OTS: Börsen-Zeitung / Verlustprojekt, Kommentar zu Delivery Hero von Helmut Kipp

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    Verlustprojekt, Kommentar zu Delivery Hero von Helmut Kipp
Frankfurt (ots) - Ebenso überraschend wie die Rückkehr auf den deutschen Markt
vor wenigen Monaten kommt nun die Ankündigung von Delivery Hero, den Heimatmarkt
schon wieder aufzugeben. Offenbar läuft das Geschäft hierzulande so schlecht,
dass keine andere Wahl bleibt, als den Stecker zu ziehen. Damit entpuppt sich
der im vergangenen Mai verkündete Wiedereintritt - das ursprüngliche
Deutschlandgeschäft wurde Ende 2018 an die heutige Just Eat Takeaway verkauft -
als grandiose und teure Fehlentscheidung. Die seinerzeit präsentierte
Einschätzung, der hiesige Markt sei noch nicht ausreichend erschlossen und biete
großes Potenzial, war falsch. Auch ein für tiefrote Zahlen bekanntes Unternehmen
wie Delivery Hero muss ungeachtet aller Expansion auf betriebswirtschaftliche
Rationalität achten.

Analysten standen dem Projekt von vornherein skeptisch gegenüber, da sie zu
Recht hohe Verluste befürchteten. Selbst Firmenchef Niklas Östberg sprach von
einem Investitionszeitraum von zehn bis 15 Jahren, um in Deutschland an die
Spitze zu gelangen. Doch die Dominanz des Konkurrenten Lieferando war den
Berlinern ein Dorn im Auge, was nachvollziehbar ist: Wer bestellt schon gern auf
der Plattform eines Konkurrenten, um sich das Mittagessen an den Arbeitsplatz
liefern zu lassen? Entsprechend schwer wird den Managern der Rückzug aus dem
Heimatmarkt fallen.

Die Begründung, man sei jetzt mit einer ganz anderen Realität konfrontiert als
beim Eintritt, spiegelt bestenfalls die halbe Wahrheit wider. Weder das
Vorpreschen von Uber Eats noch der Markteintritt des US-Schwergewichts Doordash
kommen unerwartet. Ähnliches gilt für den Umstand, dass Investoren immer mehr
Geld in Expressdienste wie Gorillas und Flink stecken und damit aggressiv
wachsende Konkurrenten heranzüchten, die Delivery Hero im Geschäft mit
Lebensmitteln das Leben schwermachen. Allenfalls die Wucht, mit der Wettbewerber
nach Kunden und Marktanteilen greifen, mag überraschen. Ein wenig komisch wirkt
der Hinweis, dass auch der Mangel an Fahrern bei dem Rückzug eine Rolle spielt.
Mehr als nur Mini-Entlohnung zu zahlen und bessere Arbeitsbedingungen hätten
Abhilfe schaffen können.

Dem Abgang von Delivery Hero werden weitere Bereinigungsschritte folgen. Denn
nach wie vor ist der Liefermarkt überhitzt, weil Investoren Unsummen zu
aberwitzig anmutenden Bewertungen ins Onlinegeschäft mit Lebensmitteln pumpen.
Die meisten Anbieter verbrennen weiterhin viel Geld. Auf die Dauer wird das
nicht gehen.

(Börsen-Zeitung, 22.12.2021)

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