Der neue Bretton-Woods-Moment ist angekündigt und der Mainstream schweigt

Bernd Schmid · Uhr

Ich werde in Zukunft auch wieder öfter über Aktien sowie die Aktienmärkte schreiben und wie man aus meiner Sicht besser darin investieren kann. In letzter Zeit passieren nur so viele andere Dinge, die viel größere wirtschaftliche Auswirkungen auf uns alle haben werden und über die nicht ausgewogen berichtet wird.

Das jüngste Beispiel: Vor genau zwei Wochen schrieb die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) Kristalina Georgieva, dass wir genau jetzt vor einem neuen „Bretton Woods Moment“ stehen.

Berichtet wurde darüber wenig. Dabei könnten die Auswirkungen umso größer sein. Insbesondere im Kontext des „großen Neustarts“, den das World Economic Forum vorhat, durchzuziehen.

Man kann das als positiv oder negativ sehen. Eines ist klar: Solch enorme Verwerfungen bringen immer auch große Chancen mit sich. Die sind nur nicht immer dort, wo man sie haben möchte.

Was war eigentlich Bretton Woods noch einmal?

Bis vor dem Krieg basierten die meisten Währungen auf einem Goldstandard. Von diesem verabschiedeten sich jedoch einige (die meisten?), da damit die Ausgaben für den Krieg niemals hätten gestemmt werden können.

Aus diesem Grund kamen im Jahr 1944 Delegationen aus 44 Ländern in Bretton Woods in den USA zusammen, um über die Zukunft des Währungssystems zu sprechen.

Am Ende stand praktisch die Einführung des Dollars als Weltreservewährung. Man einigte sich darauf, dass die einzelnen Währungen nicht mehr zu einem festen Kurs in Gold getauscht werden konnten. Stattdessen verständigte man sich darauf, diese anderen Währungen zu einem festen Kurs jederzeit in US-Dollar tauschen zu können. Der US-Dollar wiederum sollte zu einem garantierten Kurs von 35 US-Dollar je Feinunze in Gold getauscht werden können.

Wie lange das gut ging, das wissen wir heute. Was man weniger weiß, ist, dass meines Wissens nach die Einführung dieses Dollar-Standards eigentlich durch die Hintertür erfolgte. Die Referenzen dazu muss ich noch einmal recherchieren, das ist einen separaten Artikel wert – aber auch nicht das Thema von heute.

Was meint Georgieva mit dem „neuen Bretton Woods“?

In jedem Fall spricht die Chefin des IWF – der übrigens zusammen mit der Weltbank als neue Institution aus Bretton Woods hervorging – davon, dass wir vor einem neuen Bretton-Woods-Moment stehen. Sie sieht die Auswirkungen der Coronakrise ähnlich wie die Auswirkungen des zweiten Weltkriegs – viele verlorene Menschenleben und eine eine heftige Wirtschaftskrise, die überdurchschnittlich viele unter uns in die Armut stürzen wird.

Den ersten Vergleich halte ich für verwerflich. Was die Menschheit aktuell in Sachen Gesundheit und Tod aufgrund von Corona durchmacht, kann man niemals auf eine Stufe damit stellen, was die Generationen unserer Eltern und Großeltern im zweiten Weltkrieg durchgemacht haben.

Bei den anderen Punkten kann man ihr meiner Meinung nach leider nur zustimmen. Die von den Regierungen weltweit ergriffenen Maßnahmen dürften zu enormen wirtschaftlichen Verwerfungen führen, die wir ab 2021 anfangen werden zu spüren. Dazu gehören die Auswirkungen der weltweit heiß laufenden Gelddruckmaschinen in einem noch nie da gewesenen Ausmaß.

So etwas wie ein „neues Bretton Woods“ ist daher wohl unabdingbar. Sie hat auch eine gewisse Vorstellung, wie das aussehen soll. Sie spricht unter anderem von noch stärkeren Institutionen, Geschlechtergleichheit oder – das darf natürlich nicht fehlen – Klimawandel.

Nur von einer Sache spricht die Chefin des internationalen Währungsfonds nicht: Währungen. Genau dort sehe ich jedoch die besten Chancen für uns Kleinanleger – zumindest abseits der Aktien, die von all den neuen Trends beziehungsweise beschleunigten alten Trends profitieren können. Aber damit befassen wir uns ja in unseren Diensten.

