Wie die Aufseher S&K gewähren ließen

HANDELSBLATT · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Auf den Urlaubsbildern aus Dubai wirkt Jonas Köller mit seiner blonden Freundin noch ganz entspannt. Die sehr persönlichen Bilder zeigen einen jungen Mann in Urlaubsstimmung, turtelnd mit einer Blondine: Ein junges Liebespaar, sich küssend im Museum, in Badesachen an einem traumhaften Strand, richtig schick bei einem Glas Wein im Restaurant. Köller wirkt gelöst und sorgenfrei.

Solche Bilder sind vielleicht die letzten Zeugnisse des Luxuslebens der ehemaligen S&K-Chefs. Ein Leben auf der Überholspur, scheinbar naiv und sorgenfrei und doch auf Sand gebaut. Denn nach den Aufnahmen endete der Traum vom sagenhaften Luxus auf Kosten anderer abrupt.

Köller und Kollegen verursachten einen der größten Anlegerskandale der Nachkriegsgeschichte. Laut Staatsanwaltschaft Frankfurt werden knapp hundert Personen beschuldigt, rund 12.000 Fondsanleger seien betroffen, der Schaden soll bei rund 200 Millionen Euro liegen.

Angesichts des Ausmaßes des Skandals stellt sich die Frage, warum die S&K-Chefs Anleger so lange hinters Licht führen durften, ohne dass es auffiel - ohne dass Ermittler, Finanzaufseher oder schlicht die Polizei eingriff. Nach Informationen von Handelsblatt Online hätte zumindest die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) schon vor Jahren misstrauisch werden können. Sie schritt aber nicht ein. Die Folge: Anleger investierten weiter in die S&K-Fonds und bangen jetzt um ihr Geld.

Mehr als ein Jahr ist es jetzt her, dass die Frankfurter Staatsanwaltschaft in einer bundesweiten Razzia Köller, Stephan Schäfer und Kollegen fest nahm. Seitdem sitzen die ehemaligen S&K Chefs und fünf weitere Komplizen in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft zeigt sich optimistisch, dass die Haftzeit auch nach dem nächsten Prüfungstermin am 22. März fortdauert.

„Ausschweifender und luxuriöser Lebensstil“

Die Ermittlungen wegen „banden- und gewerbsmäßigen Betruges mit Kapitalanlagen, Untreue und weiterer Straftaten“ ziehen sich in die Länge. Nach Angaben einer Sprecherin brauchen die Ankläger noch mindestens „einige Monate“. Bis zu 10.000 Computer, Datenträger und Aktenordner sind als Beweismittel sichergestellt worden. Laut internen Unterlagen gab es ein Firmengeflecht von 53 Unternehmen mit teils ständig wechselnden Anteilseignern und Managern. Das Organigramm umfasst 210 Positionen.

Ob die geprellten Anleger wieder an ihr Geld kommen, steht in den Sternen. „Geschädigte benötigen einen zivilrechtlichen Titel, damit sie ihre berechtigten Ansprüche realisieren können“, sagt Marc Gericke, Rechtsanwalt der Siegburger Kanzlei Göddecke, die rund hundert S&K-Geschädigte vertritt. Wieviel von den eingezahlten Beträgen dann noch übrig ist, wird sich zeigen.

In dem Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main über dem „dinglichen Arrest“ der eine Zwangsvollstreckung in Höhe von 28,2 Millionen Euro bei sieben S+K Unternehmen absichern soll, heißt es: „Die auf diese Weise erlangten Gelder verbrauchten die Beschuldigten Schäfer und Köller im Wesentlichen für eigene Zwecke, insbesondere indem sie einen ausschweifenden und luxuriösen Lebensstil pflegten. Dazu gehörten jährliche Gehaltszahlungen von ca. 6.000.000 Euro alleine am Hauptsitz der S&K-Gruppe, ein Fuhrpark mit zahlreichen hochwertigen Fahrzeugen, teure Uhren im Wert von bis zu 100.000 Euro pro Uhr, ein Box-Spring-Bett für 70.000 Euro, ein Wassertherapiebecken für den Hund des beschuldigten Schäfer für 20.000 Euro, Partys mit zahlreichen gegen Gage auftretenden Prominenten und Prostituierten, teure Reisen und Geschenke und vieles mehr“.

