RKI-Chef warnt wegen Virus-Varianten vor Trendwende in Corona-Pandemie

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Berlin (Reuters) - Angesichts wieder deutlich steigender Corona-Infektionszahlen warnt der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, vor einer "Trendumkehr".

Für eine solche Entwicklung gebe es deutliche Signale, sagte Wieler am Freitag in Berlin. Die Virusmutation B117 breite sich rasch aus. Sie sei "deutlich gefährlicher, und zwar in allen Altersgruppen". Wieler mahnte eine Einhaltung der Regeln an. "Ansonsten steuern wir in eine weitere, in eine dritte Welle", warnte er. Dennoch forderten erneut Politiker und Verbände Öffnungsschritte von der nächsten Spitzenrunde zwischen Bund und Ländern am 3. März. "Wir müssen aus dem Shutdown so schnell wie möglich heraus", sagte etwa SPD-Chef Norbert Walter-Borjans im ZDF. Auch die Arbeitgeber verlangten Lockerungen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wies darauf hin, dass die Länder unabhängig von Inzidenz-Werten bereits mit der Öffnung von Schulen und einzelnen Läden begonnen hätten. Wieler mahnte eine Einhaltung der Regeln an.

Das RKI meldete 9997 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg leicht auf 62,6 (Vortag: 61,7). Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. Ziel von Bund und Ländern ist ein Wert von 50, um das Gesundheitssystem zu entlasten. Ab einem dauerhaften Wert von unter 35 haben sie weitere Lockdown-Öffnungen in Aussicht gestellt. Sowohl Kanzlerin Angela Merkel als auch Spahn deuteten jedoch an, dass man sich davon weiter entferne. Deshalb fordern etliche Länder, dass man Öffnungsschritte an andere Kriterien knüpfen sollte. Merkel hatte am Donnerstag betonte, dass sie mit den Ministerpräsidenten sprechen werde, ob etwa der massenhafte Einsatz von Schnelltests Öffnungen bei anderen Inzidenz-Werten als 35 ermögliche. Auch das RKI fordert mittlerweile, mehr Kriterien wie die Impfquote oder die Zahl der Intensivpatienten in den Blick zu nehmen.

Das RKI zählte innerhalb von 24 Stunden weitere 394 Corona-Tote. Damit erhöht sich die Zahl der gemeldeten Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus in Deutschland auf 69.519. Die Zahl der in Krankenhäusern registrierten Corona-Intensivpatienten sank laut dem Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) erneut und lag am Mittag bei 2841. Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, erwartet eine Entspannung in den Kliniken im Zuge der Impfungen. Diese würden sich "in den nächsten Wochen positiv bemerkbar machen, davon bin ich fest überzeugt", sagte Gaß dem Sender NDR Info.

In der Öffentlichkeit dreht sich die Stimmung Richtung Lockerungen. Eine Mehrheit der Deutschen ist laut ZDF-Politbarometer für Öffnungen bei den Corona-Maßnahmen - vor allem die Anhänger von AfD und FDP. Insgesamt gaben 56 Prozent der Befragten an, dass es jetzt zu Lockerungen kommen sollte. 41 Prozent lehnen sie ab. Nur bei den Grünen-Anhängern ist eine Mehrheit gegen Öffnungen. Allerdings macht die große Mehrheit dies von der Entwicklung der Infektionszahlen abhängig: Sollte es zu einer dritten Welle kommen, befürworten nur noch 21 Prozent eine Lockerung der Corona-Maßnahmen. 44 Prozent der Befragten befürworten die Öffnung von Grundschulen, 26 Prozent hätten sich sogar die Öffnung aller Schulen gewünscht. Bei den weiteren Prioritäten plädieren 40 Prozent zuerst für die Öffnung von Läden und Geschäften, 22 Prozent für die Lockerung von Kontaktbeschränkungen, 20 Prozent für Öffnungen bei Sport, Kultur und Freizeit und 15 Prozent für offene Restaurants.

Spahn lehnte es ab, künftig auf eine Zweitimpfung zu verzichten, wie dies mehrere Ministerpräsidenten mit Verweis auf einen bereits guten Schutz der Erstimpfungen gefordert hatten. RKI-Chef Wieler verwies aber darauf, dass man etwa beim Impfstoff AstraZeneca mehr als zwei Monate nach der Erstimpfung mit einem zweiten Schuss warten könne. Der Gesundheitsminister mahnte die Länder erneut, auch die gesamten zur Verfügung stehenden Impfdosen zu verimpfen.

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