ROUNDUP/Trotz Pandemie: US-Präsident Trump greift Briefwahl und die Post an

dpa-AFX · Uhr

WASHINGTON (dpa-AFX) - Im US-Wahlkampf wird die Post wegen einer massiven Zunahme der Zahl der Briefwähler in der Corona-Pandemie immer mehr zum Zankapfel. US-Präsident Donald Trump erwägt drei Monate vor der Wahl offen, der Post die nötigen Mittel vorzuenthalten, um Abermillionen Wahlzettel fristgerecht zu befördern. Demokraten sehen darin einen Versuch des Republikaners, die Wahlbeteiligung zu seinen Gunsten gering zu halten. Zudem gefährde der Republikaner durch sein Bestehen auf Abstimmungen in Wahllokalen inmitten der Pandemie die Gesundheit der Bürger, so die Vorwürfe. Trump wiederum warnt ohne Angabe von Gründen, Briefwahl werde zu massivem Wahlbetrug führen.

Trump bemühte sich, die Vorwürfe zu zerstreuen, dass er mit seinen fast täglichen Angriffen auf die Briefwahl die Wahl beeinflussen wolle. Das bedeute nicht, "dass irgendjemand einem die Stimme wegnimmt", sagte er am Donnerstagabend (Ortszeit) im Weißen Haus. Er wolle, dass die Amerikaner bei der Wahl am 3. November abstimmten, aber "das bedeutet, dass sie zu einem Wahllokal gehen müssten, wie sie es immer getan haben, und abstimmen", sagte Trump. Das stelle trotz der Coronavirus-Pandemie keine Gefahr dar, betonte er.

Die meisten US-Bundesstaaten rechnen wegen der Pandemie mit einer deutlich mehr Briefwählern. Viele Staaten haben es einfacher gemacht, die Wahl per Post zu beantragen. Manche schicken sogar proaktiv Wahlunterlagen an die Bürger. Damit ist plötzlich ein bislang eher strauchelndes Unternehmen in den Mittelpunkt des Wahljahres gerückt: Die amerikanische Post (USPS). Das Unternehmen wird von einem republikanischen Großspender geleitet und kämpft bereits mit Defiziten und Verzögerungen bei den Auslieferungen. Doch ohne eine rechtzeitige Zustellung der Briefwahlunterlagen - die Fristen unterscheiden sich je nach Bundesstaat - könnten schlimmstenfalls Hunderttausende oder noch mehr Stimmzettel unausgezählt bleiben.

Trump droht am Donnerstag allerdings, bei einer Einigung auf ein neues Corona-Hilfspaket mit den Demokraten sein Veto einzulegen, falls dieses Milliarden für die Post enthalten sollte. "Das bedeutet, dass sie (die Demokraten) keine allgemeine Briefwahl bekommen können", sagte Trump dem konservativen Sender Fox Business. Die Demokraten bräuchten dieses Geld, damit die Post "all diese Abermillionen von Stimmzetteln annehmen kann". Das Interview löste heftige Kritik aus - Trump ruderte später wieder etwas zurück.

Die zusätzlichen Milliarden für die Post waren Teil der Verhandlungen mit den Demokraten um ein weiteres Corona-Konjunkturpaket. Die Gespräche waren Ende vergangener Woche allerdings gescheitert und der US-Kongress hat sich in die Sommerpause verabschiedet. Der Post sollten demnach 25 Milliarden US-Dollar zukommen, zudem sollten noch 3,5 Milliarden Dollar speziell für die Briefwahl eingesetzt werden.

Die Corona-Pandemie ist in den USA weiterhin völlig außer Kontrolle. Täglich wurden zuletzt rund 50 000 Neuinfektionen gemeldet. Fast 170 000 Menschen kam nach eine Ansteckung mit dem Erreger ums Leben.

Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, erklärte diese Woche, das reibungslose Funktionieren der Post sei besonders wegen der Corona-Pandemie "entscheidend, um das Leben unserer Demokratie zu schützen". Die für die Durchführung im Bundesstaat Colorado zuständige Demokratin Jena Griswold sagte im Gespräch mit dem Sender CNN, Trumps Versuche, der Post die nötigen Mittel zu verwehren, zielten darauf ab, die Wahlbeteiligung zu senken: "Die sicherste Art, der Stimmabgabe während einer Pandemie zu untergraben, ist eine Unterdrückung der Wahlbeteiligung, und sie zwingt Amerikaner, ihr Leben für die Stimmabgabe zu riskieren."

Trump warnte am Donnerstag auch erneut in drastischen Worten, dass mehr Briefwahl-Abstimmungen zu Wahlbetrug führen werden. "Das wird der größte Betrug in der Geschichte", behauptete er. In Bundesstaaten wie Virginia würden Briefwahlunterlagen an "Tote und Hunde" verschickt, sagte er weiter. Trump hat für seine Betrugsvorwürfe bislang keine stichhaltigen Belege vorgelegt. Experten und selbst viele Republikaner haben Trumps Warnungen zurückgewiesen.

Trump scheint Briefwahl als eine Finte der Demokraten zu betrachten, um ihn mit Hilfe einer höheren Wahlbeteiligung zu schlagen. Experten warnen allerdings, dass Trumps wiederholte Warnungen vor einem Wahlbetrug genutzt werden könnten, um die Rechtmäßigkeit der Abstimmung in Frage zu stellen.

Die Demokraten setzen sich dafür ein, dass die Bundesstaaten wegen der Pandemie möglichst vielen Wählern die Abstimmung per Briefwahl ermöglichen. Weil im November mehr Wahlzettel per Post eingehen dürften, könnte sich die Bekanntgabe des Wahlergebnisses in diesem Jahr nach Ansicht vieler Beobachter deutlich verzögern, was Vorwürfen eines Wahlbetrugs zusätzlichen Rückenwind verschaffen könnte./vtc/DP/stw

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