Wie wir von den kommenden Verwerfungen profitieren können

Fiatwährungen hatten bis jetzt immer eine limitierte Lebensspanne. Und die jetzigen Fiatwährungen sind bereits in die Jahre gekommen. Es ist fast genau ein halbes Jahrhundert her, als der damalige US-Präsident Richard Nixon das Bretton-Woods-Abkommen verletzte, indem er einseitig erklärte, dass man die US-Dollar-Währung nicht mehr in Gold eintauschen würde.

Die Frage ist jetzt: Was kommt als nächstes. Eine Antwort werden digitale Zentralbankwährungen sein. Darüber habe ich letzte Woche geschrieben. Spannender für uns Anleger sind jedoch ganz andere Währungen – nämlich die, die nicht von einem Staat ausgegeben werden. Zum Beispiel Gold. Ich denke, dass das Edelmetall eine Renaissance erleben wird.

Es gibt allerdings etwas noch Spannenderes: Bitcoin, beziehungsweise Kryptowährungen im Allgemeinen. Es hat mich beeindruckt, wie Bitcoin den Zusammenbruch Ende 2017 überstanden hat und zurückgekommen ist. Für mich ist das ein klares Zeichen: Kryptowährungen sind gekommen, um zu bleiben.

Besonders Bitcoin selbst erlebt gerade einen ganz frischen Aufwind. Unter anderem preist der legendäre Investor Paul Tudor Jones Bitcoin als Wertspeicher. Außerdem haben Unternehmen wie MicroStrategy und Square einen Teil ihrer Barreserven in Bitcoin angelegt (im Falle von MicroStrategy sogar fast alles, mehrere hundert Millionen US-Dollar). Und jüngst kam PayPal um die Ecke mit der Neuigkeit, dass man jetzt auch den Kauf und Verkauf von Bitcoin über die Plattform ermöglicht.

Ich denke ebenfalls, dass hier eine ganz besondere Investitionsgelegenheit besteht. Ex-Hedgefonds-Manager Raoul Pal sieht in Bitcoin sogar eine ganz einzigartige Investitionsgelegenheit für Kleinanleger: Er betrachtet Bitcoin als einen Weg für den einfachen Menschen, mit überschaubarem Risiko an Wohlstand zu kommen, wenn man heute in Bitcoin investiert (und dann die praktisch garantierte Volatilität aushält). Er sieht eine Möglichkeit, dass ein Bitcoin in fünf Jahren 1 Mio. US Dollar wert sein kann, was fast einer Verhundertfachung entspräche.

Es gibt im Bereich der Kryptowährungen auch außerhalb von Bitcoin große Chancen. Ein Nachteil von Bitcoin ist, dass jeder Mensch zu jeder Zeit jede einzelne Bitcoin-Transaktion nachvollziehen kann. Kennt man zum Beispiel einmal die zu einem Menschen zugehörige Bitcoin Adresse(n), sind alle seine Bitcoin-Transaktionen für alle Ewigkeit offengelegt.

Alleine aus diesem Grund ist Bitcoin kein guter Bargeldersatz. Immerhin ist der größte Vorteil von Bargeld, dass man nicht überwachen kann, was wir damit kaufen. Darum steht Bargeld auch für eine gewisse Freiheit. Ist das Bargeld jedoch erst einmal durch digitale Zentralbankwährungen ersetzt, gibt es diese Freiheit nicht mehr.

Das stimmt nicht ganz. Denn es gibt hundert Prozent anonyme Kryptowährungen wie zum Beispiel Monero. Wer also große Stücke auf die Freiheit hält, die einem Bargeld gibt, und gleichzeitig glaubt, dass die Menschen diese Freiheit nicht komplett abgeben wollen, der hat ebenfalls die Möglichkeit durch den Kauf von anderen Kryptowährungen, davon zu profitieren.

