Künstliche Intelligenz: Das digitale Denken von Morgen – Segen oder Fluch?

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Die Digitalisierung verändert die Welt schneller als jede vorhergegangene technische Entwicklung. Selbst der Wechsel hin zur Industrialisierung im 18. Jahrhundert, der die Welt bis heute in nie gekanntem Ausmaß gewandelt hat, kann mit den Veränderungen, die die neuen digitalen Technologien mit sich bringen, nicht mithalten. Um in Zukunft nicht die Orientierung zu verlieren, sei es in der Arbeitswelt, im Alltag oder auch bei den eigenen Investment-Überlegungen, ist es wichtig zu wissen, welche Teilbereiche der Digitalisierung den größten Einfluss nehmen werden. Das Thema Künstliche Intelligenz ist ein Faktor, der mit das größte Potential aufweist, alle Lebens- und Arbeitsbereiche massiv zu verändern.

Was ist Künstliche Intelligenz?

In grauer Vorzeit waren es Tiere, die den Menschen die Arbeit auf dem Feld erleichtert haben. Im Zuge der technologischen Weiterentwicklung waren es erst Dampfmaschinen, dann motorisierte Fahrzeuge, Kräne, Fließbänder und elektronische Geräte wie Computer oder Smartphones, die dem Mensch die körperliche Arbeit immer mehr abgenommen haben. Mit Künstlicher Intelligenz soll noch einen Schritt weiter gegangen und die Menschheit auf geistiger und kognitiver Ebene entlastet werden. Aber auch der Automatisierungsprozess der körperlichen Arbeit soll vollständig auf Maschinen verlagert werden, indem man sie mit einer KI ausstattet. Fabriken ohne menschliche Mitarbeiter sind hier das bildgebende Stichwort.

Starke und schwache KI

Man muss bei Künstlicher Intelligenz zwischen schwacher und starker KI unterscheiden. Derzeit existieren nur schwache KIs, deren Fähigkeiten sich auf ein spezielles Anwendungsgebiet beschränken. Sie sind mittlerweile weit verbreitet, die meisten elektronischen Geräte, die wir im Alltag benutzen, wie beispielsweise Smartphones, enthalten mehrere dieser schwachen KIs. Spracherkennung, Text-Autokorrektur oder eine Suchmaschinen-App sind nur einige Beispiele.

Eine starke KI dagegen existiert derzeit nur in Science-Fiction-Filmen und stellt eine komplette Nachbildung des menschlichen Denkens und Handels dar. Sie würde also über dieselben intellektuellen Fähigkeiten verfügen wie ein Mensch und wäre in der Lage, sich allein in der Welt zurecht zu finden, könnte autonom auf Probleme und Ereignisse reagieren und daraus eigene Schlüsse zu ziehen. Der Hauptunterschied zwischen schwacher und starker KI besteht darin, dass eine schwache KI ihre Stärke aus einem speziellen Anwendungsfeld nicht auf andere Bereiche übertragen kann, während eine starke KI, gleich einem Menschen, verschiedene Fähigkeiten selbstständig zur Lösung eines Problems verwenden könnte, indem sie diese beispielsweise kombiniert.

Definition von (Künstlicher) Intelligenz

Schon bei der Definition von Intelligenz an sich stößt die Forschung auf gewisse Hindernisse. Grob gesagt ist sie ein Sammelbegriff für die kognitive Leistungsfähigkeit des Menschen. Da die einzelnen kognitiven Fähigkeiten oft unterschiedlich stark ausgeprägt sein können, ist eine allgemein gültige Definition sehr schwierig.

Auch Künstliche Intelligenz ist eher ein Sammelbegriff, der viele verschiedene Forschungsgebiete enthält. Um die verschiedenen Teilbereiche abzudecken, die für eine KI notwendig sind, werden neben der Informatik und Mathematik unter anderem auch die Felder Neurologie, Logik, Kommunikationswissenschaft, Linguistik und auch Philosophie berührt.

Die Kernfähigkeiten einer KI

Es gibt aber einige Aspekte, anhand derer man eine KI genauer definieren könnte: Zum einen die Mustererkennung, -analyse und -vorhersage. Eine KI kann Muster in Bildern und Formen, Texten und innerhalb von Sprachen erkennen, diese zuordnen und verarbeiten und teilweise die Bildung oder Veränderung weiterer Muster durch Berechnung vorhersagen. Dadurch wird auch die Abwicklung von Sprachen möglich, also die Kommunikation durch lesen und verstehen von Sprache.

