Krypto-Markt: Bitcoin kämpft um Unterstützung, Tether schwankt nun ebenfalls - kommt bald der wahre Härtetest?

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Das Blutbad am Krypto-Markt geht weiter. Während Bitcoin zwischenzeitlich auf ein neues Jahrestief von 25.000 Dollar gesunken ist, belaufen sich die Verluste am breiteren Krypto-Markt teils auf 30 Prozent und mehr. Die Gesamtmarktkapitalisierung des Sektors ist in den letzten 24 Stunden um knapp 15 Prozent auf noch 1,24 Billionen Dollar gefallen. Bitcoin notiert derzeit mit einem Minus von 12 Prozent bei knapp 28.000 Dollar – damit droht die langfristige Unterstützungszone im Bereich zwischen 30-28.000 Dollar zu einem charttechnischen Widerstand zu werden, kann bisher jedoch knapp gehalten werden. Ethereum, die Nummer 2 hinter Bitcoin, notiert mit einem Minus von 21 Prozent bei 1900 Dollar. Auf Wochensicht hat Ethereum ganze 35 Prozent verloren.

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BTCUSD_2022-05-12_12-59-19.png · Quelle: tradingview

Terra Luna am Abgrund

Der Quell des jüngsten Dramas am Krypto-Markt, das Projekt Terra Luna und dessen Stablecoin UST, gerät währenddessen ans scheinbare Ende. Während der Stablecoin seine Bindung zum US-Dollar trotz der Bemühungen des dahinterstehenden Projekts nicht wiedererlangen konnte und derzeit bei lediglich 0,48 Dollar notiert, musste Luna, der native Token der Terra Luna Blockchain, einen Verlust von 98 Prozent hinnehmen und notiert nun noch bei 0,06 Dollar. Vor einer Woche hat das Projekt noch bei einem Kurs von 85 Dollar notiert. Im Zuge des Kollapses wurden Milliarden Dollar an Anleger-Vermögen dem Erdboden gleichgemacht.

Am Markt gibt es Gerüchte, dass der Absturz die Folge eines gezielten Angriffs großer Investoren war, die eine enorme Menge des Stablecoins gekauft und dann den Preis mittels Arbitrage-Geschäften von seiner Dollar-Bindung losgelöst haben.  Eine weitere Sorge ist nun, dass Terra Luna gezwungen ist, ihre massiven Bitcoin-Bestände, die sie in den letzten Wochen erworben hatten, um die Deckung ihres Stablecoins zu stärken, auf den Markt werfen müssen, um ihr eigenes Projekt zu stabilisieren. Das würde weiteren Abwärtsdruck auf Bitcoin und den restlichen Markt erzeugen.

Stablecoin Tether als nächster Sorgenherd

Für neue Unruhe am Markt sorgt nun auch ein weiterer Stablecoin: Tether, der nach Marktkapitalisierung weitaus wichtigste Dollar-Stablecoin im Krypto-Ökosystem, hat zwischenzeitig ebenfalls seine Bindung an den US-Dollar eingebüßt. In der Nacht zu Donnerstag rutsche der Kurs zeitweise auf nur noch 0,95 Dollar.

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tether.PNG · Quelle: coinmarketcap

Tether hat eine Marktkapitalisierung von 81 Milliarden Dollar und ist damit das drittgrößte Projekt im Krypto-Sektor. Tether hat jedoch in der Vergangenheit immer wieder für Diskussionen gesorgt, da schon lange die Kritik besteht, dass die dahinterliegende Firma Tether Limited und die zugehörige Börse Bitfinex zum einen die ausgegebenen Stablecoin-Bestände nicht zu 100 Prozent mit Dollar decken und zum anderen Tether-Bestände an Investoren ausgegeben haben, ohne sofort eine entsprechende Dollar-Deckung zu verlangen, damit Marktmanipulation betrieben werden kann. Die New Yorker Staatsanwaltschaft hat bereits gegen Tether ermittelt, jedoch konnten die Vorwürfe bisher nicht bestätigt werden. Tether ist seit dem Gerichtsbeschluss jedoch zu mehr Transparenz verpflichtet worden und muss quartalsweise seine Bücher vorlegen und Nachweise für eine ausreichende Deckung vorlegen.

Laut Angaben aus Sommer 2021 bestehen die Rücklagen bei Tether zu 84 Prozent aus Cash, zu 5 Prozent aus Unternehmensbeteiligungen, zu 6 Prozent aus Krypto-Assets und zu weiteren 5 Prozent aus Commercial Papers. Diese letzten 5 Prozent sind ein potenzielles Problem, da sie teilweise aus chinesischen Immobilienkrediten bestehen sollen, einem Markt, der seit längerem crash-gefährdet ist.

