Regierung und Branche erneuern Ziel 15 Millionen E-Autos bis 2030

Reuters · Uhr

Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung und die Automobilbranche halten trotz Umsetzungsproblemen am Ziel fest, bis 2030 mindestens 15 Millionen E-Autos auf deutsche Straßen zu bringen.

Das teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Dienstagabend nach einem Treffen von Kanzler Olaf Scholz mit Spitzenvertretern der Mobilitätsbranche mit. Die rasche Durchsetzung der E-Mobilität sei erforderlich, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen. Themen des Spitzentreffens seien unter anderem der Ausbau der E-Ladeinfrastruktur, die verschärfte Euro-7-Abgasnorm, aber auch die hohen Energiepreise in Europa gewesen. Die "Strategieplattform Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft (STAM)" mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Zivilbereich solle sich künftig häufiger treffen, wurde vereinbart.

An dem Spitzengespräch hatten etwa die Chefs von BMW, VW, Mercedes, Opel und Tesla teilgenommen, aber auch Unternehmensvertreter etwa der Batteriefirma Northvolt und dem Halbleiterhersteller Infineon. Auf Regierungsseite nahmen neben Scholz noch Wirtschaftsminister Robert Habeck, Finanzminister Christian Lindner, Verkehrsminister Volker Wissing, Umweltministerin Steffi Lemke, Arbeitsminister Hubertus Heil und Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt teil. Unter anderen waren auch die Gesamtbetriebsräte der Konzerne, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sowie kommunale Spitzenvertreter waren unter den Teilnehmern. Zuvor hatte es Kritik etwa von Vertreter der Bahn- oder Fahrradbranche gegeben, dass sie nicht eingeladen waren. Bei dem Treffen im Kanzleramt sei es um eine erste gemeinsame Bestandsaufnahme von Politik und Wirtschaft gegangen, hieß es in Regierungskreisen. Die Themen der Treffen würden jedes Mal wechseln.

Christian Hochfeld, Chef der Denkfabrik Agora Verkehrswende, forderte weitergehende Beschlüsse für den Umstieg zur E-Mobilität. "Eine schwache Klimapolitik wäre süßes Gift für die Automobilindustrie", warnte Hochfeld, der im Kanzleramt mit am Tisch saß. Die Rahmenbedingungen seien die Verantwortung der Politik. "Es ist deshalb höchste Zeit für eine auf Klimaneutralität ausgerichtete Steuer- und Finanzreform im Straßenverkehr", machte er klar. "Dazu gehört zum Beispiel eine effektive und sozial ausgewogene Weiterentwicklung der Kfz- und Dienstwagenbesteuerung." Diese Punkte treffen in den FDP-geführten Ministerien für Verkehr und Finanzen auf Skepsis. Es habe aber keinen offenen Konflikt etwa zwischen dem Verkehrs- und der Umweltministerin gegeben, hieß es in Teilnehmerkreisen.

Teilnehmer aus der Wirtschaft äußerten sich auf Nachfrage zufrieden. "Der Kanzler war in Summe sehr tief in den Themen drin" und habe alle konkret befragt, hieß es in Teilnehmerkreisen. Dissens sei in der Runde aber bei der Diskussion über das Ladeverhalten von E-Auto-Besitzern offensichtlich geworden. 89 Prozent der Autos würden derzeit zuhause geladen, es sei aber strittig wie stark sich das künftig ändern solle und werde. Einig sei man sich dagegen gewesen, dass bei Nutzfahrzeugen Schnelllademöglichkeiten unbedingt nötig seien. Die Bundesregierung werde sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, den Ausbau der LKW-Ladeinfrastruktur voranzutreiben. "Wesentlich für den Klimaschutz sind dabei vor allem angepasste ambitionierte CO2-Flottengrenzwerte für Lkw", sagte der Regierungssprecher.

Eine engere Zusammenarbeit sei im Bereich automobiler Software und dem autonomen Fahren vereinbart worden. Damit solle die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Automobilindustrie gestärkt werden. Hintergrund ist vor allem die sehr starke Konkurrenz aus China und den USA in diesen Sektoren. Zudem wolle man in den Bereichen Rohstoffversorgung, Batteriezellfertigung und Halbleiterproduktion enger zusammenarbeiten, damit Deutschland und Europa bei den Lieferketten resilienter würden.

Die Unternehmensberatung Deloitte hatte zuvor gewarnt, dass sich die Rahmenbedingungen für eine Umstellung auf klimafreundliche Autos in Deutschland verschlechtert hätten. Zum einen belasteten höhere Zinsen und Inflation, insbesondere steigende Kosten bei Batterien und Strom neben der geringen staatlichen Förderung die Nachfrage. Zum anderen bleibe die noch lückenhafte Ladeinfrastruktur ein Bremsklotz. Nach einer aktuellen Umfrage von Deloitte wollen sich hierzulande erst 16 Prozent der Verbraucher ein E-Auto anschaffen und damit kaum mehr als vor einem Jahr.

(Bericht von Andreas Rinke, Victoria Waldersee, Christian Krämer, Ilona Wissenbach; redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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