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dpa-AFX · Uhr
    Brüsseler Zeitkäufer, Kommentar zu den EU-Haushaltsregeln von Andreas
Heitker
Brüssel (ots) - Die EU-Kommission hat eigentlich nur wenig überzeugende Gründe
dafür, die Haushalts- und Schuldenregeln ein weiteres Jahr auf Eis zu legen.
Natürlich sind Unsicherheiten und Risiken hoch, weil niemand den weiteren
Kriegsverlauf in der Ukraine und seine Folgen für die europäische Wirtschaft
wirklich vorhersagen kann. Aber die Kommission selbst hat erst in der
vergangenen Woche ein noch einigermaßen solides Wachstum für dieses und nächstes
Jahr prognostiziert. Die heutige Situation ist damit in keiner Weise mit den
Pandemie-Jahren 2020 und 2021 vergleichbar, als die "allgemeine Ausweichklausel"
die ersten Male gezogen wurde.

Auch das Argument mit den hohen Investitionen, die für die grüne Transformation
und die Energiewende notwendig werden, zieht nicht recht. Denn dieser Bedarf ist
2024 nicht verschwunden. Und 2025 auch noch nicht. Der Umbau von Wirtschaft und
Energieversorgung ist ein Langzeitprojekt, das nicht mit einer kurzfristigen
Regelaussetzung gelöst werden kann.

Und dass jetzt die Zinsen wieder beginnen zu steigen, macht den Vorschlag der
Brüsseler Behörde noch schwieriger. Die Schuldentragfähigkeit zu erhalten,
dürfte bei den hoch verschuldeten Ländern in Zukunft wieder verstärkt in den
Fokus rücken. Allein in der Eurozone hatten 2021 ja sieben Staaten
Verschuldungsquoten von mehr als 100 Prozent der Wirtschaftskraft.

Was allerdings dafür spricht, die Budgetregeln auch 2023 noch zu ignorieren, ist
simpel: Die Regeln funktionieren in der heutigen Form einfach nicht mehr. Schon
seit längerem wird eifrig um eine Reform gestritten. Und es wäre gut, mögliche
Verbesserungen erst einmal festzuzurren, bevor man aus Prinzip erst einmal
wieder auf das bisherige Gerüst zurückgreift.

Über einige Punkte besteht ja mittlerweile durchaus Einigkeit: Die Regeln müssen
radikal vereinfacht werden. Sie dürfen keine prozyklische Wirkung mehr
entfalten. Die Anpassungspfade bei einer zu hohen Verschuldung sollten neu
austariert werden. Und viel Zustimmung hat es auch schon für eine Anhebung der
60-Prozent-Verschuldungsgrenze und die Einführung einer - wie auch immer
ausgestalteten - Investitionsförderung gegeben.

Der Kriegsausbruch hat die Reformdebatte jäh unterbrochen. Im Sommer will die
EU-Kommission hierzu nun konkrete Gesetzesvorschläge vorlegen. Doch die Einigung
hierauf wird noch Zeit brauchen. Mit der Aussetzung der Regeln auch 2023 kauft
die Kommission nun zusätzliche Zeit. Die EU-Staaten sollten diese auch nutzen.

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