Nordkorea: Die Fronten mit Südkorea verhärten sich – Wird Kim Jong Un die momentane Krise für weitere Schachzüge nutzen?

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Trotz Warnungen und Beschwichtigungsversuchen Südkoreas setzt Nordkorea seinen Konfrontationskurs gegenüber dem Nachbarn fort. Einen Tag nach der Sprengung eines innerkoreanischen Verbindungsbüros kündigte Nordkoreas Armeeführung am Mittwoch an, wieder Militärübungen an der Grenze durchführen und Soldaten in die ehemals gemeinsam genutzten Industrie- und Tourismusgebiete verlegen zu wollen.

Zudem sollen bereits zurückgezogene Kontrollposten in der militärischen Pufferzone zwischen den beiden Ländern wieder aufgestellt und Flugblattaktionen gegen Südkorea gestartet werden, wurde der Generalstab der Volksarmee von den Staatsmedien zitiert. Das wegen seines Atomwaffenprogramms isolierte Land hatte zuvor mit solchen Schritten gedroht.

Das Angebot der Regierung des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In, Sondergesandte für eine Deeskalationsmission zu schicken, lehnte die kommunistische Führung nach eigenen Angaben entschieden ab. Die einflussreiche Schwester des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un, Kim Yo Jong, warf der südkoreanischen Seite vor, einen „taktlosen und dunklen Vorschlag“ gemacht zu haben. Südkorea müsse erst die „Worte und das Verhalten solcher Dummköpfe kontrollieren, die uns weiter provozieren“, erklärte Kim in Anspielung auf die Propagandaflugblatt-Aktionen südkoreanischer Aktivisten und nordkoreanischer Flüchtlinge an der Grenze.

Die Fronten verhärten sich

Seit der jüngsten Aktion, bei der die Gruppen Ende Mai etwa 500.000 in Ballons verpackte Flugblätter mit Kritik an der autokratischen Führung in Pjöngjang in Richtung Norden geschickt hatten, verschärfen sich wieder die Spannungen. Pjöngjang wirft Seoul vor, diese Aktionen zu tolerieren. Die Kommunikationskanäle zu Südkorea hatte Nordkorea zuletzt gekappt. Nach der Zerstörung des Verbindungsbüros in der Grenzstadt Kaesong am Dienstag hatte Südkorea das abgeschottete Nachbarland vor weiteren Schritten gewarnt, die die Situation verschärfen würden.

Nordkoreas Militärführung kündigte jetzt an, Einheiten in Regimentsstärke würden in den Industriepark von Kaesong sowie in das Erholungsgebiet am Kumgang-Gebirge an der Ostküste geschickt. Der Industriekomplex ist seit 2016 schon nicht mehr in Betrieb. Touristische Reisen von Südkoreanern in das Diamanten-Gebirge sind seit 2008 nicht mehr möglich. Seoul hatte ein gemeinsames Reiseprogramm auf Eis gelegt. Grund dafür waren tödliche Schüsse eines nordkoreanischen Soldaten auf eine südkoreanische Touristin in einem Sperrgebiet in der Region.

Mit der Umsetzung der nun angedrohten militärischen Schritte würde Nordkorea bilaterale Vereinbarungen von 2018 über vertrauensbildende Maßnahmen unterlaufen. Damals hatten sich beide Seiten unter anderem auf die Einstellung von Schießübungen an der Grenze und die Zerstörung von Kontrollposten innerhalb der demilitarisierten Zone sowie die Räumung von Landminen an bestimmten Stellen der Pufferzone geeinigt.

Seit dem gescheiterten Gipfeltreffen zwischen Nordkorea und den USA im Februar 2019 in Vietnam stecken nicht nur die Atomverhandlungen zwischen diesen beiden Ländern fest. Auch die innerkoreanischen Beziehungen kommen seitdem nicht mehr voran.

Wird Nordkorea die momentane Ablenkung für weitreichendere Schläge nutzen?

Die Spannungen mögen momentan zwar vor allem zwischen den beiden Nachbarländern eskalieren, doch der Hauptgegner Nordkoreas bleiben weiterhin die USA, da dort die Zügel der weitreichenden Sanktionen gegen das Land in Händen gehalten werden. Derzeit hat die US-Regierung aufgrund der verheerenden Folgen der Coronavirus-Pandemie und den Spannungen im Handelsstreit mit China kein großes Auge für Nordkorea. Einige Experten sind deshalb der Ansicht, dass Kim Jong Un die Schwäche der USA ausnutzen könnte, um durch weitere Aktionen, wie beispielsweise Waffentests oder weitere Nadelstiche gegen den südlichen Nachbarn, den Druck zu erhöhen und sich durch Drohungen militärischer wie politischer Art in eine Posiiton zu bringen, in der die USA vielleicht eher gewillt sind, Kompromisse mit dem Land einzugehen, um noch weitere Eskalationen zu verhindern.

onvista/dpa-AFX

Titelfoto: Alexander Khitrov / Shutterstock.com

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