Zu guter Letzt gibt es noch ganz andere Kryptowährungen, die eigentlich gar keine Währungen sind. Ich denke dabei an Blockchains wie Ethereum. Ohne hier auf die Details einzugehen: Auf einer Blockchain wie Ethereum werden Anwendungen ermöglicht, die praktisch die Mittelsmänner unserer Finanzmärkte durch Software ersetzen können – viele Funktionen, die heute Versicherungen, Banken, Börsen und so weiter ausführen, könnten in Zukunft dezentral von einer Blockchain ausgeführt werden.

Ich glaube, man kann heute noch gar nicht erahnen, was hiermit alles ermöglicht wird. Ähnlich wie man zu Beginn des Internets in den 1990er Jahren wahrscheinlich kaum erahnen konnte, was heute durch Facebook, Google, Amazon und Co machbar gemacht wurde.

Was mich in dieser Hinsicht jedoch am meisten begeistert: Aus Investorensicht wird dieser Blockchainmarkt noch komplett stiefmütterlich behandelt. Nur zwei Beispiele zeigen, wie enorm ineffizient dieser Markt ist:

Ethereum hat aktuell eine Marktkapitalisierung von rund 50 Milliarden US-Dollar. Die konkurrierende Blockchain EOS ist gerade einmal ein Zwanzigstel davon wert – rund 2,5 Milliarden US-Dollar. Dabei gibt es durchaus gute Argumente dafür, dass EOS eine viel bessere Zukunft bevorstehen könnte als Ethereum, wie zum Beispiel, dass EOS schneller und günstiger ist.

Ähnlich dazu: Es gibt einen auf der Ethereum-Blockchain laufenden Service namens Chainlink. Dieser ermöglicht es, Daten auf der Ethereum-Blockchain zur Verfügung zu stellen, die selbst gar nicht aus der Blockchain kommen – wie zum Beispiel Wetterdaten. Einen solchen Service nennt man Orakel. Eine ähnliche Orakel-Anwendung gibt es auf EOS unter dem Namen LiquidApps. Nur das Liquidapps noch mehr kann als Chainlink und schon weiter entwickelt scheint. Die Marktkapitalisierung dieser beiden lässt jedoch genau das Gegenteil vermuten: Chainlink ist laut coinmarketcap.com rund 5 Milliarden US-Dollar wert. LiquidApps hingegen gerade einmal 12 Millionen US-Dollar.

Solche unfassbaren Diskrepanzen sind ein Paradies für fundamental und langfristig orientierte Anleger wie uns Motley Fools.

Fazit:

In den kommenden Monaten wird uns voraussichtlich einiges an wirtschaftlichen und monetären Verwerfungen bevorstehen. Wer sich heute bereits darauf einstellt, dem winken tolle Chancen. Besonders im Bereich der Kryptowährungen sehe ich enormes Potential, genau von diesen Veränderungen zu profitieren.

Das Schöne daran ist: Man wettet dabei nicht auf den Untergang von irgendetwas, wie man es zum Beispiel durch den Leerverkauf von Aktien tun könnte, durch den man möglicherweise auch profitieren könnte. Stattdessen setzt man auf Innovation und Optimismus.

Paul Tudor Jones hat das ganz wunderbar folgendermaßen zusammengefasst, als er über Bitcoin sagte: Ich habe noch nie einen Wertspeicher gesehen, hinter dem auch so viel großartiges intellektuelles Kapital steckt. [Mit Bitcoin setzt man auf den Einfallsreichtum der Menschheit.]

Ich finde, es gibt kaum etwas Foolisheres als das.

Offenlegung: Bernd Schmid besitzt Aktien von Facebook. John Mackey, CEO von Whole Foods Market, einer Tochtergesellschaft von Amazon, ist Mitglied des Vorstands von The Motley Fool. Suzanne Frey, eine Führungskraft bei Alphabet, ist Mitglied des Vorstands von The Motley Fool. Randi Zuckerberg, eine ehemalige Direktorin für Marktentwicklung und Sprecherin von Facebook und Schwester des CEO, Mark Zuckerberg, ist Mitglied des Vorstands von The Motley Fool. The Motley Fool empfiehlt und besitzt Aktien von Alphabet (A-Aktien), Amazon und Facebook und empfiehlt die folgenden Optionen: Short Januar 2022 $1940 Calls auf Amazon und Long Januar 2022 $1920 Calls auf Amazon.

Foto: Iaremenko Sergii / Shutterstock.com

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