Der CTO von Tether, Paolo Ardoino, hat angesichts der jüngsten Unruhe am Markt ein Statement auf Twitter abgegeben und versichert, dass Tether weiterhin stabil funktioniert und Wechsel in US-Dollar normal möglich sind. „300 Millionen wurden in den letzten 24 Stunden ohne einen Schweißtropfen umgetauscht“, so der CTO in einem Tweet.

Wie geht es jetzt am Markt weiter?

Das Drama um Terra Luna ist bitter für alle involvierten Investoren, die nun auf einen Totalverlust ihres Investments blicken müssen. Dieser Vorfall zeigt in der Praxis, wie volatil und gefährlich der Krypto-Markt teilweise ist. Vor allem ein Investment abseits von Bitcoin gestaltet sich als Hochrisikoinvestment. Das Projekt Terra Luna kämpft nun ums nackte Überleben und selbst wenn die Verantwortlichen es bewerkstelligen sollten, die Bindung des Stablecoins UST an den US-Dollar wiederherzustellen, wird das zu einem Bruchteil der ursprünglichen Marktkapitalisierung passieren – und unabhängig davon dürfte das Vertrauen in das Projekt zerstört sein, da sich eine kritische Lücke aufgetan hat, ohne die es nicht zu diesem Vorfall gekommen wäre.

Der Vorfall dürfte noch weitere Wellen schlagen, da viele weitere Krypto-Projekte entweder direkt oder indirekt mit dem Terra Luna Netzwerk verbunden sind und teilweise hohe Summen in das Projekt investiert haben. Einige weitere Projekte dürften nun ernsthaften finanziellen Schaden genommen haben. Von dem Ökosystem, welches in den letzten Monaten auf der Terra Luna Blockchain aufgebaut wurde, ganz zu schweigen.

Der Fall von Terra Luna war schmerzhaft, sowohl finanziell als auch für die Reputation des Sektors. Jedoch dürfte der Gesamtsektor den Vorfall verkraften. Letzten Endes ist das Scheitern eines Projektes, dessen Konzept einen kritischen Schwachpunkt hat, genau das was auf einem freien Markt passieren sollte. Man stelle sich vor, etwas Vergleichbares wäre mit einer Bank im traditionellen Finanzsystem passiert. Die Feuerwehr in Form von massiven Rettungspakten durch Staat und Notenbanken wäre sofort angerückt, da sonst das ganze Finanzsystem in Gefahr wäre zu implodieren.

Der Fall Tether ist jedoch ein anderes Kaliber für den Krypto-Markt und schwebt schon seit Jahren wie ein Damoklesschwert über dem Sektor. Sollte Tether kollabieren, wäre der Schaden extrem. Ein Großteil des Decentralized Finance Sektors würde diese Schockwelle wohl nicht verkraften und der Markt würde auf einen Bruchteil seiner derzeitigen Marktkapitalisierung implodieren. Man könnte in einem solchen Szenario Parallelen zur 2000er Dotcom-Blase oder zur Finanzkrise 2008 ziehen, nur das für diesen Markt niemand kommen wird, um die Unternehmen oder die Investoren zu retten.

Das Ende für den Krypto-Sektor würde jedoch selbst bei solch einem „Tether-Black-Swan-Event“ nicht eintreten. Es wäre ein harter Cut und es würden nur die Projekte überleben, die wirklich gut aufgestellt sind, überzeugende Geschäftsmodelle haben und tatsächlichen Mehrwert erzeugen. Auch Bitcoin würde an einem Tether-Kollaps nicht scheitern. Sicherleich wären in einem solchen Szenario Kurse unterhalb der Marke von 10.000 Dollar realistisch, das würde jedoch auch eine massive Welle an Käufern aus dem institutionellen Bereich auf den Plan rufen. Denn an dem fundamentalen Investmentcase von Bitcoin würde sich auch bei einer Implosion von Tether nichts ändern. Sollte die Kritik bezüglich Tether wirklich berechtigt sein, wäre dieses Szenario langfristig vielleicht sogar deutlich positiv für den Sektor.

Anleger, die sich von dem derzeitigen Marktumfeld nicht abschrecken lassen und von dem langfristigen Investmentcase von Bitcoin überzeugt sind, sollten weiterhin nach dem 200-Wochen-Trend Ausschau halten, da dieser Indikator in der Vergangenheit zuverlässig den Boden in einem Bitcoin-Bärenmarkt signalisiert hat. Sollte es zu dem beschrieben Tether-Black-Swan-Event kommen, dann erhält man Einstiegskurse wie man sie nur in ganz wenigen Momenten an den Finanzmärkten erhält.

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