SAP: Aktie bricht um mehr als 20 Prozent ein, über 25 Milliarden Euro Börsenwert vernichtet – ist das jetzt die Gelegenheit?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Bislang wurde SAP als einer der großen Gewinner der Corona-Pandemie gesehen. Damit ist seit heute erst einmal Schluss. Nach den Geschäftszahlen und einem eingetrübten mittelfristigen Ausblick verbuchten die Papiere der Walldorfer die höchsten Kursverluste seit Jahrzehnten. Die Corona-Pandemie scheint Europas größten Softwarehersteller stärker im Griff zu haben als gedacht. Oder fordert nur der schnellere Umbau seinen Preis?

Wachstum Richtung Kunden

SAP-Chef Christian Klein hat seinen Strategieschwenk hin zu mehr Wachstumsinvestitionen als notwendigen Schritt verteidigt. „Ich opfere den Erfolg unserer Kunden nicht der kurzfristigen Optimierung unserer Marge“, sagte der Vorstandschef des Dax-Konzerns am Montag in einer Telefonkonferenz. Die Kunden fragten verstärkt Software aus der Cloud zur Nutzung über das Internet nach, insofern wäre das Beibehalten der alten Mittelfristziele mit dem Fokus auf die eigene Profitabilität gegen deren Wünsche gewesen, sagte der 40-Jährige. Finanzchef Luka Mucic ergänze, das Management steuere das Unternehmen nicht nach der operativen Marge. „Wir wollen ein Wachstumsunternehmen bleiben“, sagte der Manager.

SAP setzt voll und ganz auf die Cloud

SAP will mit Investitionen in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionenbetrages in den kommenden beiden Jahren noch stärker auf das Wachstum mit Software über das Internet setzen. Nun sollen vor allem bestehende Kunden der SAP-Kernsoftware zur Unternehmenssteuerung hin zu Cloudangeboten bewegt werden. Der geplant schnellere Umstieg von Kunden auf solche Programme wird das bisher in Aussicht gestellte Wachstum der bereinigten operativen Marge (bereinigtes Ebit) auf rund 34 Prozent bis 2023 voraussichtlich deutlich hemmen, wie SAP bereits am Sonntagabend mitgeteilt hatte.

Trotzdem ein überraschender Schritt

Die verfehlte Umsatzprognose und der Rückgang der Marge hat heute die Anleger und Experten schon überrascht und verschreckt. Ein Minus von mehr als 20 Prozent in der Spitze, zeigt das schon deutlich. Allerdings stellt sich nach so einem großen Rücksetzer auch die Frage: Ist das eine Gelegenheit noch einmal günstig an die SAP-Aktie zu kommen? Amazon hat in der Vergangenheit ebenfalls schon öfter zu Gunsten des Wachstums auf die Profitabilität verzichtet. Ein Blick auf den Chart des Internet-Giganten zeigt, dass diese Rücksetzer immer eine Chance waren. Daher könnte ein Einstieg bei SAP heute nicht die schlechteste Idee sein.  Einige Analysten bleiben daher auch bei ihrem positiven Votum für die Aktie.

Mainfirst rät weiterhin zum Kauf

Die Experten der Investment-Bank haben die Einstufung für SAP nach Zahlen und aufgeschobenen Mittelfristzielen auf „Buy“ mit einem Kursziel von 160 Euro belassen. Das dritte Quartal habe mit einem schwachen Umsatz, aber positiven Überraschungen bei der Marge und dem Cashflow ein gemischtes Bild gezeigt, schrieb Analyst Chandramouli Sriraman in einer am Montag vorliegenden Studie. Darüber hinaus habe der Konzern die Ziele für 2023 fallen gelassen. Neue Zielsetzungen für 2025 reflektierten Währungseffekte, die Auswirkungen der Corona-Krise und den verstärkten Fokus auf Cloud-Lösungen.

Berenberg ist überrascht, bleibt aber bei „Buy“

Die Privatbank hat die Einstufung für SAP nach Quartalszahlen und einem neuen Ausblick auf „Buy“ mit einem Kursziel von 148 Euro belassen. Analyst Andrew DeGasperi zeigte sich in einer am Montag vorliegenden Studie vor allem vom gekürzten Umsatzausblick für das Cloud-Geschäft für 2020 überrascht „so kurz vor dem Jahresende“. Auch die Aussagen des Software-Entwicklers für 2023 dürften bei den Investoren nicht gut ankommen.

Goldman belässt SAP sogar auf der „Conviction Buy List“

Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat die Aktie von SAP nach Zahlen zum dritten Quartal auf der „Conviction Buy List“ mit einem Kursziel von 160 Euro belassen. Diese hätten die Erwartungen unterboten, die Erlöse mit Software-Lizenzen hätten die Markterwartung um sieben Prozent verfehlt, schrieb Analyst Mohammed Moawalla in einer am Montag vorliegenden Studie. Auch das Wachstum im Geschäft mit Cloud-Angeboten sei schwächer gewesen als erwartet.

Allerdings sind auch nicht alle Experten weiterhin komplett überzeugt von der „neue“ Startegie der Walldorfer.

Kepler Cheuvreux bleibt bei Hold und senkt das Kursziel

Das Analysehaus  hat das Kursziel für SAP nach Zahlen sowie der Senkung der Jahresziele und der mittelfristigen Aussichten von 128 auf 115 Euro reduziert. Die Einstufung laute aber weiterhin auf „Hold“, schrieb Analyst Laurent Daure in einer am Montag vorliegenden Studie. Der Softwarekonzern habe im dritten Quartal beim Umsatz enttäuscht. Angesichts des noch schnelleren Umstiegs auf Cloud-Software rechnet Daure für die nächsten zwei Jahre mit einer gedämpften Umsatzentwicklung. Der Experte kappte seine Schätzungen für den Gewinn je Aktie im Jahr 2022 um bis zu einem Viertel.

Aktie gehört mindestens auf die Watchlist

Man kann jetzt darüber streiten, ob der Rücksetzer etwas übertrieben ist oder der Anstieg davor. Fakt ist: Die Karten bei den SAP-Papieren werden neu gemischt. Wer langfristig an den Erfolg von Europas größtem Software-Konzern glaubt, für den ist jetzt ein guter Zeitpunkt gekommen, die Aktie mindestens auf die Watchlist zu setzen.

onvista Mahlzeit: Was sollten Anleger jetzt mit der SAP-Aktie machen?

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Von Markus Weingran

Foto: Ken Wolter/shutterstock.com

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