IPO: Umstrittener Neobroker „Robinhood“ bereitet Börsengang an der Nasdaq vor – starkes Wachstum, aber hohe Verluste in Q1 und rechtliche Konflikte als Begleiter

onvista · Uhr

Der Wertpapier-Broker Robinhood treibt nach der Beilegung brisanter Rechtskonflikte seinen Börsengang voran. Das Unternehmen veröffentlichte am Donnerstag seinen Wertpapierprospekt und gewährte darin auch erstmals tiefere geschäftliche Einblicke. Robinhood will seine Aktien unter dem Tickerkürzel „HOOD“ an die New Yorker Tech-Börse Nasdaq bringen. Die 2013 gegründete Firma aus dem kalifornischen Menlo Park ist mit ihrer einfach zu bedienenden App vor allem bei jüngeren Anlegern beliebt, wegen ihres laut Kritikern zu riskanten Wetten verleitenden Geschäftsmodells aber umstritten.

Robinhood hat sich laut der britischen Wirtschaftszeitung „Financial Times“ („FT“) einiges vorgenommen: So will das Unternehmen nach Informationen des Blatts bei dem Börsengang eine Bewertung von mindestens 40 Milliarden US-Dollar erreichen. Die „FT“ beruft sich auf dabei mit den Plänen vertraute Personen. Eine offizielle Aussage von Robinhood gibt es dazu bisher nicht.

Aus dem Börsenprospekt geht unter anderem hervor, dass Robinhood im ersten Quartal 2021 – trotz Erlösen von über 522 Millionen Dollar – einen Verlust von 1,4 Milliarden Dollar (1,2 Mrd Euro) verkraften musste. Allerdings wächst das Unternehmen rasant. Im vergangenen Jahr nahm die Zahl der Kundenkonten um 143 Prozent zu, in den drei Monaten bis Ende März 2021 verzeichnete Robinhood einen weiteren Anstieg von 12,5 Millionen auf 18 Millionen Nutzer. Die verwalteten Kundengelder des Brokers kletterten im jüngsten Quartal verglichen mit dem Vorjahreszeitraum von 19,2 Milliarden auf knapp 81 Milliarden Dollar.

Robinhood gilt als Wegbereiter einer jüngeren Generation von Anlegern am US-Finanzmarkt. Die Firma hat sich auf die Fahne geschrieben, auch Menschen die Börse zu erschließen, die keinen Zugang zu vererbten Vermögen und Ressourcen haben. Gegner werfen dem Broker indes vor, eher wie ein Glücksspiel-Anbieter zu agieren als wie ein seriöser Finanzdienstleister. Robinhood verspricht Gebührenfreiheit, verdient aber an der Vermittlung von Kunden und Transaktionen an große Wall-Street-Konzerne. Das Unternehmen stifte seine Nutzer deshalb zu möglichst viel und auch riskantem Handel an, meinen Kritiker.

Robinhood streitet diese Vorwürfe ab und verteidigt sein Geschäftsmodell damit, den Finanzmarkt zu „demokratisieren“. Einige umstrittene Features der App, wie Transaktionen von einem digitalen Konfettiregen zu begleiten, hat das Unternehmen jedoch mittlerweile abgeschafft. Robinhood fiel wegen Handelsbeschränkungen bei bestimmten Aktien kürzlich auch bei eigenen Nutzern in Ungnade. Vor allem bei den Papieren des Videospielhändlers Gamestop, der zu einem Spielball eines Kräftemessens zwischen im Internet organisierten Kleinanlegern und Hedgefonds wurde, sorgte dies für Ärger.

Ohnehin hat das Unternehmen jede Menge rechtliche Konflikte vor der Brust. Am Mittwoch erst hakte Robinhood einen wichtige juristische Baustelle ab und nahm dabei ein hohes Bußgeld der US-Finanzaufsicht Finra in Kauf. Wegen angeblicher Irreführung von Kunden, zu lascher Kontrollen bei riskantem Optionshandel und technischer Pannen zahlt das Unternehmen bei dem Vergleich fast 70 Millionen Dollar (59 Mio Euro). Mit 57 Millionen Dollar entfällt das Gros auf eine Geldstrafe – laut Finra die höchste, die je von der Behörde verhängt wurde. Etliche andere Klagen und Ermittlungen gegen Robinhood laufen noch.

dpa-AFX

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onvista-Redaktion: Robinhood trifft ganz klar den Zeitgeist mit seiner Aufmachung, der Affinität zu den „Digital Natives“, die in der Corona-Krise und den sich auftuenden Chancen an den Aktienmarkt geströmt sind, und dem gebührenfreien Trading, welches sich gerade an die junge Zielgruppe mit weniger investierbarem Kapital richtet.

Doch das tugendhafte Image – welches schon durch den Namen suggeriert wird – durch das selbsterklärte Ziel, die Finanzmärkte für jedermann zugänglich zu machen, hat im Zuge der Kapriolen um Gamestop, AMC und anderen „Meme“-Aktien ernsthaften Schaden erlitten, als durch den einseitigen Handelsstopp dieser Aktien auf Robinhood und anderen Brokern klar wurde, dass die Interessen der großen Geldgeber im Hintergrund doch wichtiger sind als das Wohl der kleinen Leute, die mit vielen Versprechungen auf die Robinhood-Plattform gelockt werden. Nicht nur der Image-Schaden ist groß, sondern auch die rechtlichen Konsequenzen, die sich aus dieser Geschichte ergeben haben, werden dem Unternehmen noch lange Probleme bereiten und stellen einen nicht unerheblichen Risikofaktor dar.

Bleibt am Ende noch ein Blick auf das Geschäftsmodell von Robinhood. Gebührenfreies Trading mit geringen Beträgen, dazu noch hübsch und modern aufgemacht, ist etwas Verlockendes. Die stark wachsenden Nutzerzahlen von Robinhood zeigen, wie verlockend. Doch für den Endkunden erweist sich dieses Modell als Nachteil, denn: Robinhood verkauft die auf der eigenen Plattform generierten Order an Marketmaker, die den tatsächlichen Handel abwicklen - und an den Spreads verdienen. Der Endkunde bekommt also nicht den tatsächlichen Marktpreis der Aktie, sondern zahlt indirekt trotzdem drauf. Für das Unternehmen mag das zwar profitabel sein. Für das Versprechen, welches schon im Namen „Robinhood“ steckt und der Devise, die Chance auf Wohlstand zugänglich für jedermann zu machen, hat das und die Geschehnisse um Gamestop jedoch einen sehr faden Beigeschmack. Anleger sollten sich ein Investment hier zweimal überlegen, auch wenn die Wachstumsstory gegeben ist.

Titelfoto: OpturaDesign / Shutterstock.com

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