Desweiteren sind KIs in der Lage, Fragen zu beantworten, beziehungsweise Probleme zu lösen, indem sie mit formalisiertem Fachwissen aus einer Datenbank logische Schlüsse ziehen. Das kann zum Beispiel die Diagnose einer Krankheit sein, oder das finden von Fehlern innerhalb eines Produktionsprozesses. Auch Organisation und Planung ist mit dieser Fähigkeit der Wissensdarstellung möglich. Big Data ist das Stichwort, um an die große Menge nötiger Informationen zu kommen, die eine KI für die Abwicklung dieser Prozesse benötigt. Facebook als Datenbank für Bilder oder andere persönliche Informationen von einzelnen Personen sei hier nur als ein Beispiel für eine riesige Datensammlung genannt.

Ein weiterer Punkt ist die Robotik, bei der die KI für die Abwicklung physischer Tätigkeiten angewendet wird. In der Praxis sind das beispielsweise Roboter, die in einer Fabrik automatisiert Produktionsprozesse ausführen, die für einen Menschen schwer auszuführen, oder sogar gefährlich wären.

Mit der wichtigste Punkt ist das maschinelle Lernen, also die Fähigkeit der KI, selbstständig neue Muster zu finden und zu erkennen, sowie die Klassifizierung und (bei nicht relevanten Daten) der Regression. Das fortgeschrittene Lernen wird dabei mit künstlichen neuronalen Netzwerken erreicht, die in der Lage sind, aus der Daten-Erkennung die für einen Lernerfolg relevanten Informationen zu erkennen und so zu speichern, dass sie bei zukünftigen Problemlösungen dieser Art erneut hervorgeholt werden können.

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Heutige Anwendungsbereiche von Künstlicher Intelligenz

Heutzutage wird Künstliche Intelligenz bereits als schwache Variante im Alltag eingesetzt. Sie dient uns Menschen also allenfalls in unterstützender Form. Dabei hat sie jedoch bereits sehr viele Bereiche erobert.

Fangen wir beim Smartphone an: Viele Geräte bieten Finger- oder sogar Gesichtserkennung als Entschlüsselungsmethode an. Hierbei wird eine schwache Künstliche Intelligenz zur Mustererkennung eingesetzt, um das Gerät seinem Besitzer eindeutig zuzuordnen. Weiter geht es im Innenleben des Handys. Sprachassistenten wie Apple´s Siri interpretieren die empfangenen akustischen Daten mittels Spracherkennung und ermöglichen so die Steuerung des Smartphones.

Die automatische Textkorrektur hilft uns bei der Nutzung von Chat-Programmen wie beispielsweise WhatsApp, indem sie oft geschriebene Wörter abspeichert und bei mehr oder weniger passenden Stellen als Vorlage anbietet, sowie bei falsch eingetippten Wörtern das korrigierte Wort vorgibt.

Auch Suchmaschinen stellen eine schwache Form von KI dar, da die Suchanfragen mittels formalisiertem Wissen bearbeitet und dargestellt werden und weiterführende Vorschläge mit logischen Schlussfolgerungen aufbereitet werden. Auch die Produktvorschau bei Online-Händlern wie Amazon funktioniert so, auf Basis der bereits gekauften Artikel werden dem Kunden themenverwandte Vorschläge automatisiert präsentiert.

Die gegebene Unterschrift auf dem Gerät des Postboten, nachdem man ein bestelltes Paket angenommen hat, fällt ebenfalls unter die Kategorie KI, da die Handschrift automatisch erkannt und als die jeweiligen Buchstaben klassifiziert wird, um sie abspeichern zu können.

Fabriken, deren komplette Produktionsprozesse von Robotern durchgeführt werden, und Menschen nur noch an zentralen Schnittstellen zu deren Steuerung und Überwachung gebraucht werden, sind ebenfalls ein gutes Beispiel, genau wie autonomes Fahren, bei der die KI ebenfalls selbstständig anhand von Mustererkennung und -vorhersage des Weges und eventueller Hindernisse das Navigieren auf der Straße meistern muss.

Ist Künstliche Intelligenz Segen oder Fluch?

