Neue Chancen an den Emerging Markets

Stefan Riße · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Börsenstimmung zu messen, basiert auf der Idee, das Gegenteil dessen zu tun, was die Masse macht. Denn die Mehrheit der Anleger liegt fast immer schief. Was die Mehrheit gerade macht, erkennt man auch gut an dem, was gerade groß als Anlageidee vermarktet wird. Die etwas Älteren erinnern sich alle an den Technologieboom Ende der 90er Jahre. Eine Neuemission jagte die andere und jedes Unternehmen wurde so dargestellt, als würde es bald Marktführer in seinem Segment sein. Mit dem Platzen der Internetblase im Jahr 2000 war der Traum dann ausgeträumt. Die Anleger waren auf dem Boden der Realität angekommen. Doch nach dem Kater kam eine neue Mode auf: Die Emerging Markets. Die findige Investmentbank Goldman Sachs erfand für die großen von ihnen, die am Rande des Aufstiegs in die Reihe der Industrieländer standen, sogar einen eigenen Markennamen: BRIC. Diese vier Buchstaben standen für Brasilien, Russland, Indien und China. Hier sollte man investieren, weil das Wachstum bedeutend größer war als in den alten Industrieländern. Das versprach große Gewinnsteigerungen für dort ansässige Unternehmen. Fonds und Zertifikate wurden zu Hauf aufgelegt und dem Privatanleger angepriesen. Die Argumentation war durchaus schlüssig.

Vorsicht vor jeder Investmentmode

Die Idee der Stimmungsanalyse basiert darauf, in Momenten, wo fast nur noch eine Meinung herrscht, skeptisch zu sein. Egal wie schlüssig die Argumentation auch sein mag: Wenn etwas besonders stark promotet wird, ist Vorsicht angesagt. Ganz einfach deshalb, weil in diesen Momenten viele Anleger - zumeist Profis - bereits investiert sind. Die Kurse sind dann schon stark gestiegen, und die Papiere werden beim Privatanleger abgeladen. Genauso war es auch mit der Investition in den BRIC-Ländern. Was so verlockend erschien, entwickelte sich zu einem einzigen Drama. In der Finanzkrise fielen die Kurse bereits, doch im Gegensatz zu den Industrieländern erholten sie sich anschließend nicht, sondern fielen weiter. Nur Indien konnte nach langer Durststrecke zumindest in den vergangenen Jahren glänzen. Das war auch absehbar. Im Boom waren die Währungen der Länder aufgrund der Kapitalzugflüsse ausländischer Investoren stark gestiegen. Was zunächst wie ein Erfolg aussah, entwickelte sich dann aber zu einem massiven Wettbewerbsnachteil.

Große Ernüchterung in den einstigen Hoffnungsregionen

Mittlerweile ist von Ländern als Boomregion nicht mehr die Rede. Im Gegenteil: Die gleichen Investmentbanken, die einst die aufstrebenden Länder anpriesen, geben sich jetzt sehr vorsichtig. Korruption, zu hohe Auslandsverschuldung und dadurch nachlassendes Wachstum sind die Hauptargumente. Für Russland kommen die Sanktionen und der extrem gesunkene Ölpreis dazu. Auch diese Argumentation ist bei einem Blick auf die Daten schlüssig. Goldman Sachs hat das Label BRIC vor wenigen Wochen nun offiziell beerdigt. Das durfte als klassischer Kontraindikator gesehen werden, denn genau seit diesem Zeitpunkt haben sich die Kurse deutlich erholt. Zwar ist die Lage längst nicht rosig, aber irgendwann ist tief dann eben auch tief genug für Börsenkurse. Der große Vorteil, den die Länder haben, abgesehen von China, ist eine massive Abwertung ihrer Währungen, teilweise um 50 Prozent. Was jetzt nach Schwäche aussieht, wird sich in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit zukünftig als Stärke erweisen. Die Emerging Markets sind daher jetzt interessant, wo sie keiner mehr haben will. Nur China ist etwas anders zu betrachten. Auch das Riesenreich hat seine Währung gegenüber dem Dollar etwas abgewertet, jedoch nicht massiv. Die Geldpolitik ist mittlerweile jedoch sehr expansiv, was die Kurse wieder anziehen lassen sollte.

Neueste exklusive Artikel