Bei S&K bestehe der Verdacht auf ein betrügerisches Schneeballsystem, steht in dem von einer Richterin unterzeichneten Schreiben. Es gehe um „Bandenmäßigen Betrug“, Firmen wurden gekauft, um an Liquidität zu kommen, in Telefonaten soll das „Verschieben“ von Geldern besprochen worden sein. „Eine Trennung zwischen den jeweiligen Gesellschaftervermögen und der eigenen Vermögenssphäre wurde nicht vorgenommen“, heißt es in der Arrestanordnung in das Vermögen. „Vielmehr wurde Geschäftsvermögen systematisch in privat gehaltene Gesellschaften verschoben“.

Jonas Köller will sich nicht zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft äußern. Stephan Schäfer war für eine Stellungnahme bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.

Nach Informationen von Handelsblatt Online hätte die Bafin allerdings misstrauisch werden können, lange bevor die Staatsanwälte losschlugen. Denn S&K sammelte bis Dezember 2010 Geld von den Kunden über den Ankauf von Versicherungsverträgen, zum Beispiel Lebenspolicen ein. Gebrauchte Policen wurden den Kunden abgekauft, teils weit über dem tatsächlichen Wert. In einem Vertrag der zur S&K-Gruppe gehörenden Real Estate Value GmbH bietet das Unternehmen den Kunden die Auszahlung des Vertrages auch über einen längeren Zeitraum – in diesem Falle „nach acht Jahren in 192 gleichbleibenden monatlichen Raten“.

Die Bafin hätte misstrauisch werden können

Genau solche Geschäfte, bei denen ein Unternehmen die Rückzahlung der Einlagen ohne Wenn und Aber zusagt, sind aufsichtspflichtig. „Das ist dann ein klassisches Einlagengeschäft und benötigt eine entsprechende Erlaubnis der Bafin“, sagt Anwalt Gericke. „Nur wenn eine entsprechende Klausel im Kaufvertrag festlegt, dass die Auszahlung keine Zahlungsunfähigkeit nach sich zieht und die Anleger im Falle einer Insolvenz erst nach allen anderen Gläubigern bedient werden, bedarf es keiner Erlaubnis“. Dann ist die Rückzahlung des Kundengeldes an den Erfolg des Unternehmens geknüpft und das Geschäft bedarf keiner bankrechtlichen Genehmigung der Bafin.

S&K patzte aber beim klein Gedruckten. Im Vertrag findet sich keine taugliche Ausgestaltung dieser so genannten „Rangrücktritts“. Die wurde erst in späteren Vertragsgenerationen eingefügt. Die Bafin teilt daher in einem abgestempelten Schreiben vom 26. Juni vergangenen Jahres mit, dass „die S&K Real Estate Value keine Erlaubnis zum Betreiben des Einlagengeschäfts … besitzt oder besaß“. Der Bafin-Mitarbeiter erklärt weiter: „Eine solche Erlaubnis hätte das Unternehmen nach meiner Rechtsauffassung benötigt, um den mir vorgelegten Vertrag… abzuschließen“.

Die Bafin wusste schon Jahre vor dieser Auskunft, dass sich S&K in dem Geschäft tummelt. „Das Geschäftsmodell der S&K-Gruppe „Kauf gebrauchter Lebensversicherungen“ durch ein Unternehmen der Gruppe ist der Bafin seit Mai 2010 bekannt“, sagt ein Sprecher der Behörde. Denn bereits 2010 hatte die Bafin der S&K Sachwert Vertriebs AG, die später in Pecunia Concept AG umfirmiert wurde, genau wegen eines solchen unerlaubten Bankgeschäftes den Geschäftsbetrieb untersagt und die Abwicklung angeordnet. Die Gesellschaft meldete später Insolvenz an. „So sollte eine möglichst große Breitenwirkung auf andere Anbieter erzielt werden“, erklärt der Sprecher der Bafin.

In der Praxis blieb Pekunia aber ein Sonderfall. Denn gegen andere S&K-Unternehmen ging die Bafin nicht vor, auch weil die S&K-Unternehmensgruppe im Jahre 2010 mitteilte, dass man das Geschäft mit dem Ankauf von Lebensversicherungen nicht weiter betreiben wolle. Warum die Bafin nicht auch gegen die verbliebenen Gesellschaften im Jahre 2010 vorgegangen ist, ist unklar. Für die Bafin hatte es mit der Mitteilung von S&K im Jahre 2010, dieses Geschäft nicht mehr betreiben zu wollen, offensichtlich sein Bewenden.

