Inflation im Euroraum auf neuem Rekordhoch - "EZB sollte rasch handeln"

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EURO-ZONE-INFLATION:Inflation im Euroraum auf neuem Rekordhoch - "EZB sollte rasch handeln"

- von Reinhard Becker und Frank Siebelt und Klaus Lauer

Berlin/Frankfurt (Reuters) - Die Inflation in der Euro-Zone ist auf ein neues Rekordhoch gestiegen und bringt die auf Nullzins-Kurs steuernde EZB unter Zugzwang.

Angetrieben von den hohen Energiekosten kletterte die Teuerungsrate im April auf 7,5 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Freitag in einer ersten Schätzung mitteilte. Im März hatte die Inflation bereits mit 7,4 Prozent einen Höchstwert markiert, im Februar bei 5,9 Prozent gelegen. Ob mit dem April-Wert das Ende der Fahnenstange erreicht ist, bleibt laut Ökonomen ungewiss. EZB-Vizechef Luis de Guindos hat die Verbraucher bereits auf eine weiter hohe Inflation eingestimmt und signalisiert, dass die Notenbank reagieren wird. Laut Bundesbankchef Joachim Nagel könnte eine erste Zinserhöhung im Juli kommen.

Mit Ausbruch des Ukraine-Krieges habe sich der Teuerungsdruck verstärkt und an Breite gewonnen, erklärte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank: "Eine Zinsanhebung im Juli ist gemessen daran Pflicht. Wir wollen hoffen, dass die Währungshüter dieser Pflicht nachkommen." An den Finanzmärkten wird für dieses Jahr bereits mit drei bis vier Zinsschritten nach oben gerechnet. Derzeit liegt der geldpolitische Schlüsselsatz bei 0,0 Prozent. Zugleich müssen Banken Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank horten. Dieser sogenannte Einlagesatz ist aktuell bei minus 0,5 Prozent. Sollte die Europäische Zentralbank (EZB) mit Zinserhöhungen Ernst machen, könnte der Einlagesatz dieses Jahr erstmals seit 2014 wieder den positiven Bereich erreichen. Die Ära der Strafzinsen wäre damit passé.

KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib sieht die EZB gefordert: Falls sie zu lange Teuerungsraten über ihrem Zwei-Prozent-Ziel toleriere, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Lohn-Preis-Spirale komme. "Die Inflation in solch einer Situation erneut zu bändigen, wäre dann ein viel schwierigeres und kostspieligeres Unterfangen", warnte die Ökonomin.

INFLATIONSGIPFEL ERREICHT?

Der Handlungsdruck auf die Währungshüter steigt, je mehr sich die Teuerungsrate vom Ziel der EZB von 2,0 Prozent entfernt. "Es sieht ein wenig nach Inflationsgipfel aus, wegen der globalen Gemengelage ist dies aber höchst unsicher. Die anhaltend hohe Inflationsrate dürfte die EZB weiter auf Trab bringen", meint Chefökonom Alexander Krüger von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe.

ENERGIEPREISE STEIGEN UM 38 PROZENT

Haupttreiber der Teuerung waren im April einmal mehr die kräftig gestiegenen Energie-Preise, die infolge des Ukraine-Kriegs erheblich anzogen. Auf Jahressicht kletterten sie um 38 Prozent. Im März waren es sogar 44,4 Prozent. Unverarbeitete Lebensmittel verteuerten sich um 9,2 Prozent, Dienstleistungen um 3,3 Prozent. "Die Preise legen mittlerweile auf breiter Front zu. Die EZB sollte rasch handeln, damit die Inflationserwartungen der Menschen nicht weiter steigen und sich die hohe Inflation dauerhaft festsetzt", mahnte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer.

Trotz aller Inflationssorgen dürfte es den Währungshütern in Frankfurt als Lichtblick erscheinen, dass sich die Wirtschaft zu Jahresbeginn ungeachtet der Schockwellen des Ukraine-Kriegs in der Wachstumszone hielt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte in der Euro-Zone zwischen Januar und März zum Vorquartal um 0,2 Prozent zu. Die Wirtschaft im Euro-Raum wird aber auch durch weiter anhaltende Lieferkettenprobleme im Zuge der Corona-Krise beeinträchtigt - insbesondere durch Lockdown-Maßnahmen in China. Zudem lastet die hohe Inflation auf der Konjunktur, die auf die Konsumlaune drückt.

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(Mitarbeit Balazs Koranyi, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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