Bundestag beschließt LNG-Terminal auf Rügen - Scharfe Kritik vor Ort

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Berlin (Reuters) - Trotz Widerstands örtlicher Gemeinden und des Landes Mecklenburg-Vorpommern kann auf Rügen künftig Flüssiggas (LNG) entladen werden.

Der Bundestag beschloss am Freitag mehrheitlich eine Reform des LNG-Beschleunigungsgesetzes, in dem nun der Standort Mukran auf der Ostseeinsel verankert wird. Auch der Bundesrat gab wenige Stunden später grünes Licht dafür. Nach den Planungen des Bundes sollen auf Rügen zwei schwimmende LNG-Terminals mit einer Jahreskapazität von zehn Milliarden Kubikmeter Gas stationiert werden. Ziel ist es, dass das Terminal für die Versorgung im Winter Anfang 2024 zur Verfügung steht. Die Schiffe sollen privatwirtschaftlich von der Deutschen Regas betrieben werden. Die Bundesregierung will damit die Gasversorgung auch im kommenden Winter sichern. Scharfe Kritik kam vom Land Mecklenburg-Vorpommern, der Gemeinde vor Ort sowie Umweltverbänden, die den Terminal für unnötig halten.

Wirtschaftsminister und Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) warnte im Bundestag mit Blick auf die Versorgungssicherheit: "Wir sind noch nicht durch." Der Bund müsse genügend Sicherheitspuffer haben. Laut Bundeswirtschaftsministerium können LNG-Terminals in Deutschland nur bis Ende 2043 mit Flüssiggas genutzt werden. Danach sei ein Weiterbetrieb nur für klimaneutralen Wasserstoff zulässig. Das angepasste Gesetz könne bereits nächste Woche in Kraft treten.

"Mecklenburg-Vorpommern unterstützt das Vorhaben so nicht", bekräftigte der Umweltminister des Landes, Till Backhaus (SPD). "Der Bau von zwei Terminals am Standort Mukran muss mit dem Schutz der Umwelt und den Belangen des Tourismus auf Rügen vereinbar sein. Vor allem aber muss ein solches Vorhaben auf Akzeptanz bei den Menschen vor Ort stoßen." Beides sei nicht ausreichend der Fall. "Die Angebote des Bundes sind vielfach vage." Das Land werde ein rechtsstaatliches Genehmigungsverfahren trotzdem garantieren.

KLAGE BEIM VERFASSUNGSGERICHT GEPLANT

Die Gemeinde Ostseebad Binz kündigte an, das Bundesverfassungsgericht einschalten zu wollen. So soll ein vorläufiger Baustopp erreicht werden. "Die Einstweilige Anordnung richtet sich gegen die Verlegung einer Pipeline von Lubmin nach Mukran auf Rügen, den Ausbau des Fährhafens Mukran zur Anlandung von Flüssiggastankern und die Errichtung einer industriellen Störfallanlage zur Regasifizierung des Flüssiggases im Hafenbereich." Nach allen denkbaren Szenarien wäre eine Gaseinspeisung ins Netz nicht vor Anfang 2025 möglich. Die Bundesregierung müsse Versuche unterlassen, Druck auf das Land und die dortigen Genehmigungsbehörden auszuüben.

Die Deutsche Umwelthilfe teilte mit, es gebe keine Gasmangellage und diese sei auch nicht zu befürchten. Entsprechend sei der Standort Mukran nicht nötig. Es gebe bereits einen üppigen Sicherheitspuffer. Der Umweltverband WWF sprach von einer Fehlentscheidung zulasten von Meeresnatur und Klimaschutz. "Verbissen durchgeführte Eilverfahren dürfen nicht zur Regel werden."

In namentlicher Abstimmung votierten am Freitag 370 Bundestagsabgeordnete für den Gesetzentwurf. 301 Parlamentarier waren dagegen, vier enthielten sich. Die Ampel-Fraktionen von SPD, Grünen und FDP hatten ihre Zustimmung signalisiert, alle Oppositionsparteien wollten dagegen stimmen.

Schwimmende Terminals sind bereits bei Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin in Betrieb und haben geholfen, einen Gas-Notstand nach dem Aus russischer Lieferungen im vergangenen Winter zu verhindern. Die weggefallenen Mengen sollen durch zusätzliche Schiffe in Lubmin und Wilhelmshaven erweitert werden, dazu kommt ein weiterer Standort vor Stade. Ab 2026 sollen drei Standorte durch feste Terminals ersetzt werden, in denen das Flüssiggas nicht auf den Spezialschiffen, sondern an Land in den Gas-Zustand zurückversetzt wird.

Ursprünglich sollten LNG-Schiffe auch vor Sellin auf Rügen ankern. Darauf wird Regierungskreisen zufolge aber verzichtet. Eines der beiden Flüssiggas-Schiffe der Deutschen Regas soll zudem von Lubmin abgezogen und vor Mukran stationiert werden. Die Kosten für den Umbau eines großen Teils der Erdgasversorgung auf Flüssiggas soll staatlich mit rund zehn Milliarden Euro finanziert werden. Der Bund erwartet allerdings über Gebühren zur Nutzung der Schiffe und Leitungen Rückflüsse.

(Bericht von Christian Krämer, Riham Alkousaa und Markus Wacket, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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