Eine künstliche Intelligenz, die ein eigenes Bewusstsein hat und an die intellektuellen Fähigkeiten des Menschen heranreicht oder diese sogar übertrifft, ist immer noch weit entfernt. Die Technologie hat jedoch bahnbrechende Fortschritte gemacht und ist längst in alle Bereiche eingezogen, die irgendwie mit Digitalisierung zu tun haben.

Die damit einhergehenden, potentiellen Veränderungen sind mittlerweile ein heißes Diskussionsthema in der breiten Öffentlichkeit. Einerseits die massiven Verbesserungen, die die neue Technologie mit sich bringt: KI kann den Menschen in so gut wie allen Bereichen unterstützen. Ein Roboter als Fabrikarbeiter, oder ein selbstfahrender Laster wird niemals müde und braucht keine Pausen. Eine KI-basierte Wissensdatenbank kann Informationen viel schneller speichern, aufbereiten, analysieren und Ergebnisse auswerten, als ein Mensch es je könnte. Innerhalb der Medizin schaffen es KI-Systeme bereits, teilweise bessere Diagnosen zu treffen, als ihre menschlichen Kollegen. Sie dienen dort mittlerweile als sehr effiziente Unterstützer bei der Diagnose und Untersuchung einzelner Krankheiten.

Andererseits wird aufgrund Künstlicher Intelligenz ein düsteres Bild für den zukünftigen Arbeitsmarkt gezeichnet. Es ist bei weitem nicht so, das nur gering qualifizierte Arbeitsplätze durch Automatisierung wegfallen könnten. Auch Tätigkeiten, für die eine höhere Ausbildung notwendig ist, könnten in Zukunft von Künstlicher Intelligenz übernommen werden. Selbstlernende Algorithmen bedrohen fast jeden Arbeitsbereich, da etwa Steuererklärungen, Computercodes zum schreiben neuer Programme, redaktionelle Texte, oder wie bereits erwähnt auch ärztliche Diagnosen mit Hilfe der richtigen Menge und Konfiguration an Daten bald automatisiert von einer KI erstellt werden könnten.

Zwiespältige Prognosen für die Zukunft

Verschiedene Studien liefern ein zweigeteiltes Bild der Zukunft. Aus Unternehmenssicht wird die KI-Technologie voraussichtlich für enormen wirtschaftlichen Aufschwung sorgen. Laut einer Studie des McKinsey Global Institute für das Jahr 2030 wird das globale Bruttoinlandsprodukt im Durchschnitt um 1,2 Prozent pro Jahr durch KI-Technologie steigen. Ein zusätzlicher globaler Wertschöpfungsbeitrag von bis zu 13 Billionen US-Dollar ist laut den Forschern möglich. Circa 70 Prozent aller Unternehmen werden bis 2030 KI-Technologie in mindestens einem Bereich anwenden. Der Anteil der Arbeit, der technisches Wissen voraussetzt, wird um bis zu 55 Prozent steigen, während immer weniger händische Fertigkeiten benötigt werden. Gleichzeitig werden soziale und emotionale Kompetenzen wichtiger, da dies ein Bereich ist, der der KI noch auf lange Sicht verwehrt bleibt. Der Anteil der Arbeitszeit, der diese Fähigkeiten erfordert, wird bis 2030 um rund 24 Prozent zunehmen.

Die Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) prognostiziert in einer Studie, dass in den kommenden 15 bis 20 Jahren knapp jeder fünfte Arbeitnehmer in Deutschland leicht durch Roboter und Software ersetzt werden kann. Weitere 36 Prozent müssen sich darauf einstellen, dass sich ihr Arbeitsalltag dramatisch ändert, weil ein großer Teil ihrer Tätigkeiten mittelfristig von Maschinen erledigt werden kann.

Viele Arbeitnehmer zeigen sich gegenüber KI skeptisch: Der Bundesverband für Digitale Wirtschaft (BVDW) hat in einer Befragung festgestellt, dass 48 Prozent der Befragten glauben, dass der Mensch die Kontrolle im Verhältnis Mensch-Maschine verlieren wird. 69 Prozent gehen davon aus, dass durch Künstliche Intelligenz massenhaft Arbeitsplätze entfallen werden. Dass sich negative und positive Effekte die Waage halten werden, meint aber etwa die Hälfte (53 Prozent).

Von Alexander Mayer

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Titelfoto: Sarah Holmlund / Shutterstock.com

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