onvista-Börsenfuchs: Bullen-Börsen können sehr alt werden

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo Leute! Gestern hatte ich bei meiner Pirsch durch Mainhattan zwei nette Erlebnisse. In der U-Bahn spricht mich ein mittelalter Herr an, um mir selbstbewusst mitzuteilen, dass er mit einer einzigen Aktie in 20 Jahren Millionär geworden sei, und ergänzte beim Rausgehen: „Ich begreife nicht, warum nicht jeder Deutsche an die Börse geht.“ Ich bin dann aufs Frankfurter Börsenparkett gegangen, um ein bisschen mit dem verbliebenen Rest von Händlern zu diskutieren - keine neuen Erkenntnisse, aber vorsichtiger Optimismus.

Interessanter ist da die heutige Wochenendanalyse von Allianz Global Investors mit dem Titel „Bullenmärkte sterben nicht an Altersschwäche“. Die will ich Euch nicht vorenthalten, denn seit Februar keimt unter den Schaukel-Börsianern immer wieder die Angst vor einem Ende des Bullenmarktes - und damit einhergehend die Angst vor dem Abbruch des Konjunkturzyklus. Betrachtet man nämlich die Bullenbörsen seit Anfang der 1970er Jahre bis heute, so war bezogen auf die Performance nur die vom Sommer 1982 bis Dezember 1989 an den Aktienmärkten zu messende Aufwärtsbewegung stärker als derzeit (es kam im Durchschnitt zu mehr als einer Verfünffachung der Kurse). Diese Phase war auch nur leicht kürzer als die mittlerweile in den 105. Monat kommende Erholungsphase nach Ausbruch der US-amerikanischen Hauspreiskrise. Und nur die im Jahr 2000 platzende Technologie-Medien-Telekommunikationsblase war länger. Sie erstreckte sich über gut 116 Monate. Die drei anderen Aufschwungsphasen Anfang der 1970er; während der zweiten Hälfte der 1970er; Ende 2002 bis Herbst 2007) waren zeitlich kürzer.

Da ist es schon verständlich, nicken die Fondsstrategen, wenn die Märkte unruhig werden. Anlässe boten u. a. das Einpreisen eines Reflationierungsszenarios, in dessen Folge eine verschärfte Gangart zumindest der Ami-Zentralbank befürchtet wird. Dazu immer wieder die Sorge, die globale Konjunktur könnte ihren Scheitelpunkt überwunden haben. Dazu spielt die invers werdende Zinsstruktur (kurze Zinsen höher als lange) eine wichtige Rolle. Tatsächlich war eine inverse Renditestrukturkurve in der Vergangenheit ein verlässlicher Frühindikator für Rezessionen in Amiland. Diese stellten sich dann im Durchschnitt der seit Mitte der 1950er Jahre zu zählenden inversen Lagen 16 Monate später ein, während das Hoch beim Leitindex S&P 500 acht Monate danach erreicht wurde.

Aber Bullenmärkte sterben nicht an Altersschwäche - sie „wissen“ ja nicht einmal wie alt sie sind. Sie sterben an einem Ende des Konjunkturaufschwungs oder durch eine zu straff werdende oder überraschend straffe Geldpolitik. Bei der inversen Strukturkurve handelte es sich ohnehin eher um ein Symptom, das eine allgemeine Verschärfung der monetären und finanziellen Bedingungen in der Gesamtwirtschaft widerspiegelt. Also gelassen bleiben, signalisiert die Analyse von Allianz Global Investors. Denn ein Konjunktureinbruch ist ja nicht in Sicht, selbst wenn das Weltwirtschaftswachstum seinen zyklischen Gipfel erreicht oder sogar überschritten haben sollte. Genaueres wissen wir aber erst hinterher.

Können wir bis auf Weiteres „voll cool“ (ich mag diese Formulierung) bleiben? Nee, jetzt wohl nicht mehr. Denn Donald J. stellt einen unberechenbaren Überraschungsfaktor dar, eine neue “Qualität“ für Wirtschaft und Börse. Ein Handelskrieg mit China könnte das Ende der bullischen Phase bedeuten. Anleger, bleibt wachsam!

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