EuGH - Diesel-Abgasreinigung muss bei normalen Temperaturen funktionieren

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Brüssel (Reuters) - Die Abgasreinigung bei Dieselmotoren muss nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bei normalen Temperaturen und die meiste Zeit des Jahres funktionieren.

Abschalteinrichtungen, die die Emissionen nur zwischen 15 und 33 Grad Celsius reinigten, seien unzulässig, entschied der EuGH am Donnerstag. Denn dann funktioniere die Reinigung bei den in Europa üblichen Temperaturen die meiste Zeit des Jahres nicht. "Eine Software für Dieselfahrzeuge, die die Wirkung des Emissionskontrollsystems bei üblichen Temperaturen und während des überwiegenden Teils des Jahres verringert, stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung da", hieß es in der Entscheidung wörtlich. Eine solche Vertragswidrigkeit sei nicht geringfügig, erklärte das Gericht. Folglich sei eine Rückabwicklung des Kaufvertrags nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

In dem Rechtsstreit ging es um österreichische Kunden, die zwischen 2011 und 2013 Diesel-Fahrzeuge der Marke Volkswagen gekauft hatten, die mit einer Betrugssoftware ausgestattet waren, sodass die Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand funktionierte. Nach dem Bekanntwerden des Diesel-Skandals spielte Volkswagen ein Update auf die Motoren auf, das aber das sogenannte Thermofenster enthielt, also eine Steuerung der Abgasreinigung abhängig von der Temperatur. Nach Angaben des österreichischen Gerichts ist die Reinigung von Stickoxiden bei diesem verwendeten Update nur bei Temperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius voll funktionsfähig. Die Kunden wollten deshalb den Kaufvertrag rückgängig machen und gegen Anrechnung der Nutzung das Geld zurück. Mehrere österreichische Gerichte legten deshalb dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg die Frage vor, ob das sogenannte Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle.

VOLKSWAGEN - UNSERE THERMOFENSTER BLEIBEN ZULÄSSIG

Volkswagen argumentierte in dem Verfahren, dass das Thermofenster notwendig und zulässig sei, weil dadurch Schaden vom Motor abgewendet werde. Der EuGH sagte dazu, dass nur bei unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall ein Thermofenster zulässig sein könne. Ob diese Voraussetzung vorliege, müssten die nationalen Gerichte prüfen. Aber der Schutz des Motors vor Verschmutzung und Verschleiß genüge hierfür nicht. Volkswagen sieht sich durch das Urteil bestätigt. Denn bei den von dem Verfahren betroffenen Motoren sei die Abgasrückführung bis zu einer Außentemperatur von zehn Grad Celsius und damit über die meiste Zeit des Jahres aktiv. "Nach den Kriterien, die der EuGH in seinem Urteil aufgestellt hat, bleiben die in Fahrzeugen des VW-Konzerns verwendeten Thermofenster zulässig." Die Auswirkungen des Urteils auf Volkswagen seien deshalb gering.

Kläger-Anwalt Claus Goldenstern sagte dagegen: "Durch das heutige Urteil wird VW erneut vom Abgasskandal eingeholt. Mehrere Millionen Fahrzeughalter könnten nun gegen den Wolfsburger Konzern vorgehen."

EUGH-URTEIL AUCH FÜR BGH-VERFAHREN MASSGEBLICH

Das EuGH-Urteil muss auch in Deutschland beachtet werden - dass es österreichische Fälle zum Ausgangspunkt hat, ist unerheblich. Der BGH will sich in einer Verhandlung im November mit Folgen der EuGH-Rechtsprechung befassen. Bisher hatte das Karlsruher Gericht Schadenersatzklagen wegen des Einbaus des Thermofensters abgelehnt. Weil die Verwendung dieser Technik keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung sei, fehle es an den Voraussetzungen für den Schadenersatz, so der BGH. In der Folge konnten Käufer eines Dieselfahrzeugs mit Thermofenster den Vertrag nicht rückabwickeln, also nicht das Fahrzeug zurückgeben und unter Anrechnung der Nutzung den Kaufpreis zurückverlangen. Der BGH muss nun entscheiden, wie er die europäische Rechtsprechung umsetzt.

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