Bund plant 2023 Neuverschuldung von 17,2 Milliarden Euro

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- von Holger Hansen

Berlin (Reuters) - Erstmals seit 2019 will die Bundesregierung im Haushalt 2023 die Schuldenbremse im Grundgesetz wieder einhalten.

Der Reuters am Mittwoch vorliegende Etatentwurf von Finanzminister Christian Lindner (FDP) sieht eine Nettoneuverschuldung von 17,2 Milliarden Euro vor. In diesem Jahr sind dafür noch fast 140 Milliarden Euro geplant. Auch in der Finanzplanung bis 2026 wird die Obergrenze eingehalten. Dafür muss Lindner aber eine Rücklage von rund 48 Milliarden Euro auflösen. Differenzen gibt es noch bei den Ausgaben aus dem Energie- und Klimafonds (EKF). Für Verteidigung sollen 2023 über 58 Milliarden Euro fließen. Das entspräche nach Angaben aus dem Finanzministerium etwa 1,6 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die angestrebte Nato-Quote von 2,0 Prozent würde damit auch im kommenden Jahr verfehlt.

"Trotz erheblicher Mehrbelastungen ist die Einhaltung der regulären Obergrenzen der Schuldenregel erreicht", hieß es im Finanzministerium. "Mit der Einhaltung der Schuldenbremse wird auch der Inflationsdruck gedämpft." Lindner selbst sagte in Berlin, der Entwurf sehe eine seriöse Vorsorge für die aktuellen Herausforderungen vor. Die Bundesregierung will den Entwurf am Freitag beschließen. Die erste Beratung im Bundestag findet Anfang September statt. Die Verabschiedung steht im November an.

Lindners Kabinettsvorlage von über 1500 Seiten sieht eine "globale Krisenvorsorge" von fünf Milliarden Euro vor, "die für pandemiebezogene Mehrbelastungen oder Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine und seinen Auswirkungen in Anspruch genommen werden kann". Zudem sei "eine weitere Globalposition" vorgesehen als "Vorsorge für bereits absehbare, aber noch nicht etatreife sowie mögliche sonstige Veränderungen auf der Einnahmeseite".

Zur Einhaltung der Schuldenbremse muss Lindner auf die Rücklage von rund 48 Milliarden Euro zurückgreifen, die noch von der alten Bundesregierung angehäuft wurde. Daraus sollen 40,5 Milliarden in den Etat 2023 fließen. Ein Rest von 7,7 Milliarden ist für 2024 geplant. 2024 bis 2026 sieht der Finanzplan eine Neuverschuldung jeweils von 12,3 bis 13,8 Milliarden Euro vor.

KREISE: STABILISIEREN IN DER KRISE

Im Finanzministerium wurde betont, mit der Rückkehr zur Einhaltung der Schuldenbremse trage der Haushalt 2023 in Krisenzeiten zur Stabilisierung und zum Ausbau von Zukunftsinvestitionen bei. Grundlage der Planungen sei die Frühjahrsprojektion vom April, in der die Regierung von einem Wirtschaftswachstum für 2022 von 2,2 Prozent und für 2023 von 2,5 Prozent ausgehe. "Die Prognose ist mit hohen Unsicherheiten behaftet", hieß es im Ministerium unter Verweis auf Energiepreise, Ukraine-Krieg und Störungen der Lieferketten.

Für die Jahre 2020 bis 2022 hatte der Bundestag die Schuldenbremse ausgesetzt, um eine Rekordverschuldung zur Bewältigung der Corona-Pandemie und nun auch der Kriegsfolgen zu ermöglichen. Für 2023 erlaubt die Schuldenregel nach Informationen aus dem Finanzministerium knapp zehn Milliarden Euro an Nettokreditaufnahme. Dies werde exakt eingehalten, da in der Neuverschuldung von 17,2 Milliarden Euro finanzielle Transaktionen enthalten seien außerhalb der Schuldenbremse. Das seien unter anderem ein Darlehen an einen Fonds des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 6,3 Milliarden Euro sowie an die Gesetzliche Krankenversicherung von einer Milliarde Euro.

Ingesamt sieht der Etatentwurf für 2023 Ausgaben von 445,2 Milliarden Euro und damit rund 50 Milliarden Euro weniger als im laufenden Jahr vor. Im Finanzministerium wird dies vor allem mit dem Rückgang corona-bedingter Ausgaben etwa im Gesundheitsressort oder für Wirtschaftshilfen begründet. Laut Kabinettsvorlage sind im Gesundheitsressort noch 2,2 Milliarden Euro für die zentrale Impfstoffbeschaffung vorgesehen. Die Steuereinnahmen sollen 2023 mit rund 362 Milliarden Euro rund 34 Milliarden Euro höher ausfallen als in diesem Jahr. Die Zinsaufwendungen werden mit 29,6 Milliarden Euro veranschlagt und damit etwa doppelt so hoch wie in diesem Jahr. Die Investitionen sollen bei etwa 51 Milliarden Euro liegen. Der Wehretat ist mit 50,1 Milliarden Euro veranschlagt. Zudem sollen 8,5 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr abfließen.

Auch zur Sicherung der Energieversorgung sind Milliardenmittel geplant. Zur Beschaffung von Gas-Vorräten sind 5,4 Milliarden Euro vorgesehen, mit denen eine Verpflichtungsermächtigung im Zusammenhang mit dem sogenannten "KfW-Überbrückungsdarlehen Gassicherheit" ausfinanziert werde.

Über die detaillierten Ausgaben aus dem Energie- und Klimafonds (EKF) gibt es noch keine Einigkeit in der Regierung. Der Wirtschaftsplan dazu wird am Freitag nicht verabschiedet. Nach Angaben aus dem Finanzministerium bleibt es bei einem Volumen von etwa 200 Milliarden Euro für den EKF in den nächsten Jahren. Die bisher für 2023 bis 2026 geplanten Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt von insgesamt etwa zehn Milliarden Euro würden aber gestrichen. Dies sei möglich, da die Einnahmen aus dem CO2-Zertifikatehandel höher ausfielen und die Kosten der Abschaffung der EEG-Umlage geringer seien als erwartet.

(Bericht von Holger Hansen, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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