ThyssenKrupp: Umbau auch ohne Chef – Nachfolger weiterhin nicht in Sicht

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Der Industriekonzern treibt die Umstrukturierung seines schwächelnden Anlagenbau- und Marinegeschäfts voran. Aus dem Geschäftsbereich Industrial Solutions soll der Marinebereich herausgelöst und unmittelbar durch ThyssenKrupp geführt werden, wie das Unternehmen am Freitag mitteilte.

Industrial Solutions soll sich nun ganz auf die Restrukturierung im Anlagenbau konzentrieren. Der Geschäftsbereich erhält zudem ein neues Management: Der bisher für das operative Geschäft der Sparte zuständige Marcel Fasswald übernimmt zum 1. Oktober die Leitung. Die Aufgabe wird für ihn etwas leichter, da ThyssenKrupp erst Anfang der Woche einen Großauftrag vermeldet hatte.

Kriselnde Sparte mit guten Nachrichten

Für das ungarische Öl- und Gasunternehmen MOL soll der Konzern einen Chemiekomplex in dessen Heimatland bauen. MOL werde insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro in den neuen Anlagenkomplex investieren, hieß es. Die Anlage soll 2021 in Betrieb gehen und jährlich 200. 000 Tonnen Polyether-Polyol produzieren. Der Großteil der Investitionssumme soll in die Kasse der Essener fließen.

Wegen der anhaltenden Schwäche im Anlagen- und Schiffsbau sowie Problemen bei Großprojekten hatte der Konzern Anfang August seine Prognose senken müssen. Interimschef Guido Kerkhoff kündigte daraufhin einen „tiefgreifenden Umbau“ der Sparte an. Die Aufstellung müsse an die veränderten Marktbedingungen angepasst und die Kosten gesenkt werden, erklärte er damals.

Weitere Umbaumaßnahmen geplant?

In der Vergangenheit wurde mehrfach über eine Trennung vom Schiffbau spekuliert. Bislang hatte ThyssenKrupp Pläne zu einem Ausstieg allerdings dementiert. Diese Entscheidung obliegt sicherlich dem neuen Vorstandsvorsitzenden, sofern die Stelle in naher Zukunft besetzt werden kann.

Nachfolger noch immer nicht in Sicht

Die Posten von Vorstands- und Aufsichtsratschef sind vakant, nachdem Heinrich Hiesinger und Ulrich Lehner vor einigen Monaten kurz hintereinander das Handtuch geworfen hatten. Die Suche nach geeigneten Nachfolgern gestaltet sich für den Essener Industriekonzern schwieriger als wohl angenommen.

Freiwillige bitte vor

„Der Job, den keiner will“, schrieb etwa das Handelsblatt. Jedes neue „Nein“ erhöhe den Frust. „Wer will sich ohne Not da hineinbegeben?“, zitierte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung einen Experten, der auch gleich möglichen Bewerbern dringend von dem Job abriet. „Wenn Hiesinger das nicht geschafft hat, wer soll es dann schaffen?“, hieß es aus Branchenkreisen.

Streitigkeiten vorprogrammiert

Der neue Mann an der Spitze von ThyssenKrupp tritt keine leichte Aufgabe an. Er dürfte sicherlich direkt in die Schusslinie von Cevian und Paul Singer geraten. Die beiden Investoren haben schon den Druck auf Hiesinger hochgehalten, um den Konzernumbau schneller voran zu treiben. Für beide Parteien ist ThyssenKrupp in seinen Einzelteilen wesentlich mehr wert. Hiesinger hatte sich immer gegen diesen Weg gestemmt. Die neue Führungsriege von ThyssenKrupp kann sich daher direkt auf Forderungen bezüglich der Neuausrichtung des Industriekonzerns einstellen.

Analysten scharren mit den Hufen

Langsam aber sicher werden auch die Finanzexperten ungeduldig. Erst mit einem neuen Mann an der Spitze lässt sich die Zukunft von ThyssenKrupp genauer einschätzen. Sollten die vakanten Stellen nicht schnellstens besetzt werden, dann könnten die Analysten anfangen, ihre Aussichten für die Aktie zu senken.

Von Markus Weingran

Foto: ricochet64 / Shutterstock.com

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