No pain no gain

Bernd Schmid · Uhr

Die letzten 13 Jahre waren für uns Anleger eigentlich ein Schlaraffenland. Die Börsen schienen nur noch steigen zu können. Das Pandemie-Jahr hat diesen Eindruck noch verstärkt. Trotz einer erzeugten Jahrhundertherausforderung für die Weltwirtschaft schossen die Börsen nach oben.

Ganz besonders für die von uns Foolishen Anlegern so geliebten Technologieaktien gab es kaum ein Halten. Portfoliogewinne von 50 % bis in den dreistelligen Bereich waren keine Randerscheinung. Wohlgemerkt in einem für uns alle ansonsten katastrophalen Jahr 2020.

Solche Erfahrungen könnten die Erwartungen verzerren. Denn selbst wenn es kaum jemand erfahren hat, der nicht bereits fast anderthalb Jahrzehnte als Investor auf dem Buckel hat, ohne Fleiß gibt es keinen Preis. Beziehungsweise, wie die Engländer sagen: No pain no gain.

Das ist im wahrsten Sinne des Wortes leider so. Auch an der Börse. Sogar ganz besonders an der Börse – wenn man langfristig erfolgreich investieren möchte. Das wird jeder Anleger bestätigen können, der den einen oder anderen Ver-20-facher mitgemacht hat.

Selbst die besten Aktien tun ihren Anlegern weh – in der Tat neigen diese sogar dazu, ganz besonders weh zu tun!

Das Beispiel Netflix

Wer beim Börsengang in die Aktie des Online-Streamingdienstes Netflix investierte, der hat seitdem eine jährliche Rendite von 37,4 % verdient – über fast zwei Jahrzehnte hinweg. Aus investierten 1.000 Euro wären heute fast eine halbe Millionen Euro geworden. Anders ausgedrückt hätte sich das investierte Kapital im Durchschnitt fast alle zwei Jahre verdoppelt.

Ich brauche niemandem zu erzählen, dass die meisten Anleger von solchen Investitionen träumen. Allerdings nur bis dahin, solange sie nicht inmitten einer solchen Investition stecken. Denn dann ist es nicht ungewöhnlich, dass der Traum zum Albtraum wird.

Die folgende Grafik zeigt, dass dies den langjährigen Netflix-Investoren bisher nicht nur einmal so ergangen ist. Sie zeigt die Entwicklung dieser Investition auf zwei Arten.

Anhand der rechten Achse und in Grün sieht man den Wert der investierten 1.000 Euro über die Zeit.

Anhand der linken Achse und in Rot sieht man die temporären Verluste, die man auf dem Weg zum halben Millionär hinnehmen musste.

Das Grüne ist das Verlockende. Der Grund, weshalb wir alle investieren. Es ist das Vermögen, das man aufbauen kann, wenn man qualitativ hochwertige Unternehmen kauft, diese hält und auch Glück dabei hat (ja, Glück spielt keine geringe Rolle!). Genau das ist unser Ziel bei The Motley Fool.

Treffend in Rot ist das Schreckliche auf dem Weg zum Wohlstand an der Börse: der Schmerz, die Angst, die Unsicherheit, die Selbstzweifel der Anleger bei dieser Achterbahnfahrt.

Schauen wir uns den roten Graphen genauer an, langsam von links nach rechts. Überprüfen wir, wie oft die Aktie um 30 %, 50 % und 70 % eingebrochen ist.

Stellen wir uns vor, wie sich so etwas anfühlt.

Stellen wir uns den Schmerz eines 70%igen Verlustes vor. Aus 10.000 Euro wurden 3.000 Euro. Stellen wir uns die Schlagzeilen in den Medien vor, die uns sagen, dass unsere Einschätzung falsch war.

Jetzt stellen wir uns vor, dass die Aktie nach einer gewissen weiteren Zeit wie ein Wunder doch wieder zurück auf das alte Hoch klettert. Wir haben wieder 10.000 Euro. Würden wir jetzt verkaufen?

Die Netflix Anleger, die das getan haben, und das waren gewiss einige, haben eine weitere Verzehnfachung ihres Kapitals und noch mehr oben drauf bis heute verpasst.

Nicht alle Unternehmen sind wie Netflix, aber …

Nicht jeder Investor möchte oder muss Unternehmen wie Netflix in seinem Portfolio halten. Und nicht jedes Unternehmen hat solch volatile Aktien.

Aber mit fast allen Aktien macht man Phasen wie die oberen durch. Aktuell machen einige unserer Foolishen Aktien genau solche Phasen durch. Möglicherweise stehen sie sogar erst am Anfang einer solchen Phase. Nur werden wir erst im Nachhinein erfahren, ob wir noch einmal die Hälfte unseres Kapitals „verlieren“ werden oder ob wir die nächste Verfünffachung verpassen beim Versuch, das durch einen Verkauf zu vermeiden.

Das Wichtigste dabei ist, dass sich jeder dieses Risikos bewusst ist und sein Kapital entsprechend einsetzt. Das heißt: nicht mehr in die Aktie investieren als man bereit ist zu verlieren und für eine ausreichende Streuung unter verschiedenen Aktien zu sorgen.

Einem Marktcrash entgeht man so zwar nicht. Aber das ist auch nicht das Ziel des Foolishen Investierens. Das Ziel ist, nach dem nächsten Crash investiert zu sein und eine bessere Rendite erzielt zu haben als der Markt. Auch wenn es in der Zwischenzeit wehtut.

Foto: charnsitr/Shutterstock.com

Offenlegung: Bernd besitzt Aktien von Netflix. The Motley Fool besitzt und empfiehlt Aktien von Netflix.

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