

Derzeit sind besonders Unternehmen mit bekannten Markennamen als Emittenten im Mittelstandssegment zu sehen, erwarten Sie hier eine Überhitzung des Marktes?

Überhitzung ist vielleicht ein wenig übertrieben. Zahlreiche Emittenten kommen aus den Private-Equity- oder Mezzanine-Portfolios von Finanzinvestoren, das heißt Unternehmen, die offen für Finanzierungsalternativen sind. Im internationalen Vergleich sind es Emittenten von Hochzinsanleihen, klassischen High-Yield-Bonds. Dort sehen wir zukünftig auch den Markt für Mittelstandsanleihen - sozusagen der High-Yield-Bond für den deutschen Mittelstand. Der Markt in Deutschland ist noch relativ jung. Er muss und wird sich in den nächsten Jahren noch weiter entwickeln und bietet vor allem viele Chancen. Rund 20 Jahre hat der amerikanische High-Yield-Markt benötigt, um sich zu etablieren. Umso wichtiger ist die Rolle der Berater und Banken in der Auswahl der Emittenten und der Strukturierung der Anleihen, um die Ausfallquote möglichst gering zu halten.

Wie sollten sich Investoren und Anleger informieren?

Ein Blick auf den Unternehmensnamen reicht in der Regel nicht aus, vielmehr sollten die Investoren und Anleger den Wertpapierprospekt und das Rating nutzen, um sich über die Chancen und insbesondere die Risiken aufzuklären. Den Investoren muss klar werden: "Hohe Rendite" ist verbunden mit einem "Hohen Risiko"; entsprechend werden auch in Zukunft Emittenten ausfallen. Für den deutschen Markt für Mittelstandsanleihen ist es daher wichtig, dass Investoren langfristig das Vertrauen nicht verlieren und die Emissionen marktgerecht strukturiert werden.

Was macht eine marktgerechte Strukturierung aus?

Das Emissionsvolumen und der Zinskupon müssen im richtigen Verhältnis zu den Finanzkennzahlen der Emittenten stehen. Auch marktübliche Covenants wie zum Beispiel der Drittverzug, die Negativerklärung oder der Kontrollwechsel sind Voraussetzung für eine erfolgreiche Emission. Bei Immobilien-anleihen spielt sehr häufig das Thema Besicherung eine große Rolle, wo dem Anleiheinvestor Immobilien als Sicherheit hinterlegt werden. Ein interessantes Beispiel ist hier sicherlich die Anleihe der Betreibergesellschaft des bekannten Traumschiffs MS Deutschland - die einzige bisher, die über eine erstrangige dingliche Besicherung verfügt.

Wie sehen Sie die Zukunft, und was muss der Markt noch lernen?

Meines Erachtens wird der Markt für Mittelstandsanleihen weiter wachsen und auch in Zukunft eine Finanzierungsalternative für den Mittelstand darstellen. Man sieht zunehmend neue Fonds für High-Yield-Bonds, Ähnliches würde ich mir für den Mittelstandsmarkt wünschen, denn derzeit handelt es sich bei den professionellen Investoren größtenteils um spezialisierte Vermögensverwalter und Family Offices. Hier kann der Markt auch von den großen Fondsgesellschaften noch lernen, die derzeit aus unterschiedlichsten Gründen wie zum Beispiel Liquidität und Mindestvolumen noch zurückhaltend bei Investments in Mittelstandsanleihen sind.

Das Interview führte Claudia Weippert-Stemmer

Um den Text im Original zu lesen, klicken Sie hier...

weitere Börsen-Zeitung-News

Meistgelesene Artikel