Polizei geht nach Weißrussland-Wahl gegen Demonstranten vor

Reuters · Uhr

- von Andrei Makhovsky

Minsk (Reuters) - Die Polizei in Weißrussland ist nach dem offenbar erneuten Sieg von Amtsinhaber Alexander Lukaschenko bei der Präsidentenwahl gegen Demonstranten vorgegangen.

Einem Reuters-Mitarbeiter zufolge wurden in Minsk mindestens zehn Menschen festgenommen. Ein Mann wurde aus einem Polizeiwagen geworfen und blieb leblos am Boden liegen. Nach offiziellen Angaben gab es dagegen keine Verletzten unter den Demonstranten. Örtliche Medien berichteten von Festnahmen und Zusammenstößen in der Hauptstadt und anderen Städten. Offiziellen Nachwahlbefragungen zufolge dürfte Lukaschenko die Wahl mit fast 80 Prozent gewinnen, seine Rivalin Swetlana Tichanowskaja erhielt knapp sieben Prozent. Westliche Beobachter stufen die Abstimmung als weder frei noch fair ein.

Vor der Abstimmung am Sonntag waren Menschenrechtsgruppen zufolge mehr als 1300 Personen in Haft genommen worden. Lukaschenko hatte vor Protesten nach der Wahl gewarnt. Es war nicht damit gerechnet worden, dass er die Führung der ehemaligen Sowjetrepublik abgeben muss, die er seit 1994 autoritär regiert. Allerdings erwies sich ein Frauentrio um Tichanowskaja als größte Herausforderung seit Jahren für den 65-Jährigen, der von den USA einst als "letzter Diktator Europas" eingestuft wurde.

Lukaschenko wies nach der Abgabe seiner Stimme Berichte über Repressionen als "Fake News" zurück. Tichanowskajas Lager sei keine Bedrohung, sagte er: "Sie sind es nicht wert, dass man gegen sie vorgeht." Die Oppositionelle kam mit Hunderten von Anhängern zur Stimmabgabe, die ihren Namen riefen. Die ehemalige Englischlehrerin war ins Rennen eingestiegen, nachdem die geplante Kandidatur ihres Ehemanns - ein regierungskritischer Blogger - durch seine Festnahme unmöglich wurde. In der weißrussischen Bevölkerung herrscht große Unzufriedenheit wegen der Lage der Wirtschaft, der Menschenrechte und Lukaschenkos Umgang mit der Corona-Krise. Er hat Krankheit als "Psychose" bezeichnet und Wodka und Eishockey als Gegenmittel vorgeschlagen.

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