„Obwohl über die Frage, ob diese Konstellation als Einlagengeschäft zu beurteilen ist, bis heute kein rechtskräftiges Urteil vorliegt und nach wie vor ein erhebliches Rechtsrisiko für die Bafin besteht, haben viele Anbieter reagiert und gleichartige Anlageangebote eingestellt“, sagt die Bafin. Für ein Einschreiten mit dem Ziel, neue Vertragsabschlüsse zu verhindern, bestand aus Behördensicht daher kein Anlass. Warum der Bafin-Mitarbeiter in dem Handelsblatt Online vorliegenden Schreiben anders urteilte, bleibt unklar.

Die Bafin hätte es wissen können

Spätestens im Jahre 2012 hätte die Bafin dann aber misstrauisch werden müssen. Zu diesem Zeitpunkt gab es klare Anhaltspunkte, dass es eine Verbindung zwischen dem unlauteren Lebenspolicen-Geschäft und den geschlossenen Immobilienfonds gab, bei denen die Anleger jetzt um ihre Einlagen bangen. der Beweis liegt bei einem Offenbacher Notar. Dort bestätigt der damalige Geschäftsführer Stephan Schäfer schriftlich in einer so genannten Patronatserklärung, dass die S&K-Holding „uneingeschränkt verpflichtet“ sei, die Gesellschaften S&K Immobilienhandels GmbH, S&K Sachwert AG und S&K Real Estate Value GmbH finanziell „uneingeschränkt“ auszustatten, dass sie die „Kaufpreise an die Lebensversicherungsverkäufer erfüllen können“. Damit war klar, dass das laut Bafin unlautere Lebensversicherungsgeschäft und die geschlossenen Fonds zusammenhingen.

Wie das in der Praxis funktionierte, lässt sich am Beispiel des Fonds Deutsche S&K Sachwerte Nr.2 GmbH & Co. KG rekonstruieren (siehe Kasten).

„Es war also möglich, dass Geld von den Fondsanlegern über die geschlossen Beteiligung in das alte Lebensversicherungsgeschäft der S&K-Unternehmensgruppe floss“, sagt Gericke. Die Bafin prüfte 2012 den Prospekt der Beteiligung Deutsche S&K Sachwerte Nr. 2, wie im Prospekt deutlich sichtbar auf der dritten Seite vermerkt wurde. Spätestens ab Seite 17 hätten die Prospektprüfer hellhörig werden können. Dort steht: „ Zur S&K Gruppe gehören unter anderem auch die S&K Real Estate Value GmbH, S&K Immobilienhandels GmbH und die S&K Sachwert AG, die bisher Lebensversicherungen gekauft haben.

Die Kaufpreiszahlung wurde jeweils teilweise oder ganz für mehrere Jahre (meist 8 Jahre) gestundet.“ Weiter heißt es: „Die den Verkäufern der Lebensversicherungen gegenüber bestehenden Zahlungsverpflichtungen betreffen daher über die S&K Holding GmbH wirtschaftlich betrachtet alle zur S&K Unternehmensgruppe gehörenden Unternehmen.“

Wenn die Bafin also eins und eins zusammengezählt hätte, hätte sie wissen können, dass S&K Anlegergelder in ein Geschäft schleusen kann, für das die S&K-Unternehmensgruppe laut Bafin „keine Erlaubnis zum Betreiben“ hatte. „Bei einer aufmerksamen Prüfung hätte die Bafin misstrauisch werden müssen“, sagt Gericke. Wenn die Bafin 2010 den drei Gesellschaften, den Ankauf von Lebensversicherungen untersagt beziehungsweise deren Rückabwicklung angeordnet hätte, hätte der Anlegerskandal vielleicht nie die Dimension erreicht, die er jetzt angenommen hat. Spätestens seit 2012 kannte die Bafin die drei Lebensversicherungsaufkäufer und hätte einschreiten können.

„Bafin lässt die Anleger ins Messer laufen“

Über die Gründe, warum die Bafin nicht reagierte, lässt sich nur spekulieren. Die mangelnde Sorgfalt könnte in der internen Struktur der Bafin liegen. Die Prospektprüfung sitzt in Frankfurt. Die „Abteilung Erlaubnispflicht und Verfolgung unerlaubter Geschäfte“ dagegen in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn. Mangelt es an Absprache zwischen den Behördenteilen? Die Bafin erklärt: „Eine Untersagung beziehungsweise Abwicklung der Geschäfte wäre mit einem erheblichen Rechts- und Schadenersatzrisiko verbunden gewesen“.

Die Behörde selbst gibt auf weitere Nachfrage von Handelsblatt Online noch eine Antwort, die bei vielen betroffenen Anlegern für eine Gänsehaut sorgen dürfte. „Ab Frühjahr 2012 kam ein Einschreiten der Bafin überdies nicht mehr in Betracht, weil ab diesem Zeitpunkt die Staatsanwaltschaft darum gebeten hatte, nicht an die S&K-Gruppe heranzutreten, um die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht zu gefährden“.

Die Antwort wirft neue Fragen auf. Hat die Bafin wissentlich Anleger ins Messer laufen lassen? Die Staatsanwaltschaft führte erst im Februar 2013, also knapp ein Jahr später die Razzia durch, die das Ende von S&K einleitete.

Noch Ende Januar 2012 wurde der Fonds Deutsche Sachwerte Nr. 2 GmbH & Co. KG aufgelegt. In dem Fonds sammelten sich bis zum Ende laut Staatsanwaltschaft 28,2 Millionen Euro an. „Wenn die Bafin aus Rücksicht auf die Staatsanwälte nicht einschritt, dann hat sie die zumindest die Anleger dieses Fonds ins Messer laufen lassen“, sagt Gericke. Die Bafin prüfte im Januar 2012 den Prospekt. Noch bis Januar 2013 investierten Privatanleger in den Fonds.

S&K ist nicht der einzige Fall, in dem das Verhalten der Bafin Fragen aufwirft. Erst vor knapp einem Monat veröffentlichte das Handelsblatt einen Briefwechsel der Behörde mit Prokon. Das Windkraftunternehmen hatte seine Windparks damals mit geschlossenen Fonds finanziert. Den Anlegern wurden dafür feste Ausschüttungen für jedes Jahr zugesichert, unabhängig von der jeweiligen Ertragslage der Fonds.

Die Bafin monierte ein bankähnliches Geschäft und verlangte die Auflösung der alten Fonds. Doch Prokon fehlte das Geld für die Auszahlung der Fonds-Kommanditisten. Neue Kredite sollten jetzt von einer Zwischengesellschaft kommen, die bereits frisches Kapital über nachrangige Genussrechte eingesammelt hatte.

„Die Bafin hat ihre Erkenntnisse nicht offengelegt“

Kein Problem für die Bafin: In einem Brief an Prokon störte sich die Aufsicht nicht daran, dass nun Anlegerkapital für fragwürdige Kredite auf bereits verpfändete Windparks herhalten sollte. Die Aufsicht wollte nur die „Gewähr“, dass die alten Fonds „in der beabsichtigten Zeit abgewickelt werden“, also dass das frische Anlegergeld auch rasch genug eingesammelt wird. „Die Bafin hatte hier offenbar frühzeitig Kenntnis von Zahlungsschwierigkeiten der Prokon“, sagt Gerhart Baum, Bundesinnenminister a. D., heute Partner der auf Anlegerschutz spezialisierten Kanzlei Baum Reiter & Collegen in Düsseldorf.

Die Bafin hätte laut Baum erkennen können, dass die neuen Anleger mit ihren Genussrechten in ein großes Risiko laufen. „Diese Erkenntnisse hat sie nicht offengelegt. Stattdessen hat sie die Anleger in ein offenes Messer rennen lassen“, sagt Baum. „Von einer Finanzaufsicht, die auch aus Steuergeldern bezahlt wird, erwartet der Bürger zu Recht eine aktive Rolle zum Schutz seiner Investitionen“.

Trotz aller Kritik an der Behörde, letztlich hängt es an der Regierung, wie leistungsstark ihre Finanzaufsicht private Geldanleger schützt. „Die Bafin muss endlich mit den nötigen Mitteln, Personal und Handhabe ausgestattet werden, damit sie wirkungsvoll arbeiten kann“, sagt Anlegeranwalt Gericke.

Ob die neue Regierung mit Anlegerschutz Ernst macht, wird sich zeigen. Im Koalitionsvertrag steht, dass die Bafin in Zukunft die Möglichkeit haben soll „den Vertrieb komplexer und intransparenter Finanzprodukte zu beschränken oder zu verbieten, sofern diese die Finanzmarktstabilität gefährden oder unverhältnismäßige Risiken für Anleger bergen. Sie erhält den kollektiven Schutz der Verbraucher als wichtiges Ziel ihrer Aufsichtstätigkeit“. An diesen Aussagen werden sich die Koalitionäre spätestens beim nächsten Anlegerskandal messen lassen müssen.

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