Private Equity: Das gefährliche Spiel mit den Schulden
FRANKFURT (dpa-AFX) - Um im Niedrigzinsumfeld die Erwartungen ihrer Geldgeber zu erfüllen, greifen Private-Equity-Investoren zu immer abenteuerlicheren Finanzkonstruktionen. Steuert die Branche auf eine gefährliche Kreditblase zu?
Finanzinvestoren übernehmen Firmen, um sie Jahre später gewinnbringend zu verkaufen. Dabei haben sie den Unternehmen schon immer mit dem Kauf Schulden aufgebürdet, um diese in den folgenden Jahren nach und nach zu bedienen - so erzielt die Branche eine Hebelwirkung auf das eingesetzte Eigenkapital. Doch in den letzten Jahren sind die Schuldenstände rasant gestiegen.
Der Hunger der Private-Equity-Investoren nach Krediten hat viel mit den hohen Preisen für Unternehmen zu tun. Die Firmen sind angesichts einer seit neun Jahren brummenden Weltwirtschaft und ständig steigenden Nachfrage von kauflustigen Konzernen und Finanzinvestoren teuer geworden. So hat der Datendienstleister Pitchbook ermittelt, dass 2017 in Europa in gut 3000 Private-Equity-Deals im Schnitt das 7,6-Fache des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) hingeblättert wurde. Ein neuer Rekord, wie er auch in jedem der drei Vorjahre markiert wurde. Insgesamt gaben europäische Private-Equity-Fonds für Übernahmen demnach mehr als 360 Milliarden Euro aus.
Angesichts dieser Preise können die Finanzinvestoren nicht damit rechnen, dass sie den Preis neuer Beteiligungen so rasant treiben, wie sie es in der Vergangenheit taten. Also versuchen sie, mehr Kredite einzusetzen, um die Wertsteigerung des Eigenkapitals zu hebeln. Dabei kommt ihnen neben dem Niedrigzinsumfeld auch der Aufstieg der so genannten Debt-Fonds zupass.
Diese Kreditfonds sammeln Fremdkapital bei Investoren ein, um es zu verleihen. Seitdem die Banken in Folge der Finanzkrise einen Haufen strengerer Regeln aufgedrückt bekamen, schießen sie aus dem Boden. In Deutschland hatten die Debt-Fonds 2017 bei Private-Equity-Deals einen Marktanteil von 33 Prozent, verglichen mit nur 18 Prozent ein Jahr davor, ergeben Daten der Finanzierungsberatung GCA Altium.
"Ich erwarte, dass der Marktanteil der Debt-Fonds weiter steigen wird", sagt Robert von Finckenstein, der den Bereich Debt Advisory beim Corporate-Finance-Haus Alantra leitet. "Als Nichtbanken sind sie viel unkomplizierter."
Er gibt ein Beispiel mit Blick auf so genannte Buy-and-Build-Strategien, bei denen ein Private-Equity-Haus ein Unternehmen kauft und mittels Zukäufen auf ein Vielfaches der ursprünglichen Größe bringt: "Wenn ein Finanzinvestor ein Unternehmen mit einem Debt-Fonds erwirbt und eine Buy-and-Build-Strategie verfolgt, dann ist die Umsetzung mit einem solchen Kreditgeber viel leichter darstellbar. Bei einem Bankensyndikat müssen sie jedes Mal aufs Neue durch komplizierte Bewilligungsprozesse."
Neben den Debt-Fonds und Banken erscheinen ganz neue Spieler auf dem Kreditmarkt. So versuchen institutionelle Investoren - etwa die Versorgungswerke einzelner Berufsgenossenschaften -, direkt Kredite an Private-Equity-Investoren auszureichen, um ihr Geld zum Arbeiten zu bringen, ohne einem Vermittler Gebühren zu bezahlen.
Die Konkurrenz der Kreditgeber kombiniert mit einem historisch niedrigen Leitzins führt dazu, dass das geliehene Geld immer günstiger wird. Eine so genannte Unitranche-Finanzierung, die vorrangige und nachrangige Kredite in einem Paket bündelt, kostet zurzeit 5,5 bis 7 Prozent Zinsen. Vor einigen Jahren waren es noch bis zu 9 Prozent.
Das führt zu immer höheren Schuldenpaketen im Verhältnis zum Gewinn vor Zinsen, Schulden und Abschreibungen. Über alle Branchen hinweg liegt der durchschnittliche Verschuldungsgrad bei europäischen Private-Equity-Deals für 2017 bei dem Vierfachen des Ebitda - selbst im Vorkrisenjahr 2007, das von fataler Sorglosigkeit beim Thema Fremdkapital gekennzeichnet war, lag der Faktor nur bei 3,3.
Bei Zukäufen in der vergleichsweise konjunkturunabhängigen Gesundheitsbranche liegt der Verschuldungsgrad mittlerweile nicht selten beim 7,5-Fachen des Ebitda, deutlich mehr als noch vor ein bis zwei Jahren. Auf dieser Höhe bewegte sich zum Beispiel etwa der Verschuldungsgrad der Pflegekette Alloheim wie die Finanznachrichten-Agentur dpa-AFX erfuhr. Der Finanzinvestor Nordic Capital hatte Alloheim im Januar für geschätzte 1,1 Milliarden Euro gekauft. Das Ebitda von Alloheim für 2017 liegt bei knapp 90 Millionen Euro. Somit dürfte das gesamte Schuldenpaket, das ein Bankenkonsortium arrangiert hat, mehr als 600 Millionen Euro schwer sein.
Mit diesen Finanzkonstruktionen versuchen die Finanzinvestoren, die Renditeerwartungen ihrer Geldgeber zu erfüllen. Die Pensionskassen und reichen Familien, die der Private-Equity-Branche ihr Geld anvertrauen, sind jährliche Renditen von 20 bis 25 Prozent gewohnt. Die sind jedoch kaum mehr realistisch, weil die Kaufpreise für Unternehmen in schwindelerregende Höhen gestiegen sind. Das Fremdkapital ist für die Investmentmanager ein willkommenes Mittel, um die Gewinne aufs eingesetzte Eigenkapital aufzupumpen - und damit den Renditen von früher zumindest näher zu kommen.
Beobachter fragen sich, ob die hohen Schuldenniveaus die Unternehmen in Private-Equity-Hand reihenweise zusammenklappen lassen, wenn die Gewinne in einem Abschwung sinken. Für überschuldete Firmen dürfte es besonders prekär werden, wenn die Europäische Zentralbank gleichzeitig die Leitzinsen heben und damit den Schuldendienst in ungeahnte Höhen treiben würde.
Doch auch, wenn das einzelne Unternehmen in die Insolvenz treiben könnte: Ein volkswirtschaftliches Risiko durch zu viele wackelige Kredite sehen Private-Equity-Experten nicht. Ein Grund ist ausgerechnet der Vormarsch der Private-Debt-Fonds: Diese zeigen sich bei den Kreditbedingungen konzilianter als Banken, weil es ihnen statt auf regelmäßige Zinsen eher auf eine stattliche Rendite am Ende der mehrjährigen Laufzeit ankommt./fba/zb
Von Florian Bamberg, dpa-AFX