EZB-Bankenaufsicht warnt Geldhäuser vor Konjunkturrisiken

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Frankfurt (Reuters) - EZB-Chefbankenaufseher Andrea Enria ruft die Geldhäuser im Euro-Raum angesichts einer unsicheren Konjunkturlage zur Wachsamkeit auf.

"Die erste Gruppe von Herausforderungen ist konjunkturell", erklärte Enria im EZB-Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit, den die Europäische Zentralbank (EZB) am Dienstag in Frankfurt veröffentlichte. Wenn die Energiekrise nicht gelöst werde, könne das Kreditrisiko gegenüber solchen Unternehmen steigen, die am stärksten vom Energiethema betroffen seien. Zudem sei die konjunkturelle Abschwächung Ende 2022 mit einer Zunahme der Firmeninsolvenzen einhergegangen. Die Aufseher mahnten daher zur erhöhten Wachsamkeit hinsichtlich einer Verschlechterung der Kreditqualität.

Die jüngsten Kursverwerfungen im Sektor im Zuge des Kollaps der amerikanischen Silicon Valley Bank und der Vertrauenskrise bei der Schweizer Großbank Credit Suisse haben die Institute Enria zufolge gut überstanden. "Die Stärke der Bankbilanzen war ein entscheidende Faktor für die Bewältigung der Turbulenzen", sagte er bei der Vorstellung des Jahresberichts im Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments.

Die im Juli 2022 eingeleitete Zinswende im Euro-Raum nach Jahren der ultralockeren Geldpolitik ist nach Einschätzung der Aufseher positiv für die Branche. Wenn sich die Konjunktur wie derzeit erwartet entwickele, würden sich weitere geordnete Zinsanhebungen wahrscheinlich günstig auf die Erträge auswirken, erklärte Enria im Jahresbericht. "Wenn wir jedoch vom Basisszenario abweichen und unvorteilhaftere Entwicklungen berücksichtigen, können die Dinge anders laufen." Kreditnehmer könnten dann Probleme bekommen, Schulden zurückzuzahlen. Die Aufsicht blickt dabei insbesondere auf Verbraucherkredite, Immobilienkredite und Kredite an hoch verschuldete Unternehmen (leveraged finance).

Angesichts der geldpolitischen Straffung müssen Banken Enria zufolge zudem Liquiditäts- und Finanzierungsrisiken stärker in den Blick nehmen. Es gelte, Risikomanagement und strategische Steuerung anzupassen. Manche Strategien zur Handhabung von Verbindlichkeiten könnten durch ein schwierigeres Finanzierungsumfeld infrage gestellt werden. "Es besteht die Gefahr, dass die Banken dabei auf dem falschen Fuß erwischt werden", warnte Enria im Jahresbericht.

Enria ging im EU-Parlament auch auf Befürchtungen ein, Anleihe-Investoren in der EU könnten wie beim Notverkauf der Credit Suisse künftig stärker zur Kasse gezogen werden als Aktionäre. "Wir haben klargestellt, dass dieses Vorgehen nicht machbar wäre unter dem europäischen Regelwerk", sagte Enria. Das gelte klar für Fälle der Abwicklung einer Bank, in denen genau nach der Hierarchie der Ansprüche vorgegangen werde. "Aber wir als Behörden würden auch das gleiche Vorgehen anwenden in orchestrierten privatwirtschaftlichen Lösungen."

AUFSEHER SEHEN SCHWÄCHEN BEI RISIKOKONTROLLE DER BANKEN

Bei der Risikokontrolle und der internen Unternehmenssteuerung sehen die Aufseher noch deutliche Mängel bei den Banken. "Ehrlich gesagt sehen wir in diesem Bereich nicht genügend Fortschritte", führte Enria aus. Nötigenfalls wollen die Aufseher hier die Daumenschrauben anziehen. Dort wo Fortschritte am dringendsten nötig seien, sei die Bankenaufsicht entschlossen, alle Aufsichtsinstrumente und -befugnisse voll auszuschöpfen. Dazu könnten auch gezielte Eigenkapitalforderungen oder Sanktionen gehören. Über Begrenzungen für Ausschüttungen der Institute an ihre Aktionäre denkt die Aufsicht derzeit nicht nach. "Definitiv, das erwägen wir nicht", sagte Enria den EU-Abgeordneten.

Die Ausgaben für die Aufsicht nahmen im vergangenen Jahr weiter zu. Die EZB-Bankenwächter stellten den Instituten für 2022 insgesamt 593,8 Millionen Euro in Rechnung - rund drei Prozent mehr als 2021. Für 2023 veranschlagen die Bankenwächter einen Ausgabenanstieg um neun Prozent auf 649 Millionen Euro.

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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