Wirtschaft schrumpft 2020 "dramatisch" - Altmaier erwartet 2021 spürbare Erholung

Reuters · Uhr

- von Klaus Lauer und Reinhard Becker

Berlin (Reuters) - Die deutsche Wirtschaft ist 2020 wegen der Corona-Pandemie so stark eingebrochen wie seit der Finanzkrise nicht mehr.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte um 5,0 Prozent und damit erstmals seit elf Jahren, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Die Exporte brachen massiv ein, die Firmen kappten ihre Investitionen kräftig und die Verbraucher senkten ihre Ausgaben so stark wie noch nie. Nur der Staatskonsum samt Konjunkturpaket und der Bau legten zu und "verhinderten damit einen noch stärkeren Einbruch der Wirtschaftsleistung", erklärte Statistikamtspräsident Georg Thiel. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sagte, die Wirtschaft werde sich in diesem Jahr wohl nicht so stark erholen wie bisher erhofft. "Aber insgesamt bin ich fest davon überzeugt, dass das Wachstum deutlich und spürbar sein wird."

Die Bundesregierung hat bislang für 2021 ein BIP-Plus von 4,4 Prozent prognostiziert und legt noch im Januar eine neue Schätzung vor. Die Koalition werde alles dafür tun, dass es "ein Jahr des Aufschwungs wird", betonte Altmaier. Die zuletzt verschärfte Pandemie könne die Erholung nicht verhindern, aber teilweise verzögern. Nach Stagnation zum Jahresende erwarten Ökonomen 2021 ein Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent oder mehr.

"Das ist eine dramatisch hohe Zahl", sagte Altmaier zum Minus im vergangenen Jahr. Einen stärkeren Konjunktureinbruch hatte es zuletzt 2009 mit damals 5,7 Prozent gegeben, 2019 stieg das BIP noch um 0,6 Prozent. Der Kampf gegen die Corona-Krise riss erstmals seit acht Jahren auch ein tiefes Loch in die deutsche Staatskasse. Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen nahmen 158,2 Milliarden Euro weniger ein als sie ausgaben. Dies entspricht einem Defizit von 4,8 Prozent der Wirtschaftskraft und ist damit nach 1995 das zweithöchste Defizit seit der Vereinigung.

Deutschland kam dem Statistikamt zufolge deutlich besser durch die Rezession "als die meisten anderen europäischen Staaten". So dürfte es die Konjunktur in Frankreich und Italien mit Einbrüchen von voraussichtlich über neun Prozent wesentlich härter getroffen haben. Spanien drohe laut Herbstprognose der EU-Kommission sogar ein BIP-Rückgang um 12,4 Prozent.

WIRTSCHAFT TRAT ENDE 2020 WOHL AUF DER STELLE

Im vergangenen Jahr sorgten Maßnahmen zur Virus-Eindämmung für massive Einbrüche etwa in der Luftfahrt, im Tourismus und im Gastgewerbe. Aber auch die Messebranche und viele andere Wirtschaftszweige gerieten in einen Abwärtsstrudel. Im Frühjahr verhängte die Politik den ersten Lockdown und seit November gibt es erneut Einschränkungen, die den Aufschwung bremsen. "Eigentlich ein Katastrophenjahr - aber gemessen an den zwischenzeitlichen Befürchtungen könnte man sagen, dass wir noch glimpflich davon gekommen sind", so LBBW-Chefökonom Uwe Burkert. Der BIP-Einbruch sei der "zweitstärkste seit Bestehen der Bundesrepublik", sagte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib.

"Das Beste an der Dramazahl ist, dass die Wirtschaft Ende 2020 wohl mindestens mit einer schwarzen Null davongekommen ist", sagte Alexander Krüger, Chefökonom vom Bankhaus Lampe. Im vierten Quartal stagnierte die Wirtschaft nach einer ersten Schätzung der Statistiker. Die Konjunktur sei durch den zweiten Lockdown zum Jahresende "offenbar weniger hart getroffen" worden als durch den ersten Lockdown im Frühjahr. Das BIP war damals so stark eingebrochen wie nie, dann aber im Sommer in Rekordtempo gestiegen. Im Gesamtjahr schrumpften die Exporte um 9,9 Prozent und die Firmen investierten 12,5 Prozent weniger in Maschinen und Anlagen. Auch die Verbraucher gaben sechs Prozent weniger aus. Einzig der Staatskonsum mit plus 3,4 Prozent und die Bauinvestitionen mit plus 1,5 Prozent sorgten für Schwung.

"WER WÜRDE NICHT MAL WIEDER GERNE ZUM FRISEUR GEHEN?"

Entscheidend für 2021 dürfte sein, wie sich das Impfen entwickelt und ob Lockerungen der Corona-Maßnahmen für weniger Unsicherheit bei Firmen und Verbrauchern sorgen. Das Münchner Ifo-Institut geht davon aus, dass die Wirtschaft nach einem Rückgang um 0,1 Prozent Ende 2020 im ersten Quartal um 0,5 Prozent anzieht. Die Kieler IfW-Forscher erwarten zwar einen schwachen Jahresauftakt, aber ihr Konjunkturchef Stefan Kooths sagte: "Halten die Impfstoffe, was sie versprechen, wird die Wirtschaftsleistung ab dem Frühjahr im Zuge der dann möglichen Lockerungen kräftig anziehen."

Statistikamt-Experte Albert Braakmann rechnet damit, dass - auch bei einem Lockdown bis April - anschließend eine ähnlich starke Erholung wie nach dem Lockdown im Frühjahr 2020 möglich sei. Verbraucher könnten dann auch dank der Rekordsparquote von 16,3 Prozent ihren Konsum wieder deutlich steigern. "Wer würde nicht mal wieder gerne zum Friseur gehen?"

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