Was beim Handelsstreit zwischen den USA und China übersehen wird

Bernd Schmid · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Anfang der Woche hat ein Trump-Tweet die Märkte mal wieder in Angst versetzt. Ab Freitag sollen wohl die Einfuhrzölle auf Waren aus China von 10 % auf 25 % mehr als verdoppelt werden. Dass einige Aktienmärkte deswegen negativ reagieren, ist nachvollziehbar. Allerdings gibt es Dinge, die bei der Diskussion um den Handelsstreit von Anlegern übersehen werden.

Was die Märkte nicht mögen, ist Unsicherheit. Offenbar rechnete man in den letzten Wochen mit einer Annäherung zwischen den USA und China in Sachen Handelsstreit. Der Trump-Tweet scheint diese These nicht zu unterstützen, und so steigt die Unsicherheit wieder und die Märkte reagieren negativ. Eine Beendigung dieses Streites wäre von den Märkten voraussichtlich positiv aufgenommen worden, da einiges an Unsicherheit aufgelöst worden wäre.

Dabei wird jedoch vergessen, dass der internationale Handel ein Nullsummenspiel ist. Zwar würde eine Einigung im Handelsstreit einiges an Unsicherheit aus dem Weg räumen. Es würde deswegen trotzdem nicht mehr Gewinner als Verlierer geben. Voraussichtlich sogar das Gegenteil.

Wenn man zum Beispiel annimmt, dass China sich darauf einlassen würde, den Handelsüberschuss mit den USA abzubauen. Das ginge auf zwei verschiedene Wege: Entweder China würde weniger in die USA exportieren, oder es würde mehr aus den USA importieren. Für die USA wäre Letzteres wünschenswert. Das würde die Nachfrage nach US-Erzeugnissen und Dienstleistungen erhöhen, was positiv für die dortige Wirtschaft wäre.

Die USA würden als Gewinner aus dem Handelsstreit hervorgehen und ein positiver Impuls für die dortigen Aktienmärkte wäre angebracht. Aufgrund des Nullsummenspiels im internationalen Handel muss es jedoch Verlierer geben, wenn es Gewinner gibt. Und wer diese sein dürften, ist relativ klar: Länder, die viel nach China exportieren. Zum Beispiel Deutschland, das im Jahr 2018 Waren im Wert von 93 Milliarden Euro nach China exportierte - mehr als 7 % aller unserer Exporte.

Das hört sich zwar überschaubar an. Trotzdem wäre eine solche Einigung im Handelsstreit nicht gut für ein Land wie Deutschland - oder Brasilien, Japan, Australien und einige andere Länder, die ebenfalls nach China exportieren und deren Güter anstatt aus diesen Ländern in Zukunft eben vermehrt aus den USA nach China geliefert werden können.

Makro-Expertin Juliette Declercq sieht hier vor allem Herausforderungen für Unternehmen aus:

Brasilien, aufgrund von Sojabohnen und Agrargütern

Australien, aufgrund von Gas

der EU, aufgrund von Autos, Flugzeugen und Elektronik

Japan, aufgrund von Autos und Elektronik

Japan, Korea und Taiwan, aufgrund von Elektronik

Also selbst wenn eine Einigung im Handelsstreit positiv von den Märkten aufgenommen würde, könnte sie zum Teil sehr negativ für alle Märkte, außer den USA sein.

Bevor man als Anleger jedoch anfängt, all seine nach China exportierenden Unternehmen zu verkaufen, sollte man sich die Frage stellen, wie gefährlich der Wettbewerb aus den USA wirklich ist. Viele Unternehmen haben aufgrund ihrer Marken bzw. hervorragenden Positionierung ihrer Produkte eine so gute Stellung beim Verbraucher oder Unternehmen, dass diese auch weiterhin einen gewissen Aufpreis für die Qualität bereit sein werden zu zahlen – vielleicht sogar zahlen müssen.

Das ist der Vorteil, wenn man in großartige Unternehmen mit echten Burggräben investiert. Man muss sich über Politik in der Regel nicht viele Gedanken machen. Stattdessen kann man diese Unternehmen einfach ihre Arbeit machen lassen und die hohen Renditen genießen, die sie über lange Zeiträume für uns erwirtschaften.

Schwerer könnte es bei Unternehmen oder Produkten werden, die wenig differenziert im Markt sind – noch mehr, wenn man nicht direkt an Verbraucher, sondern an chinesische Unternehmen vertreibt. Letztere könnten vom chinesischen Staat direkter beeinflusst werden. “Unser” Europäischer Flugzeugbauer könnte ein Beispiel dafür sein – wobei der große US Amerikanische Konkurrent in den letzten Wochen mit seinen Schlagzeilen nicht unbedingt für die Überlegenheit seiner Produkte bekannt geworden sein dürfte.

Für langfristig orientierte Anleger würde ich die Sinnhaftigkeit einer Investition in solche Unternehmen, also ohne wirklichen wirtschaftlichen Burggraben oder nachhaltigen Vorteil gegenüber Wettbewerbern allerdings sowieso in Frage stellen. Denn dann muss man sich tatsächlich über viele äußere Umstände Gedanken machen.

Trotzdem sollte man Entwicklungen wie diesen Handelsstreit ernst nehmen und die möglichen Auswirkungen einer eventuellen Einigung seine eigenen Gedanken machen. Die oft oberflächliche Reaktion der Märkte könnte über die eigentlichen Auswirkungen nämlich sehr hinweg täuschen.

Titelfoto: Avigator Fortuner / Shutterstock.com

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