EZB-Direktorin Schnabel sieht bei Leitzinsen noch Luft nach oben

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Berlin/Amsterdam (Reuters) - Die EZB muss laut Direktorin Isabel Schnabel bei den Zinsen noch nachlegen.

Da mit Blick auf die Dauer der Inflationswelle hohe Unsicherheit herrsche, sei es in der Güterabwägung besser, hier zu viel als zu wenig zu tun, sagte sie der belgischen Zeitung "De Tijd" vom Mittwoch: "Wir haben noch mehr vor uns", fügte die Dortmunder Ökonomin hinzu. Wenn sich die Inflation einmal festsetze, sei es viel kostspieliger, sie zu bekämpfen. Wie weit die Zinsen noch steigen müssten, hänge von der Datenlage ab, sagte Schnabel. Der EZB-Rat wird nach Ansicht von Experten in der nächsten Woche die achte Zinserhöhung in Folge beschließen. Von Reuters befragte Volkswirte rechnen für den 15. Juni mit einer Anhebung um einen viertel Prozentpunkt.

Der am Finanzmarkt dabei maßgebliche Einlagensatz, den die Banken für das Parken überschüssiger Gelder erhalten, würde damit von aktuell 3,25 Prozent auf 3,50 Prozent steigen. Ob nach einem solchen Zinsschritt ein weiterer im Juli folgen könnte, ließ Schnabel in dem Interview offen. Zugleich betonte sie, dass sich die EZB nicht damit zufriedengeben könne, wenn die sogenannte zugrunde liegende Inflation ihren Höhepunkt überschritten habe: Dies sei noch nicht ausreichend, um im Kampf gegen den hohen Preisdruck den Sieg auszurufen: Es seien überzeugende Hinweise nötig, dass die Inflation nachhaltig und rechtzeitig zum Zielwert der EZB von 2 Prozent zurückkehre. "An diesem Punkt sind wir noch nicht", fügte sie hinzu.

Auch Bundesbankchef Joachim Nagel betonte jüngst, der zugrundeliegende Preisdruck sei noch viel zu hoch. Im Mai hat diese sogenannte Kerninflation - also ohne die schwankungsanfälligen Preise für Nahrungsmittel und Energie - hierzulande bei 5,1 Prozent gelegen, im Euroraum bei 5,3 Prozent. Daher gelte es, "noch hartnäckiger" zu sein als die gegenwärtige Inflation, forderte Nagel. Die Kernrate gilt als guter Indikator für die grundlegenden Inflationstrends und wird deshalb von den Währungshütern genau analysiert.

OECD: WEITERE ZINSERHÖHUNGEN WOHL NÖTIG

Die Inflation, vor allem die Kernrate, sei weiterhin viel zu hoch, warnt auch die Industriestaaten-Organisation OECD in neuen Analysen zur Entwicklung der Weltwirtschaft. Weitere Zinserhöhungen seien deswegen wohl nötig. "Die Wirkung der gestiegenen Zinsen macht sich in immer mehr Wirtschaftszweigen bemerkbar." Dies werde Schwachstellen im Finanzsystem offenlegen, vor allem in Ländern mit hoher Verschuldung. Im Fall solcher Probleme sollten Notenbanken Liquidität zur Verfügung stellen, um Ansteckungseffekte zu verhindern. Die Geldpolitik müsse insgesamt restriktiv bleiben, bis es klare Anzeichen dafür gebe, dass der Inflationstrend dauerhaft gesenkt worden sei.

Der niederländische Notenbankchef Klaas Knot sieht die Gefahr, dass die Finanzmärkte auf dem falschen Fuß erwischt werden könnten. Denn sie seien außerordentlich optimistisch und gingen davon aus, dass die Inflation genauso schnell sinken werde, wie sie gestiegen sei. Für nächstes Jahr seien sogar Zinssenkungen bereits eingepreist, sagte er in einer Anhörung im niederländischen Parlament. "Genau in einer solchen Lage erhöht eine länger als erwartete Phase der geldpolitischen Straffung, mit der die Inflation unter Kontrolle gehalten werden soll, das Risiko von erneutem Stress an den Finanzmärkten."

(Bericht von Reinhard Becker, Christian Krämer, Bart Meijer, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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