Habeck pumpt Milliarden in Umbau klimaneutraler Industrie-Produktion

Reuters · Uhr

- von Andreas Rinke und Tom Käckenhoff

Berlin/Düsseldorf (Reuters) - Energieintensive Firmen können noch 2023 milliardenschwere Staatshilfen für die Umstellung auf eine CO2-neutrale Produktion beantragen.

Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) sprach bei der Ankündigung am Montag in Berlin von einem mittleren zweistelligen Milliardenbetrag, der Firmen etwa in der Stahl-, Chemie-, Zement- oder Glasindustrie durch sogenannte Klimaschutzverträge in den kommenden 15 Jahren helfen solle. Das Geld soll dabei vor allem höhere Kosten durch die Umstellung auf eine klimafreundliche Produktion ausgleichen.

Die staatliche Förderung kommt zu einer Zeit, in der 45 Prozent der Firmen in einer neuen BDI-Umfrage angeben, dass sie ihre Investitionen in die ökologische Transformation nicht etwa erhöhen, sondern zurückschrauben müssen. Das Bundeswirtschaftsministerium bekräftigte gegenüber Reuters zudem, dass es zu der Zusage stehe, dass Thyssenkrupp für den geplanten Bau eines klimafreundlichen Stahlwerks eine staatliche Hilfe von Bund und Land von rund zwei Milliarden Euro erhalten soll. Nordrhein-Westfalen hatte bereits erklärt, in diesem Rahmen bis zu 700 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.

Aus der Industrie kamen positive Stimmen. "Das ist ein wichtiges Signal für die Unternehmen und gibt ihnen die Investitionssicherheit, die sie jetzt brauchen", sagte der Energieexperte des Verbands der Chemischen Industrie, Jörg Rothermel. Besonders positiv zu bewerten sei, dass auch der Mittelstand bei diesem Förderprogramm berücksichtigt werde. Klimaschutzverträge seien erforderlich, damit schnell ein erstes Angebot an grünem Stahl entstehen könne, sagte die Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Kerstin Maria Rippel. Nun komme es auf die konkrete Ausgestaltung und Passgenauigkeit der Förderregeln an sowie ihre Anschlussfähigkeit an den europäischen Beihilferahmen. "Hier appellieren wir an Bundesregierung und EU-Kommission, nun rasch zielgerichtete Lösungen zu finden."

STRENGE VORGABEN FÜR DIE KLIMASCHUTZVERTRÄGE

Voraussetzung ist für alle der Einsatz von 100 Prozent Ökostrom und bisherige Emissionen von zehn Kilotonnen CO2 pro Jahr und Unternehmen. Deshalb richteten sich die Klimaschutzverträge auch an den energieintensiven Mittelstand und nicht nur an sehr große Konzerne, betonte Habeck. Ziel ist es, den Treibhausgas-Ausstoß in der Industrie drastisch zu senken und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Firmen in Deutschland zu erhalten. "Wir wollen eine C02-Reduktion und gleichzeitig eine intakte Industrie in Europa haben", sagte der Grünen-Politiker.

Vorgesehen ist derzeit ein einziges Ausschreibungsverfahren in diesem Jahr, das am Dienstag beginnen soll. Firmen haben dann zwei Monate Zeit, in einem sogenannten vorbereitenden Verfahren ihr Interesse zu bekunden. Nur wenn die Fördersumme bei der folgenden Auktion bis Ende des Jahres dann nicht ausgeschöpft sei, werde es weitere Bieter-Runden geben, sagte Habeck. In Regierungskreisen hieß es, man rechne mit einer Gesamtförderung von bis zu 50 Milliarden Euro. Sowohl eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums als auch ein Sprecher des Finanzministeriums betonten, dass es den Vorbehalt laufender Haushaltsgespräche gebe. Das Geld soll aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) kommen, der sich unter anderem aus Einnahmen aus dem Emissionshandel speist.

Gefördert werden sollen in dem Gebotsverfahren die Firmen, die die Produktionsumstellung mit den geringsten Kosten erreichen wollen. "Wir schätzen, dass bis 2045 ... die eingesparte Menge an CO2 350 Megatonnen betragen wird. Das ist ungefähr ein Drittel des Sektorziels in der Industrie nur durch dieses Instrument", sagte Habeck. Deutschland sei Vorreiter bei dieser Form der bürokratiearmen Förderung, die bisher nur die Niederlande versucht hätten.

Habeck zeigte sich zuversichtlich, dass es auch von EU-Seite keine Einwände geben werde. Die EU-Kommission habe ihre grundsätzliche Zustimmung zu diesem Instrument gegeben, auch wenn noch beihilferechtliche Fragen offen seien. So müsse unter anderem noch geklärt werden, wie diese Subventionen mit Investitionshilfen etwa für große Firmen kombiniert werden könnten. Ein Beispiel könnte etwa das erwähnte Stahlwerk von Thyssenkrupp sein.

Der größte deutsche Stahlkonzern will durch den Bau einer neuen Anlage ab Ende 2026 klimafreundlich Stahl produzieren. Im Gegensatz zum Konkurrenten Salzgitter fehlt Thyssenkrupp noch der Förderbescheid des Bundes, was die IG Metall und die Arbeitnehmervertretern kritisiert haben. Das Wirtschaftsministerium verweist darauf, dass zunächst die EU-Wettbewerbshüter grünes Licht geben müssen.

(Mitarbeit: Patricia Weiß, Klaus